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1. September 2023
Lageplan
Praxis am Bräkerplatz
Susann-Müller-Strasse 6
9630 Wattwil
Wie in jeder Hausarztpraxis spielen auch bei uns Suchtkrankheiten eine grosse Rolle. Dabei geht es um das ganze Spektrum der legalen, wie auch illegalen Suchtmittel. Das Schwergewicht liegt auf der Früherfassung und der Behandlung schon Erkrankter.
Dr. med. H. Gammeter ist Stellenarzt der Sozialen Fachstellen Toggenburg SFT (www.soziale-fachstellen.ch) und Präsident von FOSUMOS (www.fosumos.ch).
Für ihn nimmt die Arbeit mit Menschen, die ein Suchtproblem haben, einen hohen Stellenwert ein.
In der Regel erfolgt die Betreuung von Suchtpatienten dann auch in enger Zusammenarbeit mit den Fachleuten der Sozial-- und Suchtberatung Toggenburg. Bestehen daneben auch noch psychiatrische Probleme kann eine Psychotherapie eine grosse Hilfe darstellen.
Dabei ist der Arzt mehr für die körperlichen Aspekte der Suchtkrankheit, eine medikamentöse Unterstützung oder die Behandlung von Folgekrankheiten zuständig.
- Nikotinentzugsbehandlung (mit Nikotinersatzpräparaten Champix und Zyban)
- Alkoholentzugsbehandlung (mit Antabus, Campral)
- Behandlung bei Heroinabhängigkeit (Methadon, Subutex, medikamentös unterstützter Entzug, Nemexin)
- Behandlung von Medikamentenabhängigkeit (Benzodiazepine), Cannabis Problematik und Abhängigkeit von Kokain und Partydrogen.
- Medikamente welche die psychischen Begleitprobleme behandeln (z.B. Antidepressiva)
- Abklärung, Beratung Impfung und Behandlung von Begleiterkrankungen (z.B. Hepatitis B, Hepatitis C)
FOSUMOS
(Forum Suchtmedizin Ostschweiz)
Praxisorientierte Informationen über die Behandlung von Suchtkrankheiten, Hinweise auf Fortbildungsveranstaltungen und ein Internet-Auskunftsdienst findet sich bei www.fosumos.ch
Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya
13. November 2003
Intensivierte Virus-Attacken auf Computernetzwerke der Tibeter
Wie schon im vorigen Jahr [vergl. Tibet-Information vom 7.Oktober 2002; UM] verzeichnen die Tibetische Regierung im Exil und Unterstützergruppen Virusattacken auf ihre Computernetzwerke. Diese Virus-Aktivität hat sich im Monat Oktober deutlich intensiviert. Die Zunahme könnte mit der auch im Oktober stattgefundenen internationalen Konferenz der Unterstützer-Gruppen in Prag zusammenhängen.
Ein Computerspezialist, der die 400 Computer der Tibetischen Regierung im Exil versorgt, sprach von einer „unglaublich hohen“ Intensität der Attacken, die ihn täglich 4 Stunden seiner Arbeitszeit kosteten. Die Viren waren in Mails mit vorgeblichem Absender von Mitarbeitern der Exil-Administration oder von Microsoft versteckt und erschienen spezifisch dazu gefertigt, vor der Konferenz in Prag an vertrauliche Informationen über Aktivitäten der Unterstützergruppen oder die Agenda des Dalai Lama zu gelangen. Die International Campaign for Tibet konnte die Herkunft einiger virus-infizierter Mails bis zu einem Internet-Anbieter in Beijing zurückverfolgen.
Als diese Aktivität offenbar wurde, schienen die Absender der Viren ihre Strategie zu ändern und versteckten diese in Mails, die als Herkunft diverse Tibet-Unterstützergruppen vorgaben. Während das Netzwerk der Exil-Administration gut gegen Viren geschützt ist, sind die Computer der Unterstützergruppen meist verletzlicher und könnten so als „Hintertür“ zur Exil-Administration genutzt werden.
Kalmükischer Präsident als Vermittler zwischen Dalai Lama und Beijing?
Noch kürzlich [vergl. Tibet-Information vom 6. Oktober 2003; UM] hatte sich der Präsident der Kalmükischen Republik in Russland, Kalsan Ilyumzhinov, darüber beklagt, dass das russische Aussenministerium dem Dalai Lama auf Druck aus China ein Einreise-Visum verweigert hatte. Kurz darauf besuchte Präsident Ilyumzhinov auf Einladung der chinesischen Regierung selbst China und Tibet. Offizielle Stellen in Russland, mit deren Einverständnis Ilyumzhinov diese Reise angetreten hatte, dementierten seine Rolle als Vermittler. Diese Rolle könne er nicht erfüllen, da er als Buddhist nicht unparteilich sei und die Tibet-Frage ohnehin eine „innerchinesische Angelegenheit“ darstelle. Allerdings machte der Sprecher des russischen Aussenministeriums eine Bemerkung, wonach Fortschritte in den Gesprächen zwischen dem Dalai Lama und der chinesischen Regierung „wünschenswert“ seien. Associate Press hingegen stellte Ilyumzhinov als „inoffiziellen Vermittler“ dar, der sich in Beijing auch mit Repräsentanten der chinesischen Regierung getroffen habe.
In der vergangenen Woche traf Ilyumzhinov den Dalai Lama während seines Japan-Besuches in Tokyo und beschrieb ihm seine Eindrücke der Tibet-Reise. Ilyumzhinov zitierte den Dalai Lama, dass dieser an Kontakten mit China „auf einer permanenten Basis“ interessiert sei und sowohl auf eine Fortsetzung der China-Besuche seiner Gesandten hoffe als auch auf eine Einladung an ihn selbst. Der Dalai Lama würde die territoriale Integrität und Unteilbarkeit Chinas nicht in Frage stellen und sei nach den Worten Ilyumzhinovs zuversichtlich, dass er in spätestens drei Jahren nach Tibet zurückkehren könne. Zuvor müssten aber noch Fragen bezüglich des massiven Zustroms von Chinesen nach Tibet und des Umweltschutzes geklärt werden.
Ilyumzhinov sagte der Presse in Tokyo, dass er dem Dalai Lama „objektive Informationen“ über die Situation in Tibet vermittelt habe. Diese Informationen bestanden nach seinen Worten aus dem folgenden: „Ich sagte ihm, dass die Religion vom Staat unterstützt wird, dass man in Tibet investiert. Es gibt dort bereits vier Flughäfen, und die Telekommunikation und Infrastruktur werden weiter entwickelt.“
Quellen: Associate Press
9. Oktober 2003
Wieder stirbt ein politischer Gefangener, hinterlässt „politisches Testament"
Wieder ist ein politischer Gefangener an den Folgen erlittener Misshandlungen gestorben. Der Mönch Nyima Drakpa ist am 2. Oktober , nur 9 Tage nach seiner Hospitalisierung aus einem Gefängnis in Dawu (heute in die chinesische Provinz Sichuan inkorporiert), verstorben. Er war im Oktober 2002 zu 9 Jahren Haft verurteilt worden, weil er politische Plakate hergestellt und verteilt hatte.
Er hatte mit Datum 1. April 2003 einen an den Dalai Lama addressierten Brief verfasst, der als eine Art „politisches Testament“ zu sehen ist und auf seinen ausdrücklichen Wunsch erst nach seinem Tode veröffentlicht werden sollte. Dieser Brief konnte ins Ausland geschmuggelt werden und wurde nun von Radio Free Asia der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht. Hier schildert Nyima Drakpa die seit seiner Verhaftung im März 2000 erlittenen Misshandlungen, verteidigt sein Handeln und sieht seinen nahen Tod voraus.
Auszüge aus seinem Brief [deutsche Uebersetzung aus der englischen Meldung von Radio Free Asis; UM]: „Ich weiss, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod…Nach dem Studium der grossartigen Geschichte unserer Vorfahren, die unser Land regiert haben, habe ich den Mut und den Willen, auch mein Leben für die Tibeter zu opfern… Ich beschloss, mein Leben zu opfern und Plakate aufzuhängen.“
Nach Berichten eines Augenzeugen konnte Nyima Drakpa bei der Aufnahme in das Spital am 23. September nicht mehr sprechen, und seine Beine hätten „dünn und leblos“ gewirkt. Ein Sprecher des Chinesischen Büros für Staatssicherheit in Dawu teilte Radio Free Asia am 2. Oktober, dem Tage seines Todes, telefonisch mit, dass Nyima Drakpa „bei guter Gesundheit und frei von Beschwerden“ sei.
China verstärkt Tibet-Propaganda im Internet
Eine Untersuchung, die durch das Tibet Information Network (London) durchgeführt wurde, zeigt die Zunahme chinesisch dirigierter Propaganda über Tibet im Internet. Die in der letzten Zeit in China eingerichteten Internet-Portale wie „Tibetinfor“, „TibetOnline“, „TibetGuide“ und „China Tibetology Research Center“ zeichnen ein Tibet-Bild ausschliesslich aus chinesischer Sichtweise. Darin wird Tibet dargestellt als eine wilde, rückständige Region, wenngleich mit einer farbenfrohen und exotischen Kultur. Die Internet-Portale zeigen die Tendenz, die Bedeutung des Buddhismus herunter zu spielen und betonen stattdessen auffallend Aspekte der tibetischen Kultur aus vor-buddhistischer Zeit.
Auftraggeber dieser Internet-Portale sind in der Regel chinesische Regierungsstellen, und entsprechend beschreiben die aufgeschalteten Artikel jeweils auch ausschliesslich Aspekte, die im Einklang mit der gegenwärtigen Politik stehen, wie z.B. den Eisenbahnbau. Auch die Darstellung historischer Aspekte folgt dem offiziellen Standpunkt, dass Tibet schon lange ein integraler Bestandteil Chinas war, wie beispielsweise die folgende Feststellung von „Tibetinfor“ [deutsche Uebersetzung aus dem Englischen; UM]: „Die tibetischen Regionen befinden sich seit über 700 Jahren unter der Jurisdiktion von China, und diese historische Beziehung basiert auf einer über 1300-jährigen positiven Tradition von politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakten zwischen den Han-Chinesen und Tibetern.“
Mit der gleichzeitigen Unterdrückung ausländischer Internet-Adressen über Tibet wird innerhalb Chinas damit ein noch stärker einseitiges Bild von Tibet propagiert.
Quellen: Radio Free Asia; Center for Human Rights and Democracy (TCHRD); Tibet Information Network
4. Oktober 2003
Russland verweigert dem Dalai Lama erneut ein Visum
Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hat Russland dem Dalai Lama ein Einreise-Visum verweigert. Der Dalai Lama plante, in der Kalmükischen Republik einen Tempel einzuweihen. Die Verweigerung des Visums erfolgte zeitgleich mit einem Besuch des russischen Ministerpräsidenten in Beijing, wo dieser über ein Pipeline-Projekt mit China verhandelt. Ein Sprecher des russischen Aussenministeriums sagte als Begründung, man müsse die „internationalen Interessen Russlands“ berücksichtigen und streng auf die Einhaltung von „internationalen Verpflichtungen, insbesondere den Freundschaftsvertrag mit China“ achten. China habe „eine negative Haltung“ gegenüber den „internationalen Aktivitäten“ des Dalai Lama. Etwas zynisch mutet die weitere Begründung an, Russland wolle mit der Verweigerung des Visums die gegenwärtigen Gespräche der Repräsentanten des Dalai Lama mit China nicht belasten.
Ein Sprecher der Kalmüken zeigte sich über die erneute Verweigerung des Visums tief enttäuscht. In Russland leben ca. 1 Millionen Buddhisten. Zuletzt hatte Russland den Dalai Lama vor 10 Jahren einreisen lassen.
China schliesst Klosterschule in Ost-Tibet; Gönner spurlos verschwunden
Erneut hat China einen Ort der buddhistischen Lehre in Ost-Tibet geschlossen. Ende Juli wurde eine in der Präfektur Ngaba (heute in die Provinz Sichuan inkorporiert) gelegene und mit dem Kloster Kirti assoziierte tibetische Schule, die ca. 800 Schüler beherbergte, offiziell geschlossen. Der Gönner der Schule, der tibetische Geschäftsmann Soepa Nagur, wurde Anfang August zu Gesprächen über die Schule in die Provinzhauptstadt von Sichuan, Chengdu, bestellt und ist seither spurlos verschwunden.
Die Klosterschule wurde 1994 mit Spenden von Soepa Nagur gegründet und beherbergte am Ende ca. 800 Schüler. Sie war besonders unter armen Bauern und Nomaden sehr populär, welche ansonsten ihren Kindern keine Schulbildung hätten bezahlen können. Das Curriculum umfasste buddhistische Philosophie, Dialektik, tibetische Geschichte, Sprache, Grammatik, Kalligraphie, Astrologie und Allgemeinwissen.
Im Jahre 1998 übernahmen die Behörden offiziell die Leitung der Schule und ersetzten die religiösen Inhalte des Curriculum zunehmend durch chinesische Sprache und sozialistische Philosophie, welche von chinesischen Lehrern unterrichtet wurden. Auch wurde die Schule umbenannt und allen Schülern Strafen angedroht, die den alten Namen weiter verwenden wollten. Schliesslich wurden die tibetischen Schüler gezwungen, ihre Mönchsroben abzulegen und chinesische Schuluniformen zu tragen. Vor zwei Jahren wurde die Schule mit einer öffentlichen Schule zusammengelegt, verlor aber zunehmend ihre tibetischen Schüler. Nach einem Protest der tibetischen Eltern konnte die Schule kurz zur alten Normalität zurückkehren. Jedoch wurde die Schule Ende Juli 2003, kurz vor Ende der Sommerferien, offiziell für geschlossen erklärt.
Über das Schicksal der Schüler im Alter von 7-20 Jahren ist nichts Konkretes bekannt. Viele Schüler sind offenbar zu ihren Eltern zurückgekehrt, während andere um Aufnahme in das benachbarte Kirti-Kloster gebeten haben.
Quellen: Los Angeles Times; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)
28. August 2003
Mobile Einheiten zur Geburtenkontrolle
Die Behörden der „Autonomen Region Tibet“ (TAR) haben ihre Bemühungen zur Geburtenkontrolle auch in entlegenen Regionen Tibets verschärft. Seit Mai sind insgesamt 64 speziell ausgerüstete Fahrzeuge in Dienst gestellt worden, die als mobile „Familienplanungs-Kliniken“ in verschiedene Regionen Tibets entsandt werden. Laut der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua sollen diese ambulanten Einheiten medizinische Untersuchungen der Frauen vornehmen, Verhütungsmittel ausgeben, Richtlinien der Familienplanung publik machen und auch Patiententransporte durchführen.
Tibeter, die in entlegenen Regionen wohnen, müssen nicht selten tagelange Reisen auf sich nehmen, um lokale Gesundheitsposten zu besuchen. Diese sind im Winter oder während der Regenperiode vollkommen unerreichbar. Auch sind diese meist nur mit unzureichend ausgebildetem medizinischem Hilfspersonal ausgestattet. Reisen in Hospitäler, die medizinisch qualifiziertes Personal aufweisen, sind noch länger. Diese Umstände dürften nicht unwesentlich zu der hohen Sterblichkeit unter werdenden Müttern beitragen. Insofern werden viele Tibeterinnen die mobilen Einheiten begrüssen.
Andererseits ist bekannt, dass Frauen, die bereits zwei oder drei Kinder zur Welt gebracht haben, starken Pressionen zur Kontrazeption oder Sterilisation ausgesetzt sind. Es ist Aufgabe der jeweiligen Repräsentantin der chinesischen Frauenvereinigung auf Dorfebene, solche Frauen ausfindig zu machen und diese an entsprechende Einrichtungen weiter zu verweisen. Es ist daher zu erwarten, dass sich mit den mobilen Einheiten dieser Druck auch in sehr entlegene Regionen ausweiten wird. Auch werden die einseitige Ausrichtung von stationären und mobilen Einheiten auf hormonale Kontrazeption in der Geburtenkontrolle anstatt einer mehr umfassenden Gesundheitserziehung, die stark eingeschränkte Wahl anderer Verhütungmittel sowie die zumeist mangelhafte medizinische Ausbildung des Personals kritisiert.
