Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya

14. Mai 2023
Tibetern wird nach Auslandsaufenthalt das Identitätsdokument entzogen…
Tibetern, die sich vorübergehend im Ausland aufhielten, wird bei der Rückkehr das «hukou» entzogen. Nur wer in diesem Registrierungsprogramm für alle Haushalte in der Volksrepublik China erfasst ist, kann ein Identitätsdokument erhalten. Dieses wird auch für den Zugang zu Sozialleistungen der Regierung, Buchungen von Reisen oder für Arbeitsverhältnisse benötigt. Die Betroffenen sehen sich in Tibet damit vor grossen Problemen. Ausnahmen davon gibt es nur bei Reisenden, die behördlich registriert und geschäftlich oder in offizieller Mission unterwegs sind.

Am meisten betroffen sind Tibeter, die während der relativ liberalen Phase in den 1980er Jahren vorübergehend nach Indien übersiedelten, um dort Schulen, Universitäten oder Klöster zu besuchen. Oft waren sie ohne ihre Familien im Exil und kehrten trotz der Situation und Risiken nach Tibet zurück. Nach Berichten von Rückkehrenden wurde die Praxis der Kontrolle und des Entzugs seit 2017 deutlich verschärft. In mehreren Regionen, so in der Provinz Qinghai und den Präfekturen Ngaba und Qiang, führten die Behörden systematische Kontrollen durch und entfernten alle, die sich währenddessen im Ausland aufhielten, aus dem «hukou»-System.

Schon seit vielen Jahren sind Rückkehrende, gleichgültig ob sie sich länger im Exil aufhielten oder nur eine kürzere Pilgerfahrt oder Reise zu einer religiösen Zeremonie des Dalai Lama machten, erheblichen Sanktionen ausgesetzt. Tibeter, die zu den Kalachakra-Zeremonien des Dalai Lama in Indien in den Jahren 2006, 2012, 2014 oder 2017 reisten, berichteten immer wieder von Verhören, politischen «Umerziehungssitzungen» oder lang andauernder Observation. Es gibt auch Berichte von mehrjähriger Haft oder Arbeitslager, wenn «verbotene Schriften» in das Land gebracht wurden, dem Entzug der Arbeitsbewilligung oder auch der Verweigerung der Wiedereinreise. Eine Gruppe von Nonnen, die nicht zurückkehren durfte, lebt nun seit 10 Jahren im Exil in Dharamsala.

Tibet Times, 6. März 2023

… und Pilger erfahren Reisebeschränkungen nach Lhasa
Auch innerhalb Tibets wird das Reisen für Pilger schwieriger. Seit Aufhebung der Covid-Restriktionen unterliegen Pilger, die von Regionen ausserhalb der Hauptstadt nach Lhasa reisen wollen, verschärften Bestimmungen. Sie müssen für ihre Reise zunächst einen Antrag bei ihrer lokalen Behörde stellen. Diese muss bestätigen, dass die Antragstellenden «keinen Protest, der die soziale Stabilität stört, anstacheln oder sich daran beteiligen». Die Genehmigung müssen sie dann nach Lhasa schicken, zusammen mit dem Namen einer in Lhasa ansässigen Person, die bestätigt, dass die Reisenden sich dementsprechend verhalten. Auch die lokal bürgende Person muss sich bei den Behörden registrieren. Schon seit 2018 benötigen Reisende eine Erlaubnis, um nach Lhasa zu kommen. Neu ist aber jetzt die lokale Registrierung.

Laut Radio Free Asia mussten schon mehrere Pilgergruppen aus anderen Regionen Tibets zurückkehren, weil sie in Lhasa keine Person finden konnten, die für sie bürgte und sie deswegen keine Unterkunft erhielten. Sei man bei Behörden schon bekannt wegen «politischer Vergehen», sei es kaum noch möglich, die Reisegenehmigung zu erhalten.

Radio Free Asia, 28. April 2023

Behörden unterbinden online-Publikationen von religiösen Lehrern, Schriftstellern und andere einflussreichen Personen
Basierend auf Bestimmungen, die seit März 2020 in Tibet gelten, werden religiöse Lehrer, Schriftsteller und andere einflussreiche Personen gehindert, online zu publizieren. Jedes Publizieren von Inhalten, die sich mit Buddhismus oder Bildung und Erziehung befassen, bedarf der vorherigen Genehmigung der Behörden. Auch ist es untersagt, ohne Genehmigung selbst Schriften zu drucken und zu verbreiten.

Gezielt würde nach Personen gesucht, die «sensitive» oder der Partei unliebsame Schriften veröffentlich hätten. Betroffen seien beispielsweise die Erziehungswissenschaftler Yonten Gatos und Sayul Gyaltsen, der Historiker Tsering Dhondup, oder der Administrator des Potala-Palasts, Sonam. Ihre Stimmen seien im Netz nahezu verschwunden, sagt Pema Gyal, ein Beobachter der in London ansässigen Tibet Watch.

Radio Free Asia, 3. Mai 2023

China verschärft Anti-Spionage-Gesetz
Das bisherige Gesetz, das «Spionage» definiert als «verbotenes Weitergeben von Staatsgeheimnissen», soll laut einem Entwurf verschärft werden. Die Definition von «Spionage» fällt nun weiter und unverbindlicher aus als «Erwerb oder illegale Bereitstellung von Dokumenten, Daten, Materialien oder Gegenständen, die die nationale Sicherheit betreffen». Die Behörden dürfen das Eigentum und die elektronischen Geräte von Verdächtigen durchsuchen und ihnen die Ausreise aus China untersagen. Reiseunternehmen und Telekommunikationsfirmen müssen technische Unterstützung für Untersuchungen liefern. Diejenigen, die Verdächtige an Behörden melden, sollen belobigt werden.

Der Berater einer Sicherheitsfirma aus Tokyo warnte, das die neuen Definitionen sehr willkürlich gegen Verdächtige ausgelegt werden könnten. Derzeit hält China 5 japanische Staatsangehörige in Haft, die der «Spionage» bezichtigt werden. Reisenden und in China lebenden Ausländern riet der Berater, sich sehr in Acht zu nehmen und bei Touren in ihnen unbekannte Gegenden einen lokalen Bewohner mitzunehmen, so dass sie nicht zufällig in die Nähe von militärischen oder anderen sensitiven Einrichtungen gerieten.

Nikkei, 27. April 2023 https://asia.nikkei.com/Politics/China-s-expansive-anti-spying-law-to-take-effect-July-1

 

18. April 2023
Neue Regeln für die Zulassung religiöser Stätten
Die Regierung der Volksrepublik China hat neue Regeln zur Vernehmlassung publiziert, die Voraussetzungen für die Zulassung als «religiöse Stätte» sind. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die Vernehmlassung keinen Effekt haben wird und die Regeln schon von vornherein feststehen.

Die neuen Regeln sollen die "Vorschriften für die Einrichtung, Genehmigung und Registrierung von Veranstaltungsorten für religiöse Aktivitäten" von 2005 ersetzen. Diese sahen schon vor, dass alle religiösen Stätten der Genehmigung durch die Behörden bedürfen.