Widersprüchliche Signale aus China
Am 22. Juli publizierte People’s Daily, das offizielle Organ der Kommunistischen Partei Chinas, eine ungewöhnlich ausführliche Auseinandersetzung mit dem “Mittleren Weg”, den der Dalai Lama für die Autonomie Tibets verfolgt. Beobachter erstaunte die Ausführlichkeit und Sachlichkeit des Artikels, die von der bisherigen pauschalen Verdammung und Polemik der Vergangenheit deutlich abweicht. Dieser Artikel repräsentiert die längste und detaillierteste Diskussion der Position des Dalai Lama, die bisher in der chinesischen Presse erschienen ist. People’s Daily bestätigt dem Vorschlag sogar “inhaltliche Reife”. Zwar wird dem Dalai Lama wieder vorgeworfen, der Autonomie-Vorschlag verfolge im Geheimen noch immer die volle Unabhängigkeit Tibets, doch überrascht die Abwesenheit von Polemik, die in den Medien seit einigen Monaten weitgehend eingestellt wurde.
Eine weitere Überraschung in diesem Artikel ist die Erwähnung der chinesischen Provinzen Sichuan, Yunnan, Qinghai und Gansu, in die Teile des historischen Tibet nach der Invasion inkorporiert wurden. Bisher hatte Beijing sich kategorisch geweigert, diesen Punkt auch nur zur erwähnen, während der Artikel jetzt den Versuch einer Rechtfertigung der Inkorporation macht. Der künftige Status dieser ehemals tibetischen Gebiete stellt eine der grössten Hürden in den Kontaktgesprächen zwischen den Gesandten des Dalai Lama und der chineischen Regierung dar. Auch die Tatsache, dass der Artikel während des Besuches des britischen Premierministers Blair in China erschien, sorgte unter Beobachtern für Aufmerksamkeit. In aller Regel wird in Chinas stark regulierter Presselandschaft der Zeitpunkt der Publikation markanter Artikel nicht dem Zufall überlassen.
Beobachtern rätseln, ob dieses ein beginnendes Umdenken in der neuen chinesischen Führung darstellt. Dieses könnte mit dadurch ausgelöst und verstärkt sein, dass immer mehr tibetische Studenten zur Ausbildung nach Beijing kommen und dort gemeinsam mit chinesischen Intellektuellen die Tibet-Frage in zunehmender Offenheit diskutieren.
Andererseits hingegen verweigerte China einer neunköpfigen Delegation von prominenten Exil-Tibetern die Einreise, angeblich weil diese „Spalter der Nation“ seien. Der Besuch der Delegation, der unter anderem auch drei ehemalige Kalons (Minister in der Regierung im Exil) angehören sollten, war vor einem Jahr beim China-Besuch des Bruders des Dalai Lama, Gyalo Thondup, ins Auge gefasst worden.
Quellen: Kate Saunders (freie Mitarbeiterin Tibet Information Network); Xinhua; Radio Free Asia
3. Juli 2003
Bilanz des Tibet-Besuches der Gesandten des Dalai Lama
Die Gesandten des Dalai Lama haben ihren zweiten Besuch in China mit einer positiven Bilanz abgeschlossen. Sie zeigten sich beeindruckt von "der Aufmerksamkeit und Aufrichtigkeit", die China in den Gesprächen zeigte. Auch wurde in der Presse-Erklärung positiv hervorgehoben, dass den Gesandten der Besuch derjenigen tibetischen Regionen gestattet wurde, die nach der Invasion in chinesische Provinzen integriert wurden. Diese Regionen waren bisher von China strikt aus allen Betrachtungen zu Tibet ausgeklammert worden. Die Gesandten äusserten sich positiv über die Bemühungen Chinas, die Natur zu schützen und die Lebensbedingungen der dortigen Menschen zu verbessern. Von chinesischer Seite wurden die Bemühungen der Tibeter für ein "förderliches Gesprächsklima" gelobt. Mit dieser Redewendung dürfte der Aufruf der Regierung im Exil an die Tibeter und Unterstützer gemeint sein, auf allzu drastische anti-chinesische Proteste zu verzichten oder offen die Unabhängigkeit Tibets zu fordern.
Indessen äusserten sich unabhängige Beobachter kritischer über einen Fortschritt zwischen beiden Seiten und hinterfragten die Motive Chinas hinter diesem Dialog. Es fiel auf, dass die Presse-Erklärung wenig Neues verglichen mit derjenigen von September letzten Jahres enthielt. Dieses veranlasste einige Kommentatoren zu der Frage, ob die Gespräche vielleicht ins Stocken geraten seien. In diese Richtung wurde auch die Einlassung der Gesandten interpretiert, dass sich beide Seiten einig seien, dass es in der Vergangenheit viele "Verwicklungen" in den Beziehungen gab und es auch heute noch viele kontroverse Punkte gebe. Auch bemängelten die Gesandten, dass ihnen nicht genug Zeit blieb, ein vollständiges Bild über die Bewahrung der religiösen, kulturellen und sprachlichen Identität in diesen Regionen zu gewinnen und betonten die Wichtigkeit dieses Aspektes.
Beobachter rätseln weiter über die Motive Chinas, die hinter der Fortsetzung dieses Dialoges stehen. Ist China ernsthaft interessiert, die Tibet-Frage vor dem Ableben des jetzigen Dalai Lama zu regeln? Oder ist es ein Hinhalten mit dem Versuch, die Tibet-Frage zu entpolitisieren, indem allein die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen in den Vordergrund gestellt wird?
Staatsbesuch des indischen Präsidenten in China
Anlässlich des Staatsbesuches des indischen Präsidenten Vajpayee in China gab es eine Reihe von Vereinbarungen, die auch Tibet betreffen. Erstmals hat Indien offiziell die "Autonome Region Tibet" als zu China zugehörig anerkannt und sich dazu verpflichtet, "anti-chinesische Aktivitäten" in Indien zu unterbinden. Mit dieser Redewendung sind aus chinesischer Sicht alle Aktivitäten der Tibeter im Exil gemeint. Im Gegenzug stimmte China zu, den Nathu-Pass an der Grenze zu Sikkim für den Handel zu öffnen und anerkannte damit de facto die Annexion Sikkims durch Indien. Die Annexion Sikkims im Jahre 1975 war von China heftig kritisiert worden und stellte ein wichtiges Element in der Kontroverse um den Grenzverlauf zu Indien dar.
Interessant waren auch die Deutungen beider Staaten zu den angekündigten Vereinbarungen. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua feierte die indische Stellungnahme als Anerkennung, dass Tibet ein "integraler Bestandteil" Chinas sei. Indien dementierte sofort und stellte klar, dass man im Grunde nichts Neues gesagt habe und dass sich die Äusserung nur auf die "Autonome Region Tibet" beziehe, man aber nichts über "Tibet" (in seiner historischen Ausdehnung) gesagt habe. Der Dalai Lama bleibe Gast Indiens, und an seinem Status ändere sich nichts. Umgekehrt dementierte China, dass mit der Grenzöffnung offiziell die Zugehörigkeit Sikkims zu Indien anerkannt sei und nannte das Problem ein historisches Erbe, dass nicht über Nacht gelöst werden könne.
Die Tibetische Regierung im Exil begrüsste die Einigungen als ein förderliches Element auch zur Lösung der Tibet-Frage und bezeichnete die Äusserungen zur "Autonomen Region Tibet" und zu "anti-chinesischen Aktivitäten" als "Rhetorik" ohne signifikante praktische Auswirkungen.
Quellen: Tibet Information Network; BBC News
6. Juni 2003
Gewaltsame Deportation von tibetischen Flüchtlingen in Nepal
Erstmals hat Nepal nach einer Intervention der dortigen chinesischen Botschaft 18 tibetische Flüchtlinge, darunter 3 Jugendliche, gewaltsam nach Tibet deportiert. Diese Praxis weicht nicht nur vom bisherigen "Gentlemans Agreement" ab, nach dem Flüchtlinge dem UNHCR zur Weiterreise in das indische Exil überstellt werden, sondern verletzt auch das nepalische Einwanderungsgesetz.
Die Gruppe von ursprünglich 21 tibetischen Flüchtlingen wurde nach Erreichen Nepals am 15. April festgenommen und zunächst im grenznahen Gefängnis in Dilli Bazaar festgesetzt. Sie erhielten Geldstrafen von umgerechnet bis zu Fr. 100 wegen "illegaler Einreise". Das bisherige "Gentlemans Agreement" zwischen den Repräsentanten der Tibetischen Regierung im Exil, dem UNHCR und der nepalischen Einwanderungsbehörde sah vor, dass die Geldstrafen, die die tibetischen Flüchtlinge meist nicht bezahlen können, von privaten Gönnern oder der Regierung im Exil entrichtet werden und die Flüchtlinge dann dem UNHCR in Kathmandu überstellt werden. Dieses organisiert darauf die Weiterreise in das indische Exil.
Als ein Repräsentant der Tibetischen Regierung im Exil am 29. Mai nach Dilli Bazaar kam, um die Strafen zu bezahlen, sah er sich dort mit einem Vertreter der chinesischen Botschaft konfrontiert. Auf dessen Intervention wurde die Auslösung der Gefangenen verhindert, die stattdessen in ein Gefängnis in Kathmandu transferiert wurden. Drei Kinder im Alter von unter 10 Jahren wurden später dem UNHCR übergeben. Am 31. Mai wurden etwa 100 Exil-Tibeter, die sich frühmorgens vor dem Gefängnis versammelt hatten, gewaltsam zurückgedrängt. Kurz darauf wurden die 18 verbliebenen, sich heftig wehrenden Gefangenen, unter ihnen drei Jungendliche im Alter von 13-18 Jahren, in ein wartendes Fahrzeug gezerrt und zum Hauptquartier der Polizei gefahren. Dort wartete ein chinesischer Kleinbus mit verdeckten Kontrollschildern und fuhr Richtung tibetische Grenze davon, eskortiert von einem Fahrzeug mit bewaffneten nepalischen Polizisten und einem chinesischen Botschaftswagen. Augenzeugen, die den Konvoi bis zur Grenze verfolgten, berichteten, dass der Kleinbus die Grenze passierte und kurz darauf nepalische Polizisten mit Fesseln und Handschellen in der Hand den Grenzübergang zur Rückfahr nach Kathmandu überquerten.
Die Aktion, die heftigen internationalen Protest hervorruf, verletzt auch das nepalische Einwanderungsgesetz. Dieses sieht keine Deportation in das Herkunftsland vor, sondern die Freilassung der Gefangenen nach Entrichtung der Geldstrafen. Einige Beobachter spekulieren, dass die Aktion von konservativen chinesischen Kreisen inszeniert wurde, um den gegenwärtigen Besuch der Repräsentanten des Dalai Lama in Beijing zu sabotieren.
Das Foto eines Augenzeugen wurde am 31. Mai vor dem Gefängnis in Kathmandu aufgenommen. Es zeigt, wie sich eine Tibeterin vergeblich vor den Kleinbus wirft, um die Deportation der Flüchtlinge zu verhindern und von nepalischer Polizei weggezerrt wird.[Quelle: IGFM München]
Führungswechsel in Tibet: "Dritte Generation" übernimmt
Ein Führungswechsel bringt Tibeter der "Dritten Generation" in Regierungsämter. Jampa Phuntsog wird neuer Präsident der "Autonomen Region Tibet", und Legchok (der wie viele Tibeter nur einen Namen hat) wird Präsident der Ständigen Ausschusses des Tibetischen Volkskongresses. Sein Vorgänger, Ragdi, übernimmt ein hochrangiges Amt im Chinesischen Volkskongress, verliert aber dadurch seinen unmittelbaren Einfluss auf die tibetische Politik. Die neuen Amtsinhaber vertreten als "Dritte Generation" die Schicht der Technokraten, während die "Zweite Generation" eher aufgrund ideologischer Kriterien zu ihren Ämtern kamen. Diese Änderungen stellen einen Paradigmenwechsel dar, der technische Kompetenz höher bewertet als soziale Herkunft oder ideologische "Linientreue". Von der neuen Amtsinhabern erwarten Beobachter eine Fortsetzung der Politik der wirtschaftlichen Entwicklung Tibets ohne Lockerung der politischen Freiheiten. Auch wurde der bisherige tibetische Parteivorsitzende, Guo Jinlong, durch Yang Chuantang, einen engen Vetrauten des neuen chinesischen Parteivorsitzenden und Staatspräsidenten Hu Jintao abgelöst, der dadurch unmittelbaren Einfluss auf Tibet nimmt. Noch nie war ein Tibeter lokaler Parteivorsitzender.
Quelle: Kate Saunders (Mitarbeiterin des Tibet Information Network); Washington Post; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)
16. Mai 2003
Staudamm-Projekte in Ost-Tibet führen zu Umsiedlungen
Im Rahmen des umfassenden Entwicklungsprogramms der "Westlichen Regionen" wird noch in diesem Jahr mit dem Baubeginn für 7 Staudämme in der ost-tibetischen Region Barkham gerechnet. Insgesamt sollen bis zur Fertigstellung im Jahr 2006 etwa 8000 Tibeter von Umsiedlungen betroffen sein. Die ersten 60 Familien, meist wenig wohlhabende Bauern, wurden bereits im Dezember 2001 umgesiedelt. Wie erst jetzt bekannt wurde, drohten ihnen die lokalen Behörden bei Widerstand gegen die Umsiedlung drastische Geldstrafen an. Die versprochene finanzielle Kompensation wurde bis jetzt nicht ausgezahlt. Viele der Familien gerieten in materielle Not und mussten teilweise in das weit entfernte Lhasa übersiedeln, um Arbeit zu finden. Ausserdem würden durch die Dammbauten buddhistische Tempel und andere historische Monumente überflutet.
Die Dammbauten sind Teile des 1999 beschlossenen ambitiösen Entwicklungsprogramms für die "Westlichen Regionen", als dessen Folge grosse Mengen von Wasser als Trinkwasser oder zur Stromerzeugung in die industrialisierten Regionen im Osten Chinas umgeleitet werden sollen.
Massnahmen gegen SARS schwächen tibetische Ökonomie
Die drastischen Präventivmassnahmen gegen die Verbreitung von SARS nach Tibet zeigen Folgen. Wie Reisende berichten, ist der Tourismus in Tibet praktisch zum Erliegen gekommen, da die Grenzen nach Nepal weiter geschlossen sind. Während offizielle Verlautbarungen eine Lockerung der Restriktionen für Mitte Juni erwarten lassen, sprach ein Vertreter der Tibetan Tourism Corporation TTC von einer Abriegelung bis Ende August. Die Touristen, die sich bereits vor Implementierung der Massnahmen in Tibet aufhielten, wurden in den Hotels unter Quarantäne gestellt und mussten dann ausreisen. Chinesen, die aus Furcht vor SARS in ihrer Heimat nach Tibet reisen wollten, wurde die Einreise nach Tibet verweigert. Nur noch wenige Rucksack-Touristen erreichen Tibet, doch ist ihnen die Aufnahme in offizielle Hotels offenbar verweigert. Obwohl die Hotels leerstehen, scheinen die staatlichen Hotels den Mitarbeitern mehrheitlich die Saläre weiter auszuzahlen. Allein die tibetischen Pilger, die sich in der jetzt beginnenden Saison auf den Weg machen, scheinen nicht an Zahl abgenommen haben. Dagegen ist die Zahl der indischen Pilger drastisch zurück gegangen.
Auf den drei Hauptstrassen, die Tibet mit Nepal und den Provinzen Xinghai und Sichuan verbinden, sind nicht weniger als 22 Kontrollpunkte errichtet worden. Hier wird den Reisenden die Temperatur gemessen und ihre Fahrzeuge werden desinfiziert. Die Flugzeuge nach Lhasa sind nur noch spärlich besetzt, und auch auf dem Flughafen wird allen Reisenden mittels einer Infrarot-Kamera die Körpertemperatur bestimmt. Wenn diese Alarm schlägt, werden die Passagiere ausgesondert und nochmals individuell untersucht.
In der Woche vom 1. - 7. Mai kontrollierten sogenannte Anti-SARS-Inspektionsgruppen zahlreiche Spitäler, Gesundheitszentren, Apotheken und Verkehrsknotenpunkte. Die Tatsache, dass die Inspektoren Schutzmasken trugen, führte zu grosser öffentlicher Beunruhigung. Noch ist kein offizieller Fall von SARS in Tibet bekannt, obwohl nach inoffiziellen Angaben 2 Verdachtsfälle in Nord-Tibet gemeldet wurden [vergl. Tibet-Information vom 1. Mai 2003; UM].