Die neuen Regeln gehen laut Entwurf noch wesentlich weiter. Sie verlangen, dass die Orte der Religionsausübung “die Führung der Kommunistischen Partei und das sozialistische System unterstützen, eine gründliche Umsetzung des Xi Jinping-Gedankens des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen in der neuen Ära vornehmen, […], die Grundwerte des Sozialismus praktizieren, und den Vorschriften zur Sinisierung der Religion folgen». Und weiter: Lehrende sollten aktiv "Liebe zum Vaterland und Unterstützung für die Führung der KPCh und das sozialistische System" predigen Sie «sollten auf der Grundlage ihrer "Liebe zum Vaterland und Unterstützung für die Führung der Kommunistischen Partei und das sozialistische System" ausgewählt werden. Alle religiösen Stätten sollen "den Gebrauch der nationalen [han-chinesischen] Sprache und Schrift fördern, die nationale Einheit und den Fortschritt vorantreiben und die religiösen Bürger dazu anleiten, das nationale Bewusstsein […] und die korrekte Unterscheidung zwischen ethnischen Bräuchen und religiösen Überzeugungen zu stärken, und die Religion nicht dazu benutzen, sich in das Verwaltungs-, Gerichts-, Bildungs- und Sozialleben einzumischen."

Bitter Winter (bitterwinter.org), 7. April 2023

Behörden diskriminieren und belästigen Angehörige von Protestierenden
Radio Free Asia hat Berichte von Angehörigen von Protestierenden über fortgesetzte Diskriminierung und Belästigung erhalten. Betroffen sind vor allem Angehörige von Protestierenden während der Unruhen von 2008 und von Opfern von Selbstverbrennungen. Die Behörden verfügten laut Informanten über eine Datenbank mit den Namen der Protestierenden und ihrer Angehörigen.

Der Verwandte einer Person, die sich 2013 selbst anzündete, durfte nicht an den Aufnahmeprüfungen für eine Universität teilnehmen. In einem anderen Fall eines Selbstverbrennungsopfers in Ngaba, wo sich die meisten Selbstverbrennungen ereignen, wurde sein Neffe wegen Kontakten zu Personen ausserhalb Tibets angeklagt und zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt.

Politische Gefangene, die aus der Haft entlassen wurden, seien unter konstanter Beobachtung. Ihnen würden Übernachtungen in Gasthäusern verweigert, sie erhielten keine angemessene medizinische Behandlung, und ihnen würden finanzielle Zuwendungen der Regierung gestrichen.

Radio Free Asia, 5. April 2023

Polizei belästigt Gründer und ehemaliges Lehrpersonal einer geschlossenen tibetischen Schule
Im Juli 2021 wurde die Sengdruk Taktse Schule in Dharlag, Bezirk Golog im Osten Tibets, von den Behörden geschlossen. Die private Schule unterrichtete in tibetischer Sprache. Die Begründung lautete, Unterricht dieser Art, der sich vor allem an Mönche und Nonnen richte, müsse in Klöstern und nicht in Schulen stattfinden. Die von der Schliessung betroffenen Kinder wurden auf diverse andere Schulen mit chinesischem Unterricht verstreut, und Waisenkinder ohne Registrierung eines Wohnsitzes oder Kinder aus sehr abgelegenen Dörfern fanden überhaupt keine Aufnahme in Schulen. Ihre bisherige Registrierung in der geschlossenen Schule wurde nicht als Wohnsitzregistrierung anerkannt. Zwar versprachen die Behörden bei der Schliessung, in der Schule würde weiterhin Unterricht unter chinesischer Aufsicht stattfinden, aber seitdem stehe die Schule leer.

Der Gründer der Schule, Khenpo Jigmey Kunga Gyaltsen, würde unter konstanter Beobachtung durch die Polizei stehen. Das gesamte entlassene Lehrpersonal würde regelmässig zu Verhören auf Polizeistationen zitiert, und es würde überwacht, mit wem sie sich treffen.

Im August 2021, drei Wochen nach der Schliessung, wurde die langjährige Lehrerin Rinchen Kyi verhaftet und wegen «Anstiftung zu Separatismus» angeklagt, nachdem sie mit einem Hungerstreik gegen die Schliessung ihrer Schule protestierte. Gemäss neueren Berichten kam sie wegen einer «psychischen Erkrankung» zunächst in ein Spital und befand sich danach bis August 2022 im Hausarrest [vergl. Tibet-Informationen vom 10. September und 5. Oktober 2021; UM].

Radio Free Asia, 7. April 2023

 

4. April 2023
Reinigungsaktion» gegen tibetische Strassenhändler
Die Behörden haben die Videokontrollen in den Strassen und Inspektionen von tibetischen Strassenhändlern deutlich verstärkt. Am 20. März wurde die Kampagne «Säubert Lhasa» angekündigt, und seitdem werden speziell alle Strassenverkäufer rund um den Jokhang-Tempel durchsucht. Offiziell begründet wurde die Aktion damit, das Hausieren zu stoppen.

Ziel der Kontrollen sind vor allem Lebensmittelverkäufer, weil deren Waren nach offizieller Begründung keine Daten zur Haltbarkeit und Qualität zeigten. Zusätzlich würde den Händlern verboten, CDs mit tibetischer Musik zu verkaufen. Informanten gaben gegenüber RFA an, es sei auffällig, dass nur tibetische Händler von den Kontrollen betroffen seien, so dass die offizielle Begründung für «Sauberkeit» nur vorgeschoben sei.

Die Verbote bedrohen die Händler in ihrer Existenz, so dass manche trotz Verbot einfach weitermachen. Die Behörden gaben an, dass bereits 30 Personen verhört worden seien. Von denjenigen, die sich dem Verbot widersetzten, seien einige bereits verhaftet worden.

Laut dem an der Universität Toronto lehrenden tibetischen Soziologen Dr. Gyal Lo geht es den Behörden darum, alle Elemente zu bekämpfen, die zur Bildung tibetischer Identität beitrügen. Der in New York lebende chinesische Anwalt Xiang Xiaoji äusserte die Auffassung, dass für Touristen der Eindruck erweckt werden solle, den Tibetern ginge es so gut, dass es keine Strassenhändler und Hausierer brauche.

Radio Free Asia, 31. März 2023

Buddhistisches Institut in Sichuan verlangt «Gehorsam zur Partei»
Das Tibetische Buddhistische Institut in der chinesischen Provinz Sichuan macht es zur Aufnahmebedingung für alle neuen Studierenden, dass sie sich in einer Erklärung zum Gehorsam gegenüber der Kommunistischen Partei und zum Widerstand gegen «Separatisten» verpflichten.

Der in London lebende Tibeter Pema Gyal fügte hinzu, dass diese Erklärungen offenbar immer häufiger nicht nur an Universitäten, sondern auch an Primar- und Mittelschulen zur Aufnahmebedingung gemacht werden.

Das Tibetische Buddhistische Institut wurde 1984 in der osttibetischen Stadt Kardze gegründet, zog aber 2017 nach Sichuan um. Es unterrichtet nicht nur buddhistische Lehre, sondern auch «chinesische sozialistische Tradition» und «chinesische Geschichte».

Radio Free Asia, 23. März 2023

Dalai Lama anerkennt Inkarnation eines der höchsten mongolischen Würdenträger
Im Rahmen der Chakrasamvara-Belehrungen in Dharamsala hat der Dalai Lama vor 5'000 Gläubigen die Anerkennung eines 8-jährigen mongolischen Jungen als 10. Inkarnation des Khalkha Jetsun Dhampa Rinpoche verkündet. Dieser ist Oberhaupt des mongolischen Gandan Tegchinlen Klosters und einer der höchsten buddhistischen Gelehrten der Mongolei. Der Vorgänger war im März 2012 gestorben. Bereits 2016 hatte der Dalai Lama während seines Besuches in der Mongolei gesagt, seine Inkarnation sei geboren, und die Suche nach ihm habe begonnen.