Die Massnahmen dürften erhebliche Folgen für die tibetische Ökonomie haben. Da Tibet sehr stark auf den Gütertransport auf dem Landweg angewiesen ist, könnten die Restriktionen bald zur eine Güterknappheit in Tibet führen. Diese könnte möglicherweise bis zum Wintereinbruch nicht mehr kompensiert werden. Auch wurden in der Provinz Sichuan bereits die ersten Reisebegleiter entlassen. Ebenso leiden Reiseveranstalter und Agenturen in Nepal unter der Schliessung der Grenze.
Quelle: Kate Saunders (Mitarbeiterin des Tibet Information Network); BBC News Online; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)
1. Mai 2003
Reisebegleiter in Tibet unter Druck
Für die diesjährige Reisesaison wurden 100 Reisebegleiter aus verschiedenen chinesischen Provinzen nach Tibet delegiert, während in den vergangenen Monaten 150 tibetische Reisebegleiter ihre Arbeit verloren haben. Der Grund für den Verlust ihrer Arbeitsplätze waren offenbar intensive Abklärungen ihres "politischen Hintergrundes". Besonders nachteilig wurden vorherige Aufenthalte in Indien gewertet. Nicht wenige tibetische Reisebegleiter hatten sich temporär in Indien aufgehalten oder waren im indischen Exil geboren und konnten dann ihre erworbenen Englisch-Kenntnisse vorteilhaft in bei ihrer Arbeit mit ausländische Touristengruppen in Tibet einsetzen.
Im Sommer letzen Jahres führte das Tibet Tourism Bureau, das angeblich unter starkem Einfluss des Büros für Öffentliche Sicherheit steht, eine intensive Abklärung über die tibetischen Reisebegleiter durch. Unter anderem mussten diese eine offizielle Bestätigung ihrer Heimatbehörde bringen, dass sie niemals illegal ausgereist waren oder sich in Indien aufgehalten hatten. Mehrere der in der Regel gut ausgebildeten tibetischen Reisebegleiter fanden stattdessen eine Anstellung als Fahrer.
Laut einem Bericht der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua wurden die neu eingestellten chineischen Reisebegleiter dazu angehalten, nicht nur die "schönen Berge und Flüsse des Mutterlandes" anzupreisen, sondern den Touristen auch ein "objektives Bild" des "neuen Tibet" zu vermitteln und "spalterischen Tendenzen" entgegen zu treten.
Im letzten Jahr besuchten nach offiziellen Angaben 850'000 Touristen Tibet, ein Anstieg um 25% gegenüber dem Jahr 2001. Von diesen Touristen waren 720'000 Chinesen, 29% mehr als im Vorjahr, und 130'000 Ausländer.
SARS erreicht Tibet
Grenze zu Nepal geschlossen
Aber: Fluglinie Guangzhou (Kanton) - Lhasa eröffnet
Die infektiöse SARS-Krankheit scheint sich innerhalb der verhältnismässig armen Provinzen im Westen Chinas schnell zu verbreiten und hat nach der Inneren Mongolei, Gansu und Sichuan nun auch tibetische Regionen errreicht. Nach verlässlichen Berichten gibt es erste Fälle in den Städten Xining und Golmud im Nordwesten des traditionellen Tibet (nun inkorporiert in die chinesische Provinz Qinghai), wo auch öffentliche Aushänge vor der Krankheit warnen. In Lhasa wurde eine telefonische Hotline für Fragen über SARS eingerichtet. Aufgrund der durchweg schlechten Gesundheitsversorgung in Tibet mit mangelnder Aufklärung, schlechter Hygiene und der Tendenz offizieller Stellen, Probleme zu verbergen, ist eine rasche Ausbreitung zu befürchten. Während China bereits umgerechnet Fr. 1.2 Millionen in einen Notfallfonds zur SARS-Bekämpfung investiert hat, zieht die in New York ansässige Trace Foundation ihre Mitarbeiter aus Tibet zurück, weil sie für deren Gesundheit und allfällige medizinische Versorgung nicht garantieren kann.
Widersprüchlich fallen ansonsten die offiziellen Reaktionen aus. Auf der einen Seite hat China seit 27. April die Grenzen nach Nepal für Touristen bis auf weiteres geschlossen, obwohl bisher in Nepal keine gesicherten SARS-Fälle aufgetreten sind. Auf der anderen Seite hat Southern China Airlines am 30. April Linienflüge zwischen Guangzhou (Kanton) und Lhasa aufgenommen, obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO für Guangzhou und die umliegende Provinz Guangdong bereits seit 2. April eine Reisewarnung herausgegeben hat. Flugrouten haben sich weltweit als einer der Hauptwege für die rasche Verbreitung der Krankheit erwiesen.
Der inzwischen abgesetzte Bürgermeister von Beijing, Meng Xuenong, hat inszwischen zugegeben, dass er Berichte über SARS-Fälle im November während des Parteitages der Kommunistischen Partei unterdrückt hat. Er habe sich lediglich an die Partei-Direktive gehalten, die eine "stabile politische Situation in der Hauptstadt" verlangte.
Quelle: Kate Saunders (Mitarbeiterin des Tibet Information Network)
3. April 2003
Weitere Verhaftungen und Berichte über Misshandlungen in Ost-Tibet
Nach der Hinrichtung von Lobsang Dondrup, einem der beiden zum Tode verurteilten Tibeter in Kandze (vergl. Tibet-Information vom 22. Januar und 10. Februar; UM), mehren sich die Berichte über weitere Verhaftungen und Misshandlungen. Anfang März wurden in der ost-tibetischen Stadt Lithang zwei tibetische Geschäftsleute verhaftet, die dem zu Tode mit Aufschub verurteilten Tenzin Deleg Rinpoche nahe stehen. Einer der beiden Geschäftsleute, dessen Namen mit Tabo angegeben wurde, soll Informationen über das Gerichtsverfahren an ausländische Journalisten weitergegeben haben.
Der andere, mit Namen Didi, ist ein wohlhabender Geschäftsmann und mit Tenzin Deleg Rinpoche verwandt. Er soll an dem Gerichtsverfahren vom 2. Dezember 2002 teilgenommen haben und gilt als Mäzen der zahlreichen von Tenzin Deleg Rinpoche initiierten sozialen und Infrastruktur-Projekte in der Region Lithang. Tenzin Deleg Rinpoche genoss hohes Ansehen für sein Engagement für die Förderung von lokalen Schulen, Klöstern, Waisenhäusern und sogar Verbesserung der Strassenverbindungen.
Insgesamt sollen 10 weitere Personen verhaftet worden sein, von denen 5 wieder freigelassen wurden. Ein Mönch, der eine Petition zur Freilassung von Tenzin Deleg Rinpoche organisiert hatte, wurde 5 Jahren Haft verurteilt. Alle Freigelassenen berichteten von Folter und schweren Misshandlungen in Haft. Zwei Jugendliche seien spurlos verschwunden.
Nonne Ngawang Sangdrol in den USA
Eine der prominentesten politischen Gefangenen, die 26-jährige Nonne Ngawang Sangdrol, durfte China mit Ziel USA verlassen, wo sie jetzt wegen der Folgen der anhaltenden physischen Misshandlungen medizinisch behandelt wird. Sie war bereits im Oktober 2002 aus der Haft entlassen worden und stand seitdem in Lhasa de facto unter Hausarrest (vergl. Tibet-Information vom 21. Oktober 2002; UM). Die Freilassung und schliesslich die Ausreise in die USA wurden vor dem Hintergrund langjähriger Bemühungen der Tibet-Unterstützer, Politiker und Parlamentarier aus verschiedenen Ländern schliesslich durch monatelange Verhandlungen der in San Francisco ansässigen Dui Hua Foundation mit der chinesischen Regierung möglich. Die Dui Hua Foundation hatte bereits in der Vergangenheit erfolgreich in Fällen von politischen Gefangenen vermittelt.
Ngawang Sangdrol war bereits als 10-jährige bei Strassendemonstrationen in Lhasa aktiv und wurde im Alter von 13 Jahre erstmals verhaftet. Wegen ihrer Standhaftigkeit und Unnachgiebigkeit war sie das Opfer besonders schwerer Misshandlungen, und ihre Haftstrafen wurden mehrfach verlängert. Grosse Bekanntheit im Ausland erlangte Ngawang Sangdrol, als es ihr mit einigen Mitgefangenen gelang, ein Tonband mit Liedern aufzunehmen und aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Regulär wäre sie nach insgesamt 21 Jahren in Haft erst im November 2011 entlassen worden. Im Oktober 2002 wurde sie wegen Anzeichen von "Besserung" aus der Haft entlassen, stand aber de facto unter Hausarrest. Während sie bei ihrer Schwester in Lhasa wohnte, wurde sie dauernd durch Sicherheitskräfte observiert und musste sich regelmässig im Drapchi-Gefängnis melden. Die Behörden liessen sie bis zum letzten Moment, bevor sie das Flugzeug in die USA bestieg, über ihr Schicksal im Unklaren. Direkt vor dem Abflug musste sie eine Erklärung unterzeichnen, dass sie nicht an "anti-chinesischen Aktivitäten" teilnehmen würde.
Quellen: Human Rights Watch; Radio Free Asia
10. Februar 2003
Nach der Exekution von Lobsang Dhondup:
Angehörige müssen schweigen
Am 22. Januar wurde der 23-jährige Tibeter Lobsang Dhondup unmittelbar nach nichtöffentlicher Rekursverhandlung wegen angeblicher Verwicklung in Bombenattentate im ost-tibetischen Kandze hingerichtet [vergl. Tibet-Information vom 22. Januar; UM]. Die zunächst für den 10. Januar terminierte Rekursverhandlung war ohne Angabe von Gründen verschoben worden und fand - im Gegensatz zur ersten Verhandlung - wegen angeblicher "Staatsgeheimnisse" unter Ausschluss der Oeffentlichkeit statt.
Die Angehörigen erfuhren von der Exekution erst 5 Tage danach durch öffentliche Aushänge. Der Leichnam des Exekutierten wurde nicht den Angehörigen übergeben, was eine Abweichung von früherer Praxis darstellt. Angehörige klagten gegenüber Radio Free Asia, dass ihnen unter Androhung von Strafe verboten wurde, sich gegenüber anderen über die Exekution zu äussern. Auch dürfen sie ihre Heimatdörfer nicht verlassen. Der andere zum Tode mit 2 Jahren Aufschub verurteilte Tenzin Deleg Rinpoche wurde unterdessen an einen unbekannten Ort gebracht.
Die Hinrichtung hatte weltweit heftige Proteste ausgelöst.
Geheimgespräche über die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet?
Wie die Zeitung The Guardian erfahren haben will, sollen im März Geheimgespräche über eine mögliche Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet aufgenommen werden. Dazu soll demnächst eine grosse Delegation von Exil-Tibetern nach Beijing reisen. Gegenstand der Gespräche sollen die genauen Umstände sein, unter denen eine Reise des Dalai Lama nach Lhasa und seine permanente Rückkehr möglich würden.
Die Tibeter im Exil scheinen darauf zu hoffen, dass der designierte neue Parteivorsitzende Hu Jintao, der sein Amt im März antritt, auf eine konstruktive Lösung drängt. Ein Sprecher der Tibetischen Regierung im Exil nahm nicht zu Details Stellung. Er sagte lediglich, dass es der Wunsch des Dalai Lama sei, "eher früher als später" und unter "Bedingungen, die die Mehrheit der Tibeter zufriedenstellen", nach Tibet zurückzukehren.
Der Inhalt dieser Meldung wurde allerdings bisher von keiner anderen Quelle bestätigt.
Quellen: Radio Free Asia; The Guardian
22. Januar 2003
Weitere Verhaftungen und Rekurs gegen Todesurteile
Die beiden wegen angeblicher Verwicklung in Bombenattentate in Ost-Tibet zum Tode verurteilten Tibeter [vergl. Tibet-Information vom 6. Dezember 2002; UM] haben gegen die Urteile Rekurs eingelegt. Lobsang Dhondrup war zum Tode, und der sehr angesehene religiöse Lehrer Tenzin Delek Rinpoche zum Tode mit zweijähriger "Bewährungsfrist" verurteilt worden. Der Status der Rekursverhandlung, die am 10. Janaur beginnen sollte, ist unklar. Regierungsstellen weigerten sich, Fragen der Presse zum aktuellen Status zu beantworten. Die Urteile hatten zahlreiche internationale Proteste ausgelöst.
Es ist derzeit unklar, ob die Rekursverhandlung tatsächlich am 10. Januar begonnen hat oder verschoben wurde. Fest steht, dass zwei prominente chinesische Anwälte angeboten haben, die Verurteilten zu verteidigen, was jedoch abgelehnt wurde.
In einem aus der Haft geschmuggelten Tonband versichert Tenzin Delek Rinpoche, dass er unschuldig sei. Unterdessen wurde bekannt, dass noch weitere 10 Personen verhaftet wurden. Einer von ihnen wurde zu 5 Jahren Haft verurteilt. ICT wirft China vor, dass alle Verhafteten gefoltert wurden.
Wende in der Tibet-Politik:
Taiwan lädt Dalai Lama zu einem Besuch ein
Der Präsident von Taiwan, Chen Shui Bian, hat den Dalai Lama zu seinem dritten Besuch nach 1997 und 2001 auf die Insel eingeladen. Er betonte, dass Taiwan die Tibeter nicht mehr als "Festlands-Chinesen" betrachte. Gleichzeitig wurde die auf Kabinettsebene angesiedelte "Kommision für Tibetische und Mongolische Angelegenheiten" aufgelöst. An ihre Stelle tritt nun eine "Stiftung für Tibetisch-taiwanesischen Austausch". Damit distanziert sich Taiwan implizit davon, Tibet und die Mongolei offiziell als Teile von China anzusehen.
Nepal bricht "Gentlemen's Agreement" über Tibet-Flüchtlinge
In Nepal häufen sich die Verhaftungen von Flüchtlingen aus Tibet. In wenigen Wochen sind bereits wenigstens 13 Flüchtlinge wegen "illegaler Einreise" zu Haftstrafen verurteilt worden. Auch werden unter gleichen Vorwürfen oft Tibeter verhaftet, die sich im Transit von Indien auf dem Wege zurück nach Tibet befinden. Die Haftstrafen betragen mehrere Jahre, und teilweise werden Tibeter auch festgehalten, weil sie die hohen Geldstrafen - bis zu umgerechnet Fr. 4'000 - nicht bezahlen können.
Damit bricht Nepal ein aus den 90er Jahren stammendes "Gentlemen's Agreement" mit der Tibetischen Regierung im Exil und der UNHCR. Bisher wurden Tibeter, die nach ihrer Flucht aus Tibet aufgegriffen wurden, an die UNHCR in Kathmandu überstellt. Von dort wurde mit stillschweigender Zustimmung der Regierung von Nepal deren Weitertransport in das indische Exil organisiert.
Quellen: International Campaign for Tibet (ICT); BBC News; AFP; Tibet Justice Center
6. Dezember 2002
Wieder religiöse Unterweisungen im Larung-Gar-Institut
Am 4. November gab der zurückgekehrte Abt des Serthar-Instituts, Khenpo Jigme Phuntsok, seine erste religiöse Unterweisung seit der weitgehenden Zerstörung im Herbst letzten Jahres. Daran nahmen - unter strenger Aufsicht durch Sicherheitskräfte - über 5'000 Personen teil. Das in der Nähe der ost-tibetischen Stadt Serthar gelegene Institut zeichnet sich dadurch aus, dass es keiner spezifischen religiösen Schule des tibetischen Buddhismus angehört und allen buddhistischen Studierenden offenstand. Seit Juni 2001 wurden in der grössten Zerstörungsaktion in Tibet seit der Kulturrevolution über 3'000 Unterkünfte für Studierende dem Erdboden gleich gemacht und mehr als 61000 Studierende, zumeist Nonnen, ausgewiesen. Der Abt stand de facto unter Hausarrest, befand sich zwischenzeitlich aber auch in medizinischer Behandlung [vergl. auch Tibet-Informationen vom 30. August und 15. Oktober 2001; UM]. Offizielle Stellen waren vor allem durch die grosse Zahl chinesischer Buddhisten - es sollen bis zu l'000 gewesen sein - alarmiert und ordneten daher die Zerstörung der Unterkünfte und die Ausweisungen an. Letztere betrafen auffällig häufig Nonnen, da offenbar spekuliert wurde, diese würden eher wieder ihre Heimatorte aufsuchen anstatt nach Indien zu fliehen. Larung Gar wird derzeit von ca. 20 Sicherheitskräften beaufsichtigt, die dort permanent residieren und vor allem darauf achten, dass die genehmigte Zahl von Studierenden - etwa l'400 Mönche und Nonnen, gegenüber 8'000 vor der Zerstörung - nicht überschritten wird und keine neuen Unterkünfte gebaut werden. Der Zugang für externe Besucher ist streng kontrolliert. Für sie ist der Aufenthalt in Larung Gar auf 2 Stunden limitiert, und es dürfen keine Kameras mitgenommen werden.