Die Zeremonie in Dharamsala dauerte 2 Tage, und als besonderes Ehrenzeichen durfte der Junge neben dem Dalai Lama sitzen. Der Junge stammt aus der Familie Altannar und hat noch einen Zwillingsbruder. Sein Vater ist in der Mongolei Professor für Mathematik, seine Mutter eine hohe Regierungsangestellte. Seine Grossmutter, Garamjav Tseden, war Mitglied des mongolischen Parlaments.

Die Anerkennung bedeutet nach dem Urteil von Beobachtern ein deutliches Zeichen an die chinesische Führung gegen deren Auffassung, dass allein die Regierung der VR China Inkarnationen im tibetischen Buddhismus anerkennen kann.

The Independent, 27. März 2023
Organizer – Voice of the Nation (Indien), 2. April 2023

 

3. März 2023
Behörden verstärken Überwachung und Einschüchterung in Lhasa
Vor den bevorstehenden «sensiblen» Tagen in Tibet haben die Behörden in Lhasa die Überwachung verstärkt und neue Restriktionen verhängt. Dieses geschah vor den Feiern für Losar, das Neue Jahr, und auch im Hinblick auf den 10. März, den Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes von 1959, sowie den 14. März als 15. Jahrestag des Aufstandes von 2008.

Zwar erlaubten die Behörden die Losar-Feiern vom 20. bis 26. Februar, warnten aber vor Anlässen, die die «nationale Sicherheit gefährden» und kündigten dafür harte Strafen an.

In Lhasa wurde die Zahl der Überwachungskameras stark erhöht. Die Polizei stehe «auf jedem Kilometer», wie ein Informant sagte, und führe stichprobenartige Durchsuchungen bei Passanten durch, wobei sie es besonders auf Mobiltelefone abgesehen habe. Gleiches wird auch aus den Städten Shigatse und Chamdo gemeldet.

Ein anderer Informant aus Lhasa sagte, es seien zusätzliche Polizei- und Militärkräfte aus der Umgebung von Lhasa zusammengezogen worden. Partei- und Regierungskader würden durch die Strasse patrouillieren, um Personen auszuspionieren. Unter dem Kampagnennamen «Sicherheit und Wohlfahrt durch die Polizei» würden alle Geschäfte und Restaurants in Lhasa durchsucht. Tibeter, die von ausserhalb nach Lhasa gereist sind und in Hotels und Gästehäusern wohnen, würden ständig durchsucht und belästigt. Reisende könnten zwar den Norbulingka, den Sommerpalast des Dalai Lama, weiter besuchen, aber sie müssten am Eingang ihre Identitätskarten vorweisen und ihre Namen registrieren lassen. Das sei nie zuvor geschehen.

Mehrere tibetische Familien im Exil berichteten, dass ihre Verwandten in Tibet sie gebeten haben, sie nicht anlässlich der Losar-Feiern anzurufen und auch auf Anrufe zu anderen «sensitiven» Daten zu verzichten. In Tibet seien öffentlich zugängliche Drucker gesperrt; man könne nur noch mit Genehmigung der Behörden Dokumente ausdrucken.

Radio Free Asia, 21. und 23. Februar 2023

Tibetischer Student hisst buddhistische Flaggen und wird verhaftet
Ein Universitätsstudent mit Namen Gephel wurde am 24. Januar in der Stadt Muge in der Präfektur Ngaba im Osten Tibets verhaftet, weil er vor dem tibetischen Neujahr eine Feier organisiert hatte und anstatt der chinesischen Fahne die Flagge des Buddhismus – nicht zu verwechseln mit der tibetischen Nationalflagge - gehisst hatte. Die Flagge wurde im späten 19. Jahrhundert mit ihren 6 vertikalen und 5 horizontalen Streifen als universelles Symbol des Buddhismus entworfen. Jeder der farbigen Streifen symbolisiert ein bestimmtes Prinzip der buddhistischen Lehre.