Zwei Tibeter zum Tod verurteilt - Aufruf zur Hilfe
Wegen angeblicher Verwicklung in Bombenanschläge sind zwei Tibeter, darunter ein hoch angesehener buddhistischer Lehrer, zum Tode verurteilt worden. Die Bombenanschläge, die ein Todesopfer forderten, ereigneten sich im Frühjahr dieses Jahres in der ost-tibetischen Region Karze, die heute in die chinesische Provinz Sichuan integriert ist, und in der Provinzhauptstadt Chengdu. Dem einen Tibeter, dessen Name mit Lobsang Dhondup angegeben wird, droht nach Ablauf der Rekursfrist am 12. Dezember die sofortige Exekution. Die Vollstreckung des Todesurteils gegen den buddhistischen Lehrer Tenzin Delek Rinpoche wurde auf 2 Jahre ausgesetzt und könnte danach in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt werden. Tenzin Deleg Rinpoche ist einer der höchst angesehenen buddhistischen Lehrer in Ost-Tibet. Mehrere prominente Lehrer in Ost-Tibet waren wegen ihres Ansehens und Einflusses unter der Bevölkerung in der vergangenen Zeit das Ziel von chinesischen Anschuldigungen und Zwangsmassnahmen. Die Tibetische Regierung im Exil rief ausländische Politiker und Organisationen zur sofortigen Intervention für die Verurteilten auf.
Quellen: International Campaign for Tibet; Associated Press
9. November 2002
Mongolei-Besuch des Dalai Lama lässt Kupferpreise steigen
Der Dalai Lama ist am 6. November zu seinem mehrfach verschobenen Besuch in der Mongolei eingetroffen und wurde dort trotz winterlicher Temperaturen und nächtlicher Uhrzeit von einer grossen Menschenmenge am Flughfen empfangen.
Zuvor hatte ihm die russische Regierung ein Transitvisum verweigert, und die südkoreanische Fluggesellschaft Asiana wollte ihm vorgeblich aus "Sicherheitsgründen" kein Ticket ausstellen. Da Indien keine direkten Flugverbindungen nach Ulan Bator unterhält, war der Dalai Lama auf den Transit durch ein Drittland angewiesen. Der Flug erfolgte schlussendlich via Tokyo.
Die verärgerte chinesische Regierung, die vorher vergeblich gegen den Besuch in der Mongolei protestiert hatte, schloss darauf für einen Tag die Grenzen für den Eisenbahnverkehr. Dieses brachte vorübergehend den Kupferexport des Landes zum Erliegen, worauf der Weltmarktpreis für Kupfer auf ein 16-Wochen-Höchst stieg. Kupfer ist das wichtigste Exportgut der Mongolei und macht 50% aller Exporte aus. Auch wurden etwa 500 Eisenbahn-Passagiere an der Grenze aufgehalten. Ein Sprecher des chinesischen Ausseministeriums erklärte lediglich, "einige Züge" seien aus "technische Gründen" angehalten worden.
Unterdessen überstieg der Andrang an die öffentlichen Veranstaltungen alle Erwartungen. Ein Vortrag wurde von über 5000 Personen besucht, die zum Teil mehrere hundert Kilometer Weg zurückgelegt hatten. Sicherheitskräfte mussten protestierende Besucher zurückdrängen, die keinen Einlass mehr fanden und dem auf Lautsprechern übertragenen Vortrag draussen im Schneetreiben folgten.
Mitglieder der mongolischen Regierung wollten den Dalai Lama nicht treffen.
Mönche wegen Organisation von Gebetszeremonien verhaftet
Eine Serie von Gebetszeremonien im Februar d.J. in der ost-tibetischen Stadt Kandze hat im Oktober zu einem Militäreinsatz mit der Festnahme von fünf Mönchen geführt. Diesen wird vorgeworfen, dass sie in die Organisation von Langlebenszeremonien für den Dalai Lama involviert waren. Diese Zeremonien waren in aller Oeffentlichkeit unter Beteiligung von bis zu 500 Mönchen abgehalten worden, nachdem bekannt geworden war, dass der Dalai Lama in Indien wegen einer Darminfektion hospitalisiert werden musste. Während der Zeremonien wurden auch mehrfach unter Missachtung des offiziellen Verbots Fotos des Dalai Lama öffentlich ausgestellt.
Die sich über mehrere Tage und Nächte hinziehende Razzia in Kandze mit dem Einsatz von ca. 400 Soldaten ereignete sich nur einen Monat nach der Tibet-Reise der Gesandten des Dalai Lama. Die ost-tibetische Region um Kandze wurde nach der Invasion der chinesischen Provinz Sichuan angegliedert und gilt als eine der Hochburgen der tibetischen Dissidenten. Schon seit 1999, als ein hoch angesehener Mönch wegen Kontakten zum Dalai Lama verhaftet wurde, ereigneten sich mehrere Protestaktionen mit dem Verteilen von Flugblättern und Hissen der - verbotenen - tibetischen Nationalflagge.
Quellen: Associated Press; International Campaign for Tibet
21. Oktober 2002:
Nonne Ngawang Sangdrol vorzeitig aus der Haft entlassen
Eine der prominentesten politischen Gefangenen in Tibet, die Nonne Ngawang Sangdrol, ist vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Die Freilassung "wegen guten Betragens" erfolgte unmittelbar vor Beginn des US-Staatsbesuches von Präsident Jiang Zemin.
Die heute erst 25 Jahre alte Ngawang Sangdrol war 1990 als 13-jährige nach einer Demonstration in Lhasa erstmals verhaftet worden, jedoch wurde angesichts ihres Alters von einer Bestrafung abgesehen. Nach einer zweiten Demonstration im Alter von 15 Jahren wurde sie zu einer Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt. Ihre Strafen wurden danach immer wieder wegen ihrer Unbeugsamkeit im Gefängnis verlängert, so dass ihre reguläre Entlassung erst im Mai 2013 erfolgt wäre. Anlässe zur Haftverlängerung waren so geringe Anlässe wie ihre Weigerung, sich bei einem Besuch eines Offiziellen zu erheben oder dem Rufen von "Freiheit für Tibet". Ngawang Sangdrol erlangte grosse Bekanntheit im Ausland, als es ihr mit einigen Mitgefangenen gelang, heimlich im Gefängnis ein Tonband mit Liedern aufzunehmen und nach aussen zu schmuggeln. Vier andere Mitgefangene, die daran beteiligt waren, waren bereits früher in diesem Jahr vorzeitig freigelassen worden.
Ngawang Sangdrol war wegen ihrer angeblichen Beteiligung am Gefangenenaufstand im Drapchi-Gefängnis im Mai 1998 schwerstens misshandelt worden. Nachdem sie nun wegen "guten Betragens" freigelassen und ihrer Familie übergeben wurde, fordern Tibet-Unterstützer, dass sie wegen ihrer seitdem angegriffenen Gesundheit sofort angemessene medizinische Betreuung erhält.
Beobachter beurteilen die Freilassung noch immer kontrovers. Während einige darin Zeichen einer fundamental geänderten chinesischen Tibet-Politik erkennen, glauben andere, die jüngsten Freilassungen von mehreren Dissidenten (vergl. Tibet-Informationen vom 29. Januar und 8 April 2002; UM) sollten nur dazu dienen, Chinas Präsident Jiang Zemin einen ungestörten US-Besuch zu gestatten.
Quellen: Associated Press
7. Oktober 2002:
Hacker-Attacken auf Dissidenten und Tibet-Unterstützer
Seit April verzeichnen verschiedene Organisationen eine stark zunehmenden Flut von Internet-Attacken aus China. Betroffen sind nicht nur die Tibetische Regierung im Exil, sondern auch der Radiosender Voice of America, die Falun Gong Organisation und Unterstützergruppen für Ost-Turkestan. Die Menge und Art der Attacken tragen nach Meinung von Computerspezialisten eindeutig eine professionelle Handschrift. In manchen Fällen liessen sich die Urheber der Attacken eindeutig in Regionalbüros von China Telecom zurückverfolgen. Die betroffenen Organisationen sind identisch mit denjenigen, deren Internet-Adressen vor kurzem von China für das Suchprogramm Google gesperrt worden waren. Die Attacken ereignen sich in Form von hunderten von e-mails mit falscher Adressenangabe, manchmal sogar mit der von der Tibetischen Regierung im Exil. Diese e-mails werden sowohl an die genannten Organisationen als auch an prominente Individuen im Ausland gesandt, welche offenbar in China als Dissidenten identifiziert sind. Die Attacke besteht in sogenannten "Trojanischen Pferden", also Programmen, welche den Computer der Betroffenen nach bestimmten Datein ausspähen und diese dann an Adressen innerhalb Chinas senden. Ein Mitarbeiter der Tibetischen Regierung im Exil fand ein solches Programm in seinem Computer, welches gerade im Begriff war, Dateien an sechs verschiedene Adresse in China zu schicken, darunter Universitäten und Regierungsstellen. Eine andere Form der Attacke besteht aus Programmen, welche den Absendern die Kontrolle des betroffenen Computers via Internet ermöglichen. Ein Mitarbeiter einer Organisation für Ost-Turkestan verzeichnete seit April durchschnittlich 3-4 Attacken pro Woche.
Gesandte des Dalai Lama mit positiven Eindrücken aus China und Tibet zurück
Die Gesandten des Dalai Lama, die vom 9. bis 27. September Bejing und Lhasa besucht hatten, kehrten nach eigenen Angaben mit positiven Eindrücken zurück. Sie sagten, dass sie im Dialog mit ihren Partnern Zeichen von "Flexibilität, Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit" entdeckt hätten, während solche Gespräche in der Vergangenheit regelmässig mit einem Affront geendet hätten. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, dass in der Zukunft weitere Besuche möglich seien und sich ein regelmässiger Dialog entwickeln könne. Als möglicher Termin für spätere, formelle Verhandlungen wurde der Juli nächsten Jahres angegeben. Einschränkend sagten die Gesandten aber auch, dass die chinesische Führung bisher keine Aenderung ihrer Haltung gegenüber Tibet habe erkennen lassen und sich die Gespräche auf einen Austausch der gegenseitigen Positionen beschränkten. Von besonderer Bedeutung ist aber die Tatsache, dass die Gesandten auch einen Repräsentanten der Provinz Sichuan trafen, da sich China bisher kategorisch geweigert hatte, die in Sichuan inkorporierten Teile des historischen Tibet anzusprechen. In offiziellen Mitteilungen war die chinesische Führung darauf bedacht, vor allem den Besuch der Gesandten in Tibet herunter zu spielen. So gab ein Sprecher des Aussenministeriums auf Anfrage an, es sei "normal", wenn "im Ausland lebende Mitbürger" einmal ihre Heimat besuchen und sich über die neuen Lebensumstände informieren wollten. Der Besuch in Lhasa blieb in den offiziellen Medien unerwähnt. Als die Gesandten den Jokhang-Tempel in Lhasa besuchten, wurden sie nur in den frühen Morgenstunden eingelassen, und ausser drei Mönchen zur Begrüssung wurden sie von weiteren Kontakten abgeschirmt. Den übrigen Mönchen im Jokhang war es untersagt, ihre Quartiere zu verlassen.
Die Tibetische Regierung im Exil hat unterdessen als Zeichen des guten Willens alle Organisationen dazu aufgerufen, auf Proteste während des US Besuches von Präsident Jiang Zemin im Oktober zu verzichten. Dieser Aufruf sowie die Signifikanz des China-Besuches der Gesandten wird auch in tibetischen Exilkreisen sehr kontrovers kommentiert. Kritiker halten den Besuch lediglich für ein Ablenkungsmanöver der chinesischen Führung, um Jiang Zemin einen ungestörten US-Besuch und würdigen Abtritt als Staatspräsident zu verschaffen.
Quellen:
South China Morning Post; Tibet Information Network; Radio Free Asia
Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya
17. Dezember 2004
Weiter Unklarheit über das Schicksal von Tenzin Delek Rinpoche
China lässt die internationale Staatengemeinschaft weiter im Unklaren, ob die Exekution von Tenzin Delek Rinpoche vollzogen wird. Dieser war vor zwei Jahren nach einem als nicht rechtsstaatlich angesehenen Verfahren wegen angeblicher Beteiligung an Bombenattentaten zum Tode verurteilt worden. Im Gegensatz zu seinem Mitangeklagten, Lobsang Dhondup, wurde der Vollzug der Exekution jedoch für 2 Jahre suspendiert. Diese Frist endete kürzlich. In Antwort auf eine weltweite Kampagne für Tenzin Delek Rinpoche sagte eine Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums lediglich, dass dieser wegen “Gefährdung der Staatssicherheit und Beteiligung an terroristischen Aktivitäten im Einklang mit dem Gesetz” verurteilt sei. Ein Offizieller in der Gefängnisadministration der südchinesischen Provinz Sichuan deutete hingegen an, dass die Todesstrafe möglicherweise in eine Haftstrafe umgewandelt wird.
Glückliches Ende im Verwirrspiel um Besuch des Dalai Lama
in Russland
Das Verwirrspiel um den Besuch des Dalai Lama in Russland [vergl. Tibet-Information vom 11. November 2004; UM] fand mit seiner kurzfristigen Einreise am 29. November für einen dreitägigen Aufenthalt ein glückliches Ende.
Der Einreise gingen über zwei Wochen lang verwirrende Stellungnahmen voraus. Am Tage des zunächst angekündigten Besuches in der Russischen Republik Kalmükien, dem 13. November, zitierte das russische Aussenministerium eine Stellungnahme des Dalai Lama, er habe auf die Beantragung eines Einreise-Visums verzichtet. Er wolle niemanden in Schwierigkeiten bringen. Wenige Tage später gab der Präsident der Buddhistischen Vereinigung in Kalmükien an, dass er mit “99.9 Prozent” Sicherheit mit einem Besuch noch im November rechne. Ein Visa-Antrag werde gerade bearbeitet. Das russische Aussenministerium gab wiederum einige Tage später bekannt, ein Visum sei erteilt, nur, um wenige Stunden diese Stellungnahme dahingehend wieder zu revidieren, dass ein Visum “im Prinzip” erteilt werde. Schliesslich erfolgte die Einreise so kurzfristig, dass mit Rücksicht auf die weiteren Verpflichtungen des Dalai Lama ein Privat-Jet gechartert werden musste. Das russische Aussenministerium rechtfertigte die Erteilung des Einreisevisum mit der überaus grossen Nachfrage durch die buddhistische Gemeinschaft in Russland. Die Auflage an den Dalai Lama war, dass er sich nicht zu politischen Fragen äusserte. Nach unbestätigten Gerüchten soll ihm sogar diesbezüglich eine schriftliche Zusicherung an Präsident Putin abverlangt worden sein.
Personelle Veränderungen in der tibetischen Justiz:
Chinesen statt Tibeter
Kürzlich wurden in den offiziellen chinesischen Medien eine Reihe von personellen Veränderungen in der Autonomen Region Tibet (TAR) bekanntgegeben. Neubesetzungen gibt es vor allem in den Mittleren Volksgerichten und der Anklagebehörden (“Prokuraturen”) aller sechs Präfekturen. Diese personellen Veränderungen zeigen, dass immer häufiger chinesische Kader gegenüber tibetischen bevorzugt werden und die “regionale Autonomie” von Beijing nicht ernst genommen wird.
Innerhalb des chinesischen Justizsystems sind drei Instanzen für die Einhaltung der Gesetze zuständig: die Prokuratur, die Gerichte und die Polizei, und alle drei unterstehen der direkten Kontrolle der Partei. Ein tibetischer Offizieller bestätigte TIN gegenüber die Rolle der Partei: “Was anderswo Gesetz genannt wird, ist in China und Tibet nichts als ein Werkzeug der Partei, ein Instrument, das der Partei zu Diensten steht.”
Nur sehr wenige von den in den Prokuraturen oder auf Provinzebene neu besetzten Stellen werden mit Tibetern versehen, die Chinesen ablösen. Diese Stellenbesetzungen schaffen ein ethnisches Ungleichgewicht, das im Widerspruch zu der 1984 erklärten Autonomie-Politik Chinas steht, die in entsprechenden regierungsoffiziellen Weissbüchern immer wieder gerühmt wird.
Quellen: PTI; UPI; Associated Press; Tibet Information Network (überarbeitete Uebersetzung von IGFM München)
11. November 2004
Neue Kampagne zur “Patriotischen Erziehung”
Bei einem Treffen hochrangiger Funktionäre in Lhasa im Oktober wurde eine erneute Kampagne zum “harten Durchgreifen gegen separatistische Kräfte” beschlossen. Wie der Chef des “Büros für Öffentliche Sicherheit” in Lhasa erklärte, zielt diese Kampagne zur “Wahrung der sozialen Stabilität” vor allem auf “separatistische Kräfte” in Klöstern. Ende Oktober fand ebenfalls in Lhasa ein mehrtätiges Treffen von Regierungsvertretern statt, die für die “Patriotische Erziehung” in Klöstern verantwortlich sind. Hier wurden Details der Kampagne festgelegt. Nach Worten des Vorsitzenden des “Kommitees für Patriotische Erziehung” soll die Kampagne “separatistische Aktivitäten” in den Klöstern unterbinden und speziell auch die “Infiltration” von Literatur aus dem Exil stoppen. In einer Pilotphase sollen die Massnahmen in wenigen Klöstern in Lhasa implementiert und dann im nächsten Jahr entsprechend der Erfahrungen landesweit ausgedehnt werden.
Diese Kampagne erinnert an die vorigen Kampagnen “Strike Hard” und “Patriotische Umerziehung”, die vor mehreren Jahren in Tibet zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führten.
Verwirrspiel um Besuch des Dalai Lama in Russland
Laut Information einer Radiostation in der Russischen Republik Kalmükien soll der Dalai Lama am 13. November zu einem religiösen Besuch in der überwiegend buddhistischen Republik eintreffen. Auch der Präsident der Republik, Kirsan Ilyumzhinov, bestätigte, dass der Dalai Lama in Kürze erwartet werde. Kurz darauf dementierte jedoch das russische Aussenministerium, dass ein Visum erteilt wurde. Laut einem Sprecher des Ministeriums sei kein Visa-Antrag eingegangen, werde jedoch “innert kurzer Zeit” bearbeitet, wenn dieser noch gestellt werde. Mehrere Reisen des Dalai Lama waren in den vergangenen Jahren wegen Verweigerung eines Einreise-Visums – jeweils unter massivem Druck aus China - gescheitert.
Tibetische Schriftstellerin wegen kritischer Ansichten bestraft
Die tibetische Schriftstellerin Oser ist wegen kritischer Ansichten in ihrem Buch „Notizen aus Tibet“ gravierenden Sanktionen ausgesetzt [wegen Details zur Autorin und zum Buch vergl. Tibet-Information vom 2. April 2004; UM]. Sie verlor nicht nur ihren Arbeitsplatz bei einer tibetischen Zeitschrift in Lhasa, sondern auch ihre Wohnung und die Zuschüsse des Arbeitgebers zur Gesundheits- und Altersversorgung, und sie darf keinen Reisepass beantragen.
Die Regierungsstellen in Lhasa waren zu dem Schluss gekommen, dass die Schriften von Oser “politische Entgleisungen” enthalten. Der Direktor des Huacheng Verlags und der Herausgeber des Buches bekamen beide einen Verweis. Die Arbeitseinheit von Oser, die Tibetan Cultural Association, bildete ein besonderes Komitee, um sie einer “Korrektur des Denkens” zu unterziehen, während die Parteiorgane mehrere Kader entsandten, die täglich mit Oser und ihren Angehörigen sprachen. Oser selbst wurde damit beauftragt, einen lobenden Artikel über die Qingzang [Qinghai-Tibet] Eisenbahn zu schreiben, obwohl sie vorher eine eindeutig kritische Position bezogen hatte. Sie wurde auch aufgefordert, von ihrer Ausübung des tibetischen Buddhismus Abstand zu nehmen. Nachdem sie von allen Seiten unter Druck gesetzt wurde, sah sie sich dazu gezwungen, Lhasa zu verlassen und bei Freunden in Peking Unterschlupf zu suchen.
Quellen: Lhasa Evening [regierungsoffizielle Zeitung]; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD); Ekho Moskvy Radio; Interfax; IGFM München
31. Oktober 2004
Hunderte arbeitsloser Tibeter protestieren
Über zwei Wochen lang protestierten mindestens 200 vorwiegend tibetische Studenten vor Regierungsgebäuden der Präfektur Golog, einem traditionell tibetischen Gebiet im Südosten der westchinesischen Provinz Qinghai (Nordost-Tibet), weil ihnen die von den Behörden versprochenen Arbeitsplätze nicht zur Verfügung standen. Ein chinesischer Regierungsbeamte gab gegenüber Radio Free Asia an, die Studenten hätten am 21. September ihr Lager aufgebaut und einen Sitzstreik begonnen.. “Örtliche Regierungsvertreter appellierten an die überwiegend tibetischen Jugendlichen, ihren Protest einzustellen, und sicherten ihnen zu, sie würden Arbeitsplätze bekommen, sobald welche verfügbar seien. Trotzdem wichen die Jugendlichen nicht von der Stelle.”
Informanten berichteten, einige der Beamten hätten sogar Zelte und Nahrung angeboten und wären so in Sorge gewesen, dass sie die Ferienwoche um den chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober durchgearbeitet hätten, um die Studenten zur Beendigung ihrer Protestaktion zu bewegen.
Die Studenten seien hauptsächlich deswegen aufgebracht gewesen, weil ihnen nach ihrem Studienabschluss sichere Arbeitsplätze in der Region versprochen worden waren. Viele Familien hätten Land oder Vieh verkaufen müssen, um die hohen Studiengebühren für das Studium ihrer Kinder zu zahlen. Als Beweis wiesen einige der Protestierenden sogar entsprechende schriftliche Zusagen der Behörden vor.
Protest gegen illegalen Talsperren-Bau in Provinz Yunnan
NGOs, ausländische Experten und lokale Bewohner fordern die Einstellung des Baus einer Talsperre in der "Schlucht des springenden Tigers" (chinesisch Hutiaoxia-Schlucht, tibetisch tak chonggak) in einer tibetisch geprägten Region der chinesischen Provinz Yunnan. Mit der Unterstützung von Lokalpolitikern, die von diesem Projekt profitieren wollen, wurden die Bauarbeiten ohne eine ordentliche Genehmigung begonnen. Mit dem Bau war Ende Juli begonnen worden, ohne dass zuvor die diversen Gutachten, die das chinesische Gesetz vorschreibt, eingeholt worden wären. Der Bau zerstört ein Naturmonument in der Region der “drei parallelen Flüsse” sowie kulturhistorisch bedeutsame Bauwerke.
In einer Petition der ortsansässigen Bevölkerung heisst es: "Die Einheimischen sind nicht reich, aber sie haben genug für ein einfaches Leben.... Durch das Talsperren-Projekt würden fast 100.000 Menschen zur Umsiedlung gezwungen. Wenn die Talsohle überflutet wird, müssen die Menschen in höher gelegene Hanglagen und Grasland ausweichen. Dadurch würde die landwirtschaftliche Produktion wesentlich geringer ausfallen und der Lebensstandard sinken. Ältere und behinderte Personen müssten negative Auswirkungen auf ihren Lebensstil und ihren Unterhalt befürchten, was wiederum die soziale Stabilität der ethnischen Minderheiten in der Region beeinträchtigen würde…Etliche Stätten kulturellen Erbes liegen an beiden Seiten des Flusses. Ist der Staudamm erst einmal gebaut, werden diese unter Wasser gesetzt.”
Erst im April hatte Chinas neuer Staatspräsident Hu Jintao ein umstrittenes Staudammprojekt in Ost-Tibet gestoppt [vergl. Tibet-Information vom 21. April 2004; UM].
Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Justice Center (adaptiert nach deutscher Uebersetzung von IGFM München)
18. Oktober 2004
Gesandte des Dalai Lama aus China zurück
Die Gesandten des Dalai Lama sind nach zweiwöchiger Reise am 29. September aus China zurückgekehrt. Sie wandten sich erst am 12. Oktober nach einem Gespräche mit dem Dalai Lama, der einen Tag vorher von einer Mittelamerika-Reise heimgekehrt war, an die Öffentlichkeit. Die Gesandten hatten auch die Osttibetische Präfektur Kardze und einige Sonderwirtschaftszonen in China besuchen können.
Ihre Eindrücke fasste der Leiter der Delegation, Lodi Gyari , in einer Medienmitteilung folgendermassen zusammen: “Wir hatten den bisher umfassendsten und ernsthaftesten Meinungsaustausch…Die Diskussionen wurden in einer offenen, aber freundschaftlichen Atmosphäre gehalten. Es wurde… deutlich, dass es erhebliche Differenzen über eine ganze Zahl von Themen gibt, darunter einige fundamentale. Beide Seiten anerkannten die Notwendigkeit für weitere substanzielle Diskussionen, um die Kluft zu überwinden und zu Gemeinsamkeiten zu kommen. Wir betonten die Notwendigkeit, dass beide Seiten Flexibilität, Weitsicht und Vision zeigen müssen, um die Differenzen zu überwinden.” [dt. Uebersetzung aus englischer Medienmitteilung; UM]. Die Medienmitteilung enthält auch positive Worte zu den Gesprächen mit lokalen tibetischen Funktionären in Kardze, die sie als “gut ausgebildet, kompetent und hingebungsvoll” bezeichneten. In ihren Gesprächen hätten sie auf die Notwendigkeite der Bewahrung der tibetischen Kultur hingewiesen, anerkannten aber auch die Bedeutung wirtschaftlichen Fortschritts. Auch ässerten sich die Delegierten lobenden über die chinesischen Sonderwirtschaftszonen.
Der China-Experte John Kamm, gleichzeitig Direktor der Dui Hua Foundation, welche schon mehreren politischen Langzeitgefangenen die Ausreise aus Tibet verschafft hatte, bezeichnete das Interesse Chinas an einem Dialog mit den Tibetern als ernsthaft.
Maoisten in Nepal sind auch in Tibet aktiv
Eine Analyse des in London ansässigen Tibet Information Network zeigt, dass die Maoisten in Nepal nun auch in Tibet aktiv sind und dort Geld für Waffenkäufe verdienen. Ein Schlaglicht auf diese Aktivitäten warfen zwei Todesurteile, die der Mittlere Volksgerichtshof in Shigatse, Tibets zweitgrösster Stadt, im September gegen zwei Nepali wegen Waffen- und Munitionsschmuggels erliess.
Die Maoisten scheinen vor allem Geld durch den illegalen Handel mit Grundstoffen für tibetische Heilmittel zu verdienen. Sie machen sich dabei die starke Nachfrage nach diversen Grundstoffen zu Nutzen. Vor allem der Raupenkeulenpilz (Cordyceps sinensis oder tibetisch Yartsa Gumbu), dem tonisierende und libidosteigernde Eigenschaften zugeschrieben warden, erzielt auf dem Markt in Lhasa Preise von umgerechnet CHF 1’500 – 4’500 pro Kilogramm. Die Maoisten oder ihre Mittelsmänner lassen diesen Pilz in Nord-Nepal ernten, der dann nach Tibet geschmuggelt und auf dem Markt in Lhasa verkauft wird. Von dem Erlös warden auf dem Schwarzmarkt in Tibet Waffen und Munition erworben und nach Nepal geschmuggelt. Die illegalen Transaktionen der Maoisten warden dadurch begünstigt, dass die Regierung in Kathmandu vor allem über die westlichen Landesteile Nepals kaum noch administrative Kontrolle hat.
Die Maoisten versuchen seit ihrer Abspaltung von der Kommunistischen Partei Nepals im Jahr 1996, mit Waffengewalt das Königshaus und die Regierung von Nepal zu stürzen und einen streng kommunistischen Staat zu errichten. China hat sich seit langem von den Maoisten distanziert und leistet Nepal eine nicht näher definierte Militärhilfe. So sagte schon vor zwei Jahren der chinesische Botschafter in Kathmandu, die Maoisten seien eine “regierungsfeindliche Rotte. ..Wir würden sie niemals als [sic] Maoisten bezeichnen. Sie missbrauchen den Namen des Vorsitzenden Mao, was dem Ansehen unseres großen Steuermanns abträglich ist und gleichzeitig den internationalen gegen China gerichteten Kräften als Vorwand dienen könnte, um Verwirrung zu stiften".
Quellen: Tibet Information Network (adaptiert nach deutscher Übersetzung von IGFM München)
28. September 2004
Verhandlungen über Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet?
Der gewöhnlich gut informierte China-Korrespondent der britischen Zeitung The Independent, Jasper Becker, zitiert Spekulationen aus diplomatischen Kreisen, dass die gegenwärtig im Lande weilenden Gesandten des Dalai Lama über dessen Rückkehr nach Tibet verhandeln könnten. Wenn sich China als Gastgeberin der Olympischen Spiele 2008 in Beijing als wahre Weltmacht präsentieren wolle, müssten jetzt Verhandlungen über die dem Image Chinas abträgliche Tibet-Frage begonnen werden. Mit dem neuen Partei- und Staatspräsidenten Hu Jintao, der von 1988 bis 1992 Gouverneur der Autonomen Region Tibet war, stehe den Tibetern zum ersten Male eine mit den Verhältnissen in Tibet bestens vertraute Person gegenüber. Es wird spekuliert, dass Hu Jintao eine weniger harte Position gegenüber Tibet einnimmt als etwa sein Vorgänger Jiang Zemin. Hu Jintao hatte erst kürzlich Jiang Zemin in seinem letzten einflussreichen Amt als Vorsitzender der Militärkommission abgelöst und damit seine Machtbasis konsolidiert.
Bereits werden Konditionen für die mögliche Rückkehr des Dalai Lama genannt, die an das von China bereits kurz nach Abschluss im Jahre 1951 gebrochene “17-Punkte-Abkommen” erinnern, welches den Tibetern volle Autonomie zusicherte. So soll der Dalai Lama im Potala-Palast in Lhasa residieren und nicht etwa im “Goldenen Käfig” in Beijing. Er soll die volle Autorität über die Herausgabe religiöser Texte haben und die einzige Instanz für die Ernennung von Klosteräbten und die Anerkennung von Wiedergeburten sein. Weiterhin soll er jederzeit ungehindert ein- und ausreisen und ungehindert alle von Tibetern bewohnten Regionen innerhalb des chinesischen Staatsverbandes besuchen dürften.
Hardliner in Beijing machen dagegen geltend, dass dem Dalai Lama, sollte er in Lhasa residieren, unweigerlich auch weltliche Autorität zugeschrieben würde, so dass die Kommunistische Partei und die von ihr kontrollierte Regierung jeglichen Einfluss verlieren würden.
Von China eingesetzter Panchen Lama preist den Sozialismus
In seinem ersten Interview mit staatlichen chinesischen Medien lobte der von China eingesetzte Panchen Lama die “soziale Stabilität” und die “ökonomischen Fortschritte” in Tibet.. Dieses sei der “guten Führung durch die Kommunistische Partei Chinas” zu verdanken.
Erst kürzlich hatte der 14-jährige Junge, der normalerweise in Beijing wohnt, eine seiner seltenen Tibet-Reisen beendet. Diese Reisen finden jeweils unter strenger Geheimhaltung und starker Bewachung statt.
Vielleicht nicht ganz zufällig, nämlich während sich die Gesandten des Dalai Lama in China aufhalten, gab jetzt der Panchen Lama sein überhaupt erstes Interview für die staatliche kontrollierte Zeitung People’s Daily.
So sagte er wörtlich: “Im tibetischen Buddhismus werden jeder Tempel und jeder Ort der religiösen Verehrung gut behütet. Die Politik der uneingeschränkten religiösen Verehrung wird ohne Einschränkungen beachtet und macht mich sehr froh…. Wir hätten diese Erfolge [der sozialen Stabilität und ökonomischen Fortschritte; UM] nie ohne die gute Führung der Kommunistischen Partei, die Unterstützung der anderen chinesischen Volksgruppen und die harte Arbeit der Tibeter erzielen können.“
Quellen: The Independent; Australian Broadcasting Corporation
14. September 2004
Dritte China-Reise der Gesandten des Dalai Lama
Der Kashag, die Tibetische Regierung im Exil, teilte am 12. September mit, dass eine Delegation von Gesandten zu ihrem dritten Besuch nach China aufgebrochen ist. Die Delegation wird wie bei den vorherigen Besuchen geleitet von Lodi Gyari und Kelsang Gyaltsen. Diese werden noch von zwei ranghohen Assitenten, Sonam Norbu Dagpo und Mr. Bhuchung Tsering, begleitet.