Nach 2 Tagen in Polizeigewahrsam wurde der Student aus der Haft entlassen. Er muss Yuan 50'000 (umgerechnet etwa CHF 6'800) bezahlen und wöchentlich «politische Erziehungssitzungen» besuchen. Er wurde für schuldig befunden, Aktivitäten «zur Spaltung der chinesischen Nation» nachzugehen. Dazu gehöre das Hissen dieser Flagge, die von der Polizei mit der tibetischen Nationalfahne gleichgesetzt wurde. Vergeblich wies der Student darauf hin, dass die buddhistische Flagge keine Nationalflagge sei und universelle buddhistische Prinzipien versinnbildliche.

Weiter wurde er dafür verurteilt, dass er während der Feier keine chinesische Nationalfahne gehisst hatte, für die Banner und Redebeiträge während der Feier nur die tibetische Sprache verwendet wurde, nur tibetische Lieder und Tänze vorgetragen wurden, anstatt Propagandalieder der Kommunistischen Partei aufzuführen. Angeblich weigerte sich der Student, in Zukunft nur noch Feiern in chinesischer Sprache zu organisieren und chinesische Fahnen zu hissen, was seine Geldbusse erhöhte.

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), 7. Februar 2023

 

8. Februar 2023
Bericht: Zerstörung und Repression in Drago
Ein gemeinsamer ausführlicher Bericht von Free Tibet Campaign und Tibet Watch fasst das Ausmass der Zerstörung buddhistischer Bauwerke und einer tibetischen Schule sowie die Repression im Bezirk Drago im Osten Tibets zusammen. Die Region Drago (auch Drakgo oder Drango geschrieben) ist bekannt für ihre starke tibetische Identität und den Widerstandswillen gegen China.

Einzelne Nachrichten über die Zerstörung einer tibetischen Schule, den Abriss einer erst 6 Jahre alten, über 30 m hohen Buddha-Statue, einer weiteren Statue im lokalen Kloster und eines Gebäudes mit Gebetsrädern waren bereits zwischen November 2021 und März 2022 bekannt geworden [vergl. Tibet-Information vom 8. November 2021, 6. und 17. Januar sowie 14. März 2022; UM]. Der jetzt veröffentlichte zusammenfassende Bericht belegt Details der Zerstörung mit Satellitenbildern.

Dazu zeigt der Bericht erstmals das Ausmass der Verhaftungen, Folter und Repression, die den Abrissen folgten. Allein schon öffentliche Bekundungen von Betroffenheit oder ein Foto der abgerissenen Buddha-Statue auf dem Mobiltelefon oder als Profilbild in sozialen Medien langten zur Verhaftung. Der Bericht dokumentiert auch die Errichtung eines Gebäudes in Drago, in dem frühere politische Gefangene und andere «verdächtige» Personen zur «patriotischen Umerziehung» interniert werden. Mehrere Gefangene im «Umerziehungszentrum» berichten über massive Folter; ein Tibeter habe ein Auge verloren.

Schon im Januar 2012 hatten Tibeter in Drago gegen willkürliche Verhaftungen durch das Büro für Öffentliche Sicherheit protestiert. Durch Schüsse der Polizei starben mindestens drei Protestierende, viele wurden verwundet [vergl. Tibet-Information vom 23. und 26. Januar sowie 7. April 2012; UM]. Damals sei das örtliche Gefängnis mit allen Verhafteten überfüllt gewesen, so dass die Polizei eine Schule leerte und dort Verhöre durchführte. Seitdem, wie der Bericht anhand von Satellitenbildern dokumentiert, wurde das örtliche Gefängnis deutlich vergrössert.

Im Januar d.J. warnten die Behörden die Anwohner im ganzen Bezirk vor dem Verbreiten von Nachrichten ausserhalb Tibets. Auch sind Geldüberweisungen an Verwandte oder Bekannte verboten. Telefone werden stichprobenartig überwacht und Kommunikationskanäle blockiert.

Bericht:https://freetibet.org/take-action/join-a-campaign/stop-chinas-war-on-buddhism