Über das Besuchsprogramm wurden keine detaillierten Angaben gemacht. In der offiziellen Medienmitteilung hiess es lediglich, dass die Gesandten “vielleicht auch einige tibetische Regionen” besuchen werden.
Im Mai [vergl. Tibet-Information vom 4. Juni 2004; UM] hatte China in einem Papier jeder Hoffnung auf tibetische Autonomie scheinbar eine Abfuhr erteilt. Jedoch liessen laut Beobachtern einige andere positive Signale aus Beijing darauf schliessen, dass die chinesische Führung doch nicht alle Türen zugeschlagen hatte. Der Dalai Lama hatte in seiner diesjährigen Erklärung zum 10. März, dem Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes, erklärt, er hoffe auf substanzielle Fortschritte “noch in diesem Jahr”.
Zweischneidige Kampagne zum Pflanzen von Bäumen
Die chinesischen Behörden haben eine Kampagne unter dem Motto “Gebt euer Land auf und pflanzt statt dessen Bäume” in Gang gesetzt. Sie soll bezwecken, dass in allen Distrikten auf dem tibetischen Hochplateau, d.h. in der Tibetischen Autonomen Region, aber auch in den jetzigen chineischen Provinzen Sichuan, Gansu und Qinghai, eine grosse Zahl von Bäumen gepflanzt wird. Die Kampagne steht in Verbindung mit dem “Western Development Drive” (Programm zur Entwicklung des Westens). In dieser Kampagne werden Bauern aufgefordert einen Teil oder ihr komplettes Ackerland aufzugeben und mit Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen. Als Kompensation erhalten sie je nach aufgegebener Fläche freie Getreidezuteilungen für maximal 5 Jahre. Ausserdem wurden andere Nutzungsmöglichkeiten, wie Obstplantagen oder der Anbau von Heilpflanzen in Aussicht gestellt. Dennoch fürchten Tibeter um den Verlust ihrer traditionellen Lebensweise und wirtschaftliche Existenz.
Auch Nomaden in verschiedenen Regionen wird nahegelegt, auf ihren Viehweiden Bäume anzupflanzen und in einigen Fällen bestimmte Gebiete von der Bewirtschaftung auszuschliessen, damit die Populationen an Wildtieren, wie beispielsweise dem wilden Yak, wieder zunehmen können.
Die chinesischsprachigen Medien produzieren ausführliche Statistiken über die Anzahl der gepflanzten Bäume und das Ausmass der neu bepflanzten Flächen, sie loben den angeblichen Enthusiasmus der Tibeter, schweigen sich jedoch über die bisherige Verwendung des Landes aus. Die Tibeter jedoch befürchten, die Kampagne könnte mit dem Bestreben der Regierung zur Reduzierung der Bevölkerungsdichte in bestimmten ländlichen Gegenden zu tun haben. Viele Tibeter meinen auch, sie müssten nun indirekt für den jahrzehntelang betriebenen Raubbau an den Wäldern Ost-Tibets bezahlen, die mit zu den Flutkatastrophen in China seit 1998 beigetragen haben.
Quellen: TibetNet; Tibet Information Network (adaptiert nach deutscher Übersetzung von IGFM München)
23. August 2004
China verhaftet prominenten buddhistischen Mönch
in Innerer Mongolei
Im Zuge einer verschärften Kampagne gegen “nicht autorisierte” Religionsausübung hat China am 11. August einen prominenten buddhistischen Mönch festgenommen, der ein aufwändiges Renovationsprojekt am 800 Jahre alten Xingyuan-Tempel in der Inneren Mongolei durchführte. Der 53 Jahre alte, aus China stammende und im Buddhismus als Reinkarnation hoch angesehene Mönch Yu Tianjian wurde ohne Vorankündigung nach einem Treffen mit Offiziellen des lokalen Kulun-Bezirkes verhaftet. Yu Tianjian ist chinesischer Staatsangehöriger, lebte jedoch seit fast 5 Jahren mit US-Aufenthaltsbewilligung als Abt eines-Tempels in Los Angeles. Die von ihm geleitete Buddhist Foundation of America hatte die Renovation mit offizieller Regierungsgenehmigung über Jahre mit insgesamt 3 Millionen Dollar unterstützt.
Unmittelbar nach der Verhaftung schnitten die Behörden den Xingyuan-Tempel von der Wasser- und Stromversorgung ab, schafften die mehr als 70 anwesenden Mönche und Helfer, unter ihnen auch US-Staatsbürger, in Busse, und fuhren diese mitsamt zwei Lastwagenladungen an religiösen Gegenständen und Artefakten davon. Alles ereignete sich nur drei Tage vor dem geplanten Fest anlässlich der Wiedereröffnung. Zahlreiche tibetische Mönche, aber auch mehr als 100 aus den USA, Kanada und Japan angereiste Gönner des Renovationsprojektes blieben an Strasssensperren hängen und wurden zurückgewiesen.
Die Begründungen für diese Aktion, die verschiedene Behördenvertreter lieferten, blieben diffus. Lokale Behörden sprachen von “Förderung des Aberglaubens”, andere machten unter Hinweis auf die angeblich “geheime Operation” keine Angaben. Eine offizielle Internetseite warb noch immer für das Festival, das als “noch nie dagewesene” Veranstaltung mit “Dharmakönigen, Wiedergeburten und … hunderten anderer Würdenträger” angepriesen wurde. Ein von der Washington Post zitierter lokaler Offizieller gab an, dass im Interesse der Sicherheit der Besucher diese nach Hause geschickt worden seien. “Das Fest ist vorbei, und die Besucher waren recht zufrieden”. Ein Mitarbeiter des verhafteten Mönchs erklärte: “Erst empfingen sie uns mit offenen Armen, jetzt nehmen sie unser Geld und werfen uns hinaus.”
Chinesischer Offizieller behauptet, es gebe kein Verbot
von Dalai-Lama-Bildern
Der (chinesische) Vizepräsident der Regierung der „Tibetischen Autonomen Region“, Wu Jilie, behauptete gegenüber der internationalen Presse, dass es in Tibet kein Verbot von Dalai-Lama-Bildern gebe.
Bei einer Medienkonferenz in Lhasa erklärte er wörtlich: „Es ist der freiwillige Entscheid der grossen Mehrheit der Bauern und Hirten, kein Bild des Dalai Lama zu besitzen. Es gibt diesbezüglich keine Bestimmungen der Regierung. Sie [die Bauern und Hirten; UM] haben sich so entschieden, weil der Dalai Lama bei der grossen Mehrheit der Bevölkerung auf Misstrauen und entschiedene Ablehnung stösst“. [Deutsche Uebersetzung aus der englisch-sprachigen Meldung; UM]
Quellen: Washington Post; Gulf Daily News
10. August 2004
Tibeter sagen China-Besuch ab
Die erste von zwei vorgesehenen China-Reisen einer Delegation von Exil-Tibetern [vergl. Tibet-Information vom 26. Juni 2004; UM] kommt scheinbar nicht zustande. Wie Radio Free Asia (RFA) berichtet, hat eine aus fünf Personen bestehende Delegation von Exiltibetern ihre in die Autonome Region Tibet (TAR) geplante Reise abgesagt, nachdem die Chinesen ihre Bitte, die jeweiligen Herkunftsorte der Delegationsmitglieder besuchen zu dürfen, abgeschlagen hat. Einige Teilnehmer hatten nach Angaben aus der Delegation offenbar den Wunsch, ihre Heimatorte besuchen zu können, als eine Vorbedingung für das Zustandekommen der Reise gemacht. RFA spekuliert, dass dieser Wunsch unter Umständen absichtlich vorgetragen wurde, um die Reise absagen zu können, äussert sich jedoch nicht über allfällige Motive.
Zwei Mitglieder der Delegation, Kalon Sonam Topgyal, ehemaliger Vorsitzender der Tibetischen Regierung-im-Exil, und Alak Jigme Rimpoche, der Rechnungsprüfer der Tibetischen Regierung-im-Exil, hatten kürzlich chinesischen Regierungsvertretern in New Delhi mehrere Orte für ihren Besuch vorgeschlagen. Die Chinesen schlugen ihre Wünsche ab, fügten jedoch hinzu, diese könnten im Zusammenhang mit zukünftigen Besuchen in Erwägung gezogen werden.
Die chinesische Seite hatte vorgesehen, dass die Delegation über Hong Kong, Guangdong, Shanghai und Sichuan in die TAR reist, und von dort schliesslich nach Peking. Ob eine zweite für Oktober geplante Delegation in die TAR reisen wird, der auch der Sondergesandte des Dalai Lama, Lodi Gyari, angehören sollte, ist unklar. Anfänglich hiess es, zu dieser zweiten Delegation würde auch der Leiter der Vertretung des Dalai Lama in Taiwan, Tsekyam, gehören, der fließend Mandarin spricht. Diese Besuche sollten auf eine mehrmonatige Unterbrechung der Verhandlungen folgen, welche den späteren Besuch einer 10-köpfigen Delegation vorbereiten sollten.
Aus der Haft entlassene Nonne wird weiter schikaniert
Phuntsog Nyidrol, 37, die als letzte von den sogenannten “Drapchi 14 Nonnen” aus dem Gefängnis entlassen wurde [vergl. Tibet-Information vom 12. März 2004; UM], wird nun an ihrem Wohnsitz von den Sicherheitsbehörden schikaniert. Jeder ihrer Schritte wird von Sicherheitsbeamten (je zwei Beamte der Gefängnisbehörde und vom örtlichen Büro für Öffentliche Sicherheit) überwacht, und sie darf ihr Haus nicht ohne Bewachung verlassen. Alle Besucher müssen sich eintragen, bevor sie zu ihr gelassen werden und es wird genau verfolgt, ob Phuntsog Nyidrol sich auf irgendeine Weise politisch äussert. Ihr Gesundheitszustand gibt nach wie vor Anlass zur Sorge, denn man weiss nicht, ob sie nach ihrer Entlassung in angemessener Weise medizinisch versorgt wird. Es ist anzunehmen, dass sie immer noch an den Folgen eines Nierenschadens und unter Gedächtnisstörungen leidet, die durch die zahlreichen schweren Schläge während ihrer Haft verursacht wurden.
China schlägt Kapital aus der gelegentlichen Freilassung politischer Gefangener, um in gewissen Schlüsselzeiten eine Minderung des internationalen politischen Drucks zu erreichen, während gleichzeitig die aus der Haft entlassenen Gewissensgefangenen weiter schikaniert werden. Phuntsog Nyidrol wurde genau einen Tag, nachdem das US-Aussenministerium einen kritischen Bericht zur Menschenrechtslage in China veröffentlicht hatte, aus der Haft entlassen. Das Leben ist für ehemalige politische Gefangene besonders hart. Mönche und Nonnen, welche die Mehrheit der Gewissensgefangenen bilden, dürfen ihr religiöses Leben nicht wieder aufnehmen, andererseits ist es ihnen auf Grund der Schikanen fast unmöglich, Arbeit zu finden. Phuntsog mitgezählt wurden seit 2002 dreizehn politische Gefangene vorzeitig aus der Haft entlassen, aber von diesen durften drei das Land verlassen.
Quellen: Radio Free Asisa; Human Rights Watch (teilweise adaptiert nach deutscher Uebersetzung durch IGFM München)
30. Juli 2004
Tibeter wehren sich erfolgreich gegen Entweihung eines heiligen Sees
Eine Reihe von Tibetern, die in verschiedenen Städten der VR China wohnen, schrieben am 22. Juni 2004 einen offenen Brief an diverse chinesische Behörden, und baten sie zu verbieten, dass der chinesische Sportler Zhang Jian am 31. Juli den 100 km nördlich von Lhasa gelegenen heiligen Namtso-See (chin: Namco, Höhe 5.400 m) durchschwimmt. Der Brief, der eine deutliche Sprache spricht und in Kopie auch direkt an den Schwimmer ging, ist aber auch von betontem Respekt gegenüber den Empfindlichkeiten des politischen Establishments der VR China geprägt. Er stellt ein weiteres Zeugnis für die Entschlossenheit und das Geschick einer neuen, gebildeten Generation von Tibetern dar, die sich im Rahmen der sehr eingeschränkten Redefreiheit um die Achtung der chinesischen Gesellschaft für die Tibeter, ihre Kultur und insbesondere ihre religiösen Gefühle bemühen, ohne dabei den Zorn der staatlichen Behörden herauszufordern.
Zhang Jian lehrt an der Sportuniversität Peking und wurde wegen seines Durchschwimmens von Flüssen, Seen, Buchten und Kanälen berühmt. Im letzten Jahr schwamm er schon über den im Norden Tibets gelegenen Tso Ngonpo (chin: Qinghai-See, auch unter dem mongolischen Namen "Kuku Nor" bekannt).
Indem sie auf dieses Ereignis Bezug nehmen, drücken die Autoren der Petition zwar ihren Respekt vor den sportlichen Leistungen Zhangs aus, weisen jedoch darauf hin, er hätte bedenken müssen, daß der Tso Ngonpo für Tibeter ein Objekt religiöser Verehrung ist.
Auf der einen Seite spricht die Petition eine sehr deutliche Sprache. So lautet es: "In dieser oberflächlichen Ära von Materialismus und skrupellosem Egoismus stellt der Wunsch von Zhang Jian, den Namtso zu durchschwimmen, seine Neigung bloss, aus rein persönlichen Gründen den Glauben eines Volkes zu missachten und dessen spirituelle Vorstellungen mit Füssen zu treten. Bei ihrer Jagd nach persönlichen Vorteilen haben viele Menschen den nötigen Respekt und die Ehrfurcht vor der Natur und dem Leben verloren. ..Als Tibeter können wir den blasphemischen Akt des Durchschwimmens des Namtso keinesfalls akzeptieren… Wir sind absolut dagegen und werden so etwas nicht noch einmal hinnehmen… Wir beobachten die Entwicklung dieser Angelegenheit sehr genau. Und wir erwarten von den zuständigen Entscheidungsträgern und Behörden und von Zhang Jian selbst eine zufriedenstellende Antwort in dieser Sache.”
Auf der anderen Seite waren die Autoren der Petition bemüht, sich an die Gepflogenheiten des politischen Diskurses in der VR China zu halten und ihre Bitte um die Verhinderung von Zhangs Vorhaben als patriotisch darzustellen, um somit "politischeUntertöne" zu vermeiden.
Am 20. Juli informierte die gleiche Gruppe, dass die Behörden Zhang Jian angewiesen haben, den Plan aus Rücksicht auf “die Einheit aller Nationalitäten und die religiösen Gefühle der Tibeter” fallen zu lassen. Die Gruppe schliesst ihre Stellungnahme selbstbewusst mit den Worten, dass diese “lang erwartete und erfreuliche Botschaft“ den Anfang einer „gemeinsamen und erfolgreichen Zukunft” darstellt .
Zwei tibetische Musiker wieder aus der Haft entlassen
Die zwei verhafteten Musiker Namkha und Bakocha sind nach zweimonatiger Haft wieder freigelassen worden. Sie waren im März offenbar wegen unliebsamer Inhalte in ihren selbst komponierten Musikstücken verhaftet worden [vergl. Tibet-Information vom 21. April 2004; UM]. Auch wurden ihre CDs konfisziert. Angeblich sind sie in der Haft nicht misshandelt worden, doch liessen Angehöirge keine weiteren Details über ihren Gesundheitszustand verlauten.
Quellen: Tibet Information Network (teilweise adaptiert nach deutscher Uebersetzung durch IGFM München); Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)
26. Juni 2004
Grünes Licht für China-Besuch von zwei weiteren tibetischen Delegationen
Die chinesische Regierung hat den Besuch von zwei weiteren tibetischen Delegationen bewilligt. Ende Juni oder Anfang Juli wird eine Delegation von 5 Personen, angeführt vom ehemaligen Kalon (Kabinettsmitglied der Exilregierung) Sonam Topgyal, nach China reisen. Details des Programms sind noch unklar. Laut Sonam Topgyal soll die Visite „ein den Zielen des Dalai Lama förderliches Gesprächsklima“ zu schaffen.
Ursprünglich war offenbar über eine Delegation von 10 Personen verhandelt worden. Die Gespräche über den Besuch dieser Delegation waren seit Herbst letzten Jahres offenbar ins Stocken geraten, doch kürzlich habe die chinesische Regierung signalisiert, dass es „schwierig“ sei, den Besuch einer solch grossen Gruppe zu organisieren, so dass man sich auf 5 Personen geeinigt habe. Ein weiterer Grund für die Verzögerung sei Verärgerung der chinesischen Regierung über einige Auslandsreisen des Dalai Lama gewesen, wo er von Politikern, allen voran US-Präsident Bush, empfangen wurde.
Im Oktober soll eine weitere Delegation folgen. Diese wird angeführt von dem Gesandten Lodi Gyari, der schon vorher zwei Reisen nach China unternahm. Angeblich soll dieser Delegation auch der Gesandte des Dalai Lama in Taiwan angehören, der fliessend Mandarin spricht.
Hacker entwenden Dokument von Tibetischer Regierung im Exil
Ein vertraulicher Entwurf der Tibetischen Regierung im Exil zur Antwort auf das „Weissbuch“ der chinesischen Regierung über die tibetische Autonomie [vergl. Tibet-Information vom 4. Juni 2004; UM] ist von Hackern entwendet worden und im Internet aufgetaucht. Der Entwurf, der noch von der Tibetischen Regierung im Exil diskutiert und genehmigt werden sollte, erschien unvermittelt auf den Internet-Seiten von einigen Tibet-Unterstützergruppen.
Wie dieses geschehen konnte, ist unklar. Verdächtigt werden Hacker im Auftrag der chineischen Regierung. In der Vergangenheit hatte die Tibetische Regierung im Exil mehrfach solche Attacken beklagt [vergl. Tibet-Informationen vom 8. Oktober 2002 und 13. November 2003; UM]. In mindestens einem Fall konnte eine Attacke auf einen Server in China zurück verfolgt warden.
Drakonische Strafen für Fahrer in Tibet nach Häufung von Unfällen
Nach einer dramatischen Zunahme von gravierenden Verkehrsunfällen in Tibet hat die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua erstmals mit der bisherigen Praxis des Leugnens solcher Probleme gebrochen und einen Bericht veröffentlicht. Allein im letzten Jahr ereigneten sich laut Xinhua 1'317 gemeldete Unfälle mit 1'161 Verletzten und 621 Toten – eine immense Zahl, wenn man sich die geringe Verkehrsdichte in Tibet vergegenwärtigt.
Als Ursachen werden vor allem die desolaten Arbeitsbedingungen der Fahrer aufgeführt. Oft sind die Fahrer ohne Lizenz oder sind unerfahren und haben wegen ausbeuterischer Arbeitsbedingungen nicht genügend Ruhepausen. Ihre Arbeitgeber kommen dagegen meist ungeschoren davon.
Nach einem tödlichen Unfall im letzten Jahr, der eine Touristengruppe betraf, wurde ein Fahrer als Unfallverursacher zum Tode verurteilt. Kurzfristig waren für eine ausländische Reisegruppe zwei Jeeps gegen die profitablere Variante eines Minibus ausgetauscht worden. Wegen Übermüdung kam der Fahrer von der Strasse ab, die für dieses Fahrzeug nicht gut geeignet war. Fünf Touristen wurden getötet. Eine weitere deutsche Touristin konnte nur mit grossen konsularischen Anstrengungen vor einer riskanten Operation in Lhasa bewahrt und ausgeflogen werden.
Quellen: Radio Free Asia; Hindustan Times; Tibet Information Network
4. Juni 2004
China: Forderung nach Autonomie für Tibet ist „völlig abwegig“
Die chinesische Regierung hat der Forderung des Dalai Lama nach „wahrer Autonomie“ eine deutliche Abfuhr erteilt. In einem kürzlich publizierten „Weissbuch zur Nationalen Gebietsautonomie“ liess das Pressbüro des Staatsrates verlauten, Tibet sei bereits ein „lebendiges Beispiel“ der chinesischen Nationalitätenpolitik. Da Tibet bereits seit Jahrhunderten „integraler Bestandteil Chinas“ sei, komme eine Lösung nach dem Motto „ein Land – zwei Systeme“ ähnlich wie in Hong Kong oder Macao nicht in Frage. Tibet sei schon „seit Jahrhunderten integraler Bestandteil Chinas“, und so sei die Forderung nach Autonomie „völlig abwegig“.
Erstmals hat der Staatsrat ein „Weissbuch“ zu Tibet veröffentlicht. Ziel der Publikation sei es, ein “besseres Verständnis in aller Welt über die Situation inTibet” zu erreichen. Das Weissbuch versucht anhand von Daten die These zu untermauern, dass ich Wirtschaft und Gesellschaft in Tibet entwickelt haben und das Lebensniveau der tibetischen Bevölkerung erhöht worden sei. In den vergangenen 40 Jahren seien die tibetischen und die Parteifunktionäre aus anderen “nationalen Minderheiten” zur Hauptkraft der Staatsmacht in Tibet geworden und verwirklichten so bereits das Recht auf Selbstverwaltung. Als Mitglied der “grossen Familie der chinesischen Nationalitäten” geniesse die tibetische Bevölkerung bereits das Recht auf "gleichberechtigte Teilnahme an der Verwaltung des Landes", Autonomie in der Politik und Selbständigkeit in der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Dalai Lama sei wiederholt aufgefordert worden, "der Realität ins Gesicht zu sehen" und sich von seinen Bestrebungen nach einer Unabhängigkeit Tibets loszusagen. Seine Aufgabe müsse es sein, zur „Entwicklung und zum Fortschritt des Landes und des Autonomen Gebietes Tibet beizutragen“.
Furcht vor verstärkten Restriktionen gegen Tibeter in Nepal
Eine Rede des chinesischen Botschafters in Nepal, Sun Heping, die er am 28. Mai bei einem Anlass in Kathmandu hielt, lässt weitere Restriktionen gegen das Flüchtlingszentrum in Kathmandu und das Office of Tibet in Nepal befürchten.
In seiner Rede kritisierte der Botschafter den nach vor wie vor starkem Strom von Flüchtlingen aus Tibet nach Nepal. „Verschiedene externe Organisationen“ würden unter dem Vorwand der Flüchtlingshilfe „separatistische“ und damit „anti-chinesische Aktivitäten“ in Nepal betreiben und „unter dem religiösen Deckmantel“ den Flüchtlingen falsche Versprechungen über ein besseres Leben im Exil machen. Er beschuldigte explizit das Office of Tibet und Flüchtlingszentrum, die „gesetzliche Rückführung“ von Flüchtlingen nach Tibet zu „politisieren“, ohne den „ungesetzlichen Grenzverletzungen“ durch die Flüchtlinge Beachtung zu schenken.
Eigentlich existiert ein informelles Abkommen zwischen dem UNHCR und der Regierung von Nepal, dass in Nepal aufgegriffene Flüchtlinge aus Tibet nach Kathmandu überstellt werden, wo ihnen dann das Flüchtlingszentrum bei dem Transit nach Indien oder in ein anderes Land behilflich ist. Im letzten Jahr wurden jedoch – offenbar unter starkem Druck aus China –mehrere Flüchtlinge durch Nepal gewaltsam wieder über die Grenze nach Tibet abgeschoben. Dieser Fall erregte internationalen Protest. In der Haft in Tibet wurden diese Flüchtlinge massiv misshandelt [vergl. Tibet-Informationen vom 6. Juni 2003 und 5. Januar 2004; UM].
Quellen: Reuters; Office of Tibet in New York
17. Mai 2004
China implementiert individuelle Internet-Kontrollen in Lhasa
Im letzten Jahr hat China damit begonnen, strenge individuelle Kontrollen über die Nutzung des Internets in Lhasa zu implementieren. Jeder individuelle Nutzer muss in einer speziellen Abteilung des Büros für Öffentliche Sicherheit eine auf ihn persönlich ausgestellte „Internet-Registrierungskarte“ beantragen. Erst mit dieser Karte, die mit einem Benutzernamen und einem Password ausgestellt wird, können Nutzer dann in den Cyber-Cafes in Lhasa ins Internet gehen. So lässt sich der gesamte Internet-Verkehr einem bestimmten Nutzer zuordnen.
Die individulle Kontrolle über den gesamten Internet-Verkehr schloss eine bestehende „Sicherheitslücke“. China hatte schon lange den Zugang zu bestimmten Internet-Adressen blockiert, die „sensitive“ Stichwörter wie „Tibet“, „Dalai Lama“ oder „Taiwan“ enthielten. Auch hatten Mitarbeiter des Büros für Öffentliche Sicherheit schon im letzten Jahr Überwachungs-Software in den Cyber-Cafes von Lhasa installiert, die den Internet-Verkehr aufzeichneten, jedoch liessen sich die Angaben nicht auf einzelne Nutzer zurück verfolgen. Viele Nutzer waren auch so findig, die blockierten Internet-Adressen zu umgehen und diese über nicht blockierte Adressen indirekt zu erreichen. Wenn sich dennoch Individuen identifizieren liessen, wurden sie nicht selten stundenlang verhört. Auch wurde die Überwachungs-Software dazu benutzt, solche Cyber-Cafes zu schliessen, von denen aus nicht genehmigte Websites angewählt wurden.
Diese Massnahmen sollen auch in anderen chinesischen Provinzen eingeführt werden. Laut offizieller Nachrichtenagentur Xinhua hat China fast 1 Million US-Dollar in solche Software investiert.
Zunehmende Prostitution nahe der tibetischen Grenze zu Nepal
Laut einer Reportage von Radio Free Asia (RFA) werden zunehmend Tibeterinnen mit dem falschen Versprechen an die Grenze zu Nepal gelockt, dass ihnen von dort die Flucht nach Nepal oder weiter nach Indien ermöglicht wird. Stattdessen landen sie jedoch als „Hostessen“ oder Prostituierte in den Nachtclubs der tibetischen Grenzorte Nyalam und Dram. Laut einem Geschäftsmann, der oft die Grenze passiert, gibt es allein in Dram etwa 45 Etablissements, in denen Tibeterinnen und auch Chinesinnen als „Hostessen“ in Bars oder als Prostituierte arbeiten. Das Alter der Betroffenen liege zwischen 17 oder 18 bis 28 Jahre.
Viele von ihnen gaben gegenüber RFA an, dass sie unter dem Vorwand an die Grenze gelockt wurden, ihnen bei der Flucht behilflich zu sein. Dann würden sie jedoch unter Drohungen gezwungen, in diesen Etablissements zu arbeiten. Nicht selten würde ihnen damit gedroht, dass bei ihrer Weigerung ihre Fluchtabsichten den Behörden mitgeteilt würden. Einige seien nach ihrem Fluchtversucht verhaftet und misshandelt worden. Viele Tibeterinnen „arbeiteten“ dort zu einem Hungerlohn oder würden gar nur mit Mahlzeiten oder Kleidung entschädigt.
Nicht selten ziehen sich diese Frauen sexuell übertragbare Krankheiten zu oder werden schwanger. Die Kosten für medizinische Behandlung oder Abtreibungen treiben viele in die Verschuldung. Solche, bei denen Krankheiten festgestellt werden, würden auch nicht selten ohne medizinische Behandlung in ihre Heimatprovinzen zurück geschickt.
Diese Praxis scheint von den lokalen Behörden zumindest toleriert, wenn nicht sogar gefördert zu werden. Mehrere der von RFA interviewten Frauen gaben an, dass es sogar Zeichen einer Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Etablissements, den Behörden und der Polizei gebe.
Quellen: International Campaign for Tibet (ICT); Radio Free Asia
21. April 2004
Bekannter Sänger und Komponist verhaftet
Am 10. März wurden ein populärer Sänger und ein Komponist in der Region Tongde in der Provinz Qinghai im Norden Tibets verhaftet. Ihre Namen werden mit Namkha und Bakocha angegeben. Namkha ist ein lokal sehr bekannter und beliebter Sänger von Volksliedern, und Bakocha, der Mönch in einem lokalen Kloster ist, komponierte seine Lieder. Sie werden an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Der Grund scheint in unliebsamen politischen Botschaften in einigen Liedern zu liegen. Auch wurden die CDs mit ihren Liedern konfisziert. Mitarbeiter des Büros für Öffentliche Sicherheit drohten dem Kloster des Komponisten mit „ernsten Folgen“, wenn dort CDs gefunden würden.
Die Verhaftungen folgen unmittelbar auf das kürzlich ausgesprochene Buchverbot für eine tibetische Autorin und die Verhaftung eines Mönches aus dem Kloster Ganden, der ein Foto des Dalai Lama besass [vergl. Tibet-Information vom 4. April 2004; UM].
Historischer Reisepass gefunden
Kürzlich wurde in einem Antiquitätengeschäft in Nepal ein historisch bedeutsames Dokument entdeckt. Es handelt sich um den Reisepass des ehemaligen Finanzministers der tibetischen Regierung, Shakapba, ausgestellt am 10. Oktober 1947. Der Reispass trägt die Visa-Stempel der USA, Grossbritanniens, Indiens, Italiens, Frankreichs und der Schweiz und belegt, dass das unabhängige Tibet damals offenbar von diesen Ländern als eigener Staat anerkannt war.
Der im Jahre 1989 im Exil verstorbene Shakapba war von 1930 bis 1950 Minister der letzten Regierung Tibets vor der Invasion durch China. Sein Reisepass, der für seine Reise mit einer tibetischen Regierungsdelegation im Jahre 1948 ausgestellt war, war vor 12 Jahren aus seinem Nachlass verschwunden.
Chinesischer Ministerpräsident stoppt umstrittenes Staudamm-Projekt
Der neue chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hat überraschend ein umstrittenes Staudamm-Projekt am Nu-Fluss gestoppt und eine Überprüfung angeordnet. Der Fluss entspringt in Tibet und fliesst zwischen Mekong und Yangtse über 1'750 km durch die Provinz Yunnan. Hier sollten 13 Staustufen zur Energiegewinnung gebaut werden. Der Nu-Fluss stellt eine der letzten unberührten Flusslandschaften in Asien dar und besitzt in seinem Oberlauf eine Canyon-Landschaft mit einem ungewöhnlichen Artenreichtum, welche von der UN als Weltkulturerbe eingestuft wurde. Auch würden etwa 50'000 am Oberlauf residierende Bauern und Hirten von Umsiedlungen betroffen.
Gegen das Projekt hatte sich sowohl in China als auch im Ausland eine starke Opposition formiert, die im wesentlichen ökologische Bedenken vorbrachte. Der Bau war vor allem von lokalen Politikern in Yunnan mit dem Argument gefördert worden, dass dort Arbeitsplätze entstehen. Ungewöhnlich für China ist, dass sich auch im Land selbst öffentlicher Widerstand gegen die Pläne regte. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften, die Staatliche Umweltschutz-Behörde und Delegierte des Nationalen Volkskongresses hatten den Baustopp gefordert. Ministerpräsiden Wen Jiabao nahm in seiner Begründung des Entscheides explizit Bezug auf das „Ausmass der Bedenken“ und die „Unvereinbarkeit mit dem Umweltschutz“.
Quellen: The Himalayan Times; Radio Free Asia; New York Times
2. April 2004
Behörden verbieten Buch einer tibetischen Autorin
Das von der tibetischen Autorin Oser (chin. „Weise“) verfasste Buch mit dem Titel “Notizen über Tibet” (chin. Xizang Biji) wurde im September letzten Jahres von der Regierung der Autonomen Region Tibet verboten. Bei dem auf Chinesisch geschriebenen Buch handelt es sich um eine Sammlung von Aufsätzen, in denen die Autorin diverse Orte und ihre Begegnungen mit Menschen in Tibet schildert. Von den 38 in dem Buch enthaltenen Essays erschienen den Behörden zehn als dermassen kontrovers, dass sie das Buch verboten. In diesen zehn Aufsätzen beschreibt die Autorin unter anderem die tief verwurzelte Achtung der Tibeter für den Dalai Lama, das Dilemma und die politische Einengung, die ein tibetischer Mönch empfand, als er in offizieller Mission ins Ausland geschickt wurde, und die Vertreibung einiger chinesischer Nonnen aus dem von dem (inzwischen verstorbenen) Khenpo Jigme Phuntsog gegründeten buddhistischen Institut Serthar [vergl. Tibet-Information vom 13. Januar 2004: UM].
Oser wurde 1966 in Lhasa geboren, doch zog die Familie bald zurück in ihre ost-tibetische Heimat Derge, heute in die chinesische Provinz Sichuan integriert. 1988 erhielt sie von der chinesischen Abteilung des Instituts für Südwestliche Minderheiten (chin. Xinan minzu xueyuan) in der Hauptstadt von Sichuan, Chengdu, ihr Diplom. Bis vor kurzem arbeitete sie in Lhasa als Herausgeberin einer chinesischsprachigen Zeitschrift “Tibetische Literatur” (chin. Xizang wenxue). “Notizen über Tibet” ist ihr zweites grösseres Werk und wurde im Januar 2003 von dem Huacheng-Verlag in Guangzhou (Kanton) veröffentlicht. Der Grund, warum die Autorin ihr Buch einem Verlag in der Provinz Guangdong anvertraute, könnte könnte das vergleichsweise liberalere politische Klimas in der Küstenregion sein.
Inzwischen ist die Autorin von Lhasa nach Peking übergesiedelt. Wie TIN erfuhr, hat ihre Arbeitseinheit, die „Vereinigung für Literatur und Schöne Künste der Tibetischen Autonomen Region“, ihr die Rückkehr nach Lhasa nahegelegt, allerdings unter der Bedingung, das sie ihren politischen „Fehler“ eingesteht. Es scheint indessen, dass die Autorin nicht gewillt ist, dem Druck nachzugeben.
Zensur oder Verbote von Büchern sind nichts Aussergewöhnliches in Tibet. Zuletzt wurde 2001 das von Derong Tsering Dhondup verfasste Werk “Eine allgemeine Geschichte Tibets – erhabenes Gefäß” verboten. Der Autor hatte 1995 in einem Gesuch heftige Kritik an der von der Zentralregierung in den tibetischen Gebieten der Provinz Sichuan verfolgten Politik geübt.
China zeigt Härte
Zwei eigentlich marginale Ereignisse in Tibet zogen eine harte Reaktion der Behörden nach sich.
Im Kloster Ganden, einem der grössten Klöster Tibets und etwa 60 km von Lhasa entfernt, wurde im Februar ein junger Mönch verhaftet, weil er ein Foto des Dalai Lama besass. Er wird bis heute an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Einige Tage nach seiner Verhaftung wurden alle 500 Mönche bei einer Versammlung über seine Verhaftung wegen des Besitzes „gegen die Regierung gerichteten Materials“ informiert und gewarnt, auch sie würden verhaftet, wenn sie Fotos des Dalai Lama besässen.
In Lhasa wurde der Verantwortliche mitsamt Redaktionsteam des Fernsehsenders Tibet Television 3 gemassregelt, weil sie versehentlich in einem Fernsehbericht aus Nepal eine (in Tibet offiziell verbotene) tibetische Nationalflagge zeigten. Diese war für wenige Momente im Hintergrund der Aufnahmen zu sehen. Der Verantwortliche, ein Tibeter, musste öffentlich seinen „Fehler“ bekennen und das Redaktionsteam musste zur „Umerziehung“ eine „Selbstkritik“ verfassen.
Quellen: Tibet Information Network TIN (adaptiert nach dt. Uebersetzung von A. Dönges); Radio Free Asia
12. März 2004
Letzte der Nonne der „Drapchi 14“ freigelassen
Phuntsog Nyidrol, die politische Gefangene mit der längsten Haftstrafe in Tibet, wurde vor wenigen Tagen aus dem Drapchi Gefängnis entlassen und befindet sich bei ihren Angehörigen in Lhasa. Sie ist die letzte der sogenannten „Drapchi 14“. Diese 14 Nonnen waren berühmt geworden, nachdem eine Tonbandaufnahme ihrer heimlich im Drapchi-Gefängnis aufgenommenen Freiheitslieder ins Ausland geschmuggelt werden konnte.
Phuntsog Nyidrol wurde im Alter von 21 Jahren im Oktober 1989 in Lhasa wegen Teilnahme an einer friedlichen Demonstration anlässlich der Verleihung des Nobelpreises an den Dalai Lama festgenommen und zu 9 Jahren Gefängnis und Verlust der bürgerlichen Rechte verurteilt. Im Jahre 1995 erhielt sie den Reebok Human Rights Award. Ihre Strafe wurde auf 17 Jahre verlängert, nachdem die Tonbandufnahmen publik wurden. Im April 2001 reduzierte das Mittlere Volksgericht des Bezirks Lhasa ihre Strafe um ein Jahr, weil sie "in den letzten Jahren Zeichen der Reue gezeigt hatte", womit ihre Entlassung für 2005 bevorstand.
John Kamm, der Vorsitzende der Dui Hua Stiftung, der massgeblich an den Verhandlungen zur Freilassung von Phuntsog Nyidrol und auch früherer politischer Gefangener beteilt war, sagte, ihre vorzeitige Freilassung sei vor allem dem von den USA ausgeübten Druck zuzuschreiben, insbesondere einer Resolution (H.Res.157) des Repräsentantenhauses, in der die chinesische Regierung aufgefordert wird, alle tibetischen politischen Häftlinge freizulassen. In dieser Resolution wurde Phuntsog Nyidrols Fall besonders hervorgehoben. Ihre Freilassung erfolgte am selben Tag, an dem das US State Department seinen Länderbericht 2003 zur Menschenrechtslage in China (wozu auch Tibet, Hongkong und Macau zählen) herausgab. In diesem Bericht wird deutlich schärfere Kritik an der chinesischen Regierung geübt als in den vorangegangenen Jahren. Der Abschnitt über Tibet bezieht sich nicht nur auf die Autonome Region Tibet (TAR), sondern auch auf die tibetischen Gebiete, die den chinesischen Provinzen Qinghai, Yunnan, Gansu und Sichuan einverleibt wurden.
Phuntsog Nyidrols Gesundheit gab immer wieder Anlass zu ernster Besorgnis, seit sie bei den Gefängnisprotesten in Drapchi 1998 schwer misshandelt wurde.Einem Sprecher der Dui Hua Stiftung zufolge scheint ihre Freilassung jedoch nicht mit ihrem Gesundheitszustand im Zusammenhang zu stehen. Dennoch fordern verschiedene Organisationen jetzt China auf, ihre Ausreise ins Ausland zur medizinischen Betreuung zu erlauben.
Kampagne gegen die drohende Hinrichtung von Tenzin Delek Rinpoche
Der populäre Mönch Tenzin Delek Rinpoche aus dem ost-tibetischen Karze wurde am 7. April 2002 unter dem Vorwurf der „Verursachung von Sprengstoffexplosionen und Anstiftung zur Spaltung der Nation“ verhaftet. Er und sein angeblicher Komplize Lobsang Dondrup wurden ohne angemessenen Rechtsbeistand in einer nichtöffentlichen Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt. Unmittelbar nach Ablehnung seines Rekurses wurde Lobsang Dondrup am 26. Januar 2003 hingerichtet. Die Vollstreckung des Todesurteils gegen Tenzin Delek Rinpoche wurde für zwei Jahre suspendiert [vergl. Tibet-Informationen vom 6. Dezember 2002, 22. Januar und 10. Februar 2003; UM]. Er befindet sich zur Zeit in einem Hochsicherheits-Gefängnis in der chinesischen Provinz Sichuan. Am 7. April 2004, dem zweiten Jahrestag der Verhaftungen, findet vor dem Palais des Nationes in Genf eine Demonstration zur Unertstützung von Tenzin Delek Rinpoche statt.
Quellen: Tibet Information Network (adaptiert nach dt. Uebersetzung von A. Dönges)
13. Januar 2004
Prostitution unter Tibeterinnen auf dem Vormarsch
Nach einer Studie des Tibet Information Network hat sich die Rate der Tibeterinnen, die der Prostitution nachgehen, in den letzten 10 Jahren „exponentiell“ vervielfacht. Nach Ansicht der Autoren stellt diese Entwicklung eine direkte Folge der zunehmenden Wohlstandsdifferenz zwischen den städtischen Zentren und den armen ländlichen Regionen dar, welche wiederum durch das chinesische Entwicklungsprogramm der so genannten „westlichen Regionen“ bedingt ist. Dieses hat zu einem teilweise deutlichen Anstieg von Wohlstand und Reichtum einer dünnen Schicht in den städtischen Zentren geführt, andererseits aber auch, gefördert duch das allgegenwärtige staatlich kontrollierte Fernsehen, zu gewachsenen Bedürfnissen der verarmten ländlichen Bevölkerung. Wegen der mangelhaften Allgemeinbildung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt wird die Prostitution als die einzige Chance angesehen, in kurzer Zeit zu materiellem Wohlstand zu gelangen.
Nicht selten gehen Tibeterinnen mit implizitem Wissen ihrer Familie für einige Monate in die Städte und kehren über die Wintermonate in ihre Dörfer zurück. Das Geld wird oft für ganz bestimmte Zwecke gespart, so zum Beispiel für Renovationen oder die Eröffnung eines Kleingewerbes. Einige Tiberinnen, meist ohne Familienbindungen, gehen auch für die Wintermonate nach Kathmandu oder Delhi. Zwar wird die Prostitution in Tibet noch immer von Chinesinnen, meist aus der Provinz Sichuan, dominiert, doch nimmt die Zahl der Tiberinnen überproportional zu. Dazu kommen auch Prostituierte aus Nepal, Indien oder sogar Osteuropa. Nicht selten wird der offiziell verbotenen Prostitution in Gebäuden nachgegangen, die Regierungsstellen, der Partei oder der Armee gehören.
Wegen des geringen Bildungsstandards und der Angst vor sozialer Stigmatisierung ist zu befürchten, dass vielen Tiberinnen das Risiko von AIDS-Infektionen unbekannt ist oder entsprechende Vorsichtsmassnahmen unterlassen werden.
Rückführung von tibetischen Flüchtlingen aus Nepal nach Tibet geht weiter
In den vergangenen Wochen sind nach Angaben von Radio Free Asia wiederum 21 Flüchtlinge aus Tibet entgegen dem vereinbarten „Gentlemens’ Agreement“ von Nepal nach Tibet rückgeführt worden. Im Mai 2003 [vergl. Tibet-Information vom 6.6.2003; UM] hatte die gewaltsame Deportation von 18 Flüchtlingen, die in einem Gefängnis in Tibet dann schwer misshandelt wurden [vergl. Tibet-Information vom 5. Januar 2004; UM], weltweiten Protest hervor gerufen. Nepal hatte danach erklärt, die Flüchtlinge stattdessen dem UNHCR in Kathmandu zu überstellen.
Offenbar hält sich die nepalische Polizei in Grenznähe nicht unbedingt an diese Vereinbarungen. Nach Angaben von Radio Free Asia beobachten chinesische Polizisten in Zivil auf nepalischem Territorium die Ankunft von Flüchtlingen und lassen sie von nepalischen Polizisten – nicht selten gegen ein Geldpräsent – wieder zurück über die Grenze schaffen.
Massive Sicherheitsvorkehrungen nach Tod von Khenpo Jigme Phuntsog
Khenpo Jigme Phuntsog, Gründer des im Jahre 2001 von chinesischen Sicherheitskräften weitgehend zerstörten Serthar-Instituts [vergl. Tibet-Informationen vom 30.8. und 2.10.2001 und 31.7.2002; UM] ist am 29. Dezember letzten Jahres in einem Spital in Chengdu, Provinz Sichuan, nach einem herzchirurgischen Eingriff im Alter von 70 Jahren gestorben. Anlässlich der Überführung seines Leichnams nach Serthar wurden in der ganzen Region scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Seine dortigen Schüler fordern eine unabhängige medizinische Untersuchung über die Todesursache. Viele sind der Meinung, dass die wahre Todesursache verschleiert wird oder zumindest, dass die brutale Zerstörung seines Lebenswerkes den Gesundheitszustand des scher kranken Lehrers entscheidend verschlechtert hat.
Quellen: Tibet Information Network; Radio Free Asia; Associate Press
6. Januar 2004
Politischer Widerstand und repressive Massnahmen in Ost-Tibet
Der Fokus von repressiven Massnahmen und Widerstand scheint sich auf die ost-tibetischen Landesteile zu verlagern, die in die heutige chinesische Provinz Sichuan inkoporiert sind und bisher vergleichsweise mehr religiöse Freiheiten genossen. Tibetische Flüchtlinge berichten von diversen, nahezu wöchentlich stattfindenden Vorfällen, in denen Tibeter ihre Opposition gegen China bezeugen. So erscheinen immer wieder Plakate oder Flugblätter in den Strassen der ost-tibetischen Stadt Kandze, die für die Unabhängigkeit werden.
Der wohl spektakulärste Vorfall in Kandze ereignete sich am 19. August, als eine grosse tibetische Nationalfahne (die in Tibet offiziell verboten ist) weithin sichtbar an einem Sendemast gehisst wurde. Der Sender wird vermutlich dazu benutzt, den Empfang von Radio Free Asia und Voice of Tibet zu stören. Diese Aktion erregte umso mehr Aufsehen, als dieser Sendemast dem lokalen Regierungsgebäude gegenüber liegt und die Flagge genau zu dem Zeitpunkt gehisst wurde, als eine Gruppe chinesischer Buddhisten von einer Einweihungszeremonie eines buddhistischen Bauwerkes (Chörten) in das Regierunggebäude zurückkehrte. Die buddhistische Delegation wurde von Natsok Rinpoche, einem Tibeter, angeführt, der in Kardze wegen seiner Nähe zur chinesischen Regierung als „komministischer Lama“ bezeichnet wird und wenig Vertrauen in der lokalen Bevölkerung geniesst. Nach Berichten von Augenzeugen benötigten herbeigerufene Soldaten über zwei Stunden, um die Flagge einzuholen.
Wahrscheinlich als Antwort auf die zahlreichen Unabhängigkeits-Bekundungen intensiviert China Massnahmen, das Verbot von Dalai-Lama-Bildern durchzusetzen. Bereits vor dem Zwischenfall im August fand in Kardze ein vom lokalen Parteisekretär geleitetes Treffen mit Dorf- und Provinzvorstehern, Regierungsangestellten und Lehrern statt, um das Verbot von Dalai-Lama-Bildern durchzusetzen. Für Regierungsangestellte wurde auf den Besitz von solchen Bildern eine Strafe von umgerechnet Fr. 700 ausgesetzt, und kurz nach dem Treffen wurden in Kardze Geschäfte und Privatwohnungen durchsucht. Am 11. und 12. November hielten sogenannte „Arbeitsteams“ in den Dörfern der Region um Kardze und das benachbarte Lithang Treffen ab und drohten der Bevölkerung, zumeist Bauern, mit Konfizierung ihres Landes, wenn bei ihnen Bilder des Dalai Lama entdeckt würden. Denjenigen, die innert eines Monats diese Bilder freiwillig abgeben würden, wurde dagegen Straffreiheit versprochen.
Repatriierte Flüchtlinge wurden schwer misshandelt
Die gewaltsame und rechtswidrige Repatriierung der 18 tibetischen Flüchtlinge aus Nepal im Mai 2003 [vergl. Tibet-Information vom 6. Juni 2003; UM] hatte seinerzeit weltweit Empörung hervorgerufen. Jetzt wurde bekannt, dass die Häfltlinge teilweise brutal misshandelt wurden noch immer 7 von ihnen in einem neuen Gefängnis nahe Tibets zweitgrösster Stadt, Shigatse, in Haft sind. Zunächst verbrachten die Flüchtlinge 11 Tage im Gefängnis des grenznahen Ortes Nyalam und wurden dann in ein neues Gefängnis in Shigatse transferiert. Das Gefängnis, dass den zynischen Namen „Neues Empfangszentrum von Tibet“ trägt und damit einen nahezu identischen Namen hat wie die Flüchtlingszentren in Kathmandu und Dharamsala im indischen Exil, beherbergt nach Angaben von Informanten insgesamt 450-500 Gefangene.
Das Gefängnis scheint speziell für die Tibeter neu errichtet zu sein, die während eines Fluchtversuches an der Grenze aufgegriffen werden oder für solche, die bei ihrer Rückkehr aus Nepal oder Indien illegal die Grenze nach Tibet überqueren. Letztere sollen nach Informanten noch brutaler behandelt werden als die Flüchtlinge in Richtung Exil. Nach dem Verbüssen von mehrmontigen Haftstrafen müssen Geldstrafen und nicht selten noch höhere Bestechungsgelder von den Familien der Haftentlassenen bezahlt werden. Auch wird den Gefangenen bei Gelingen des nächsten Fluchtversuches die Verhaftung anderer Familienangehöriger angedroht.
Quellen: International Campaign for Tibet; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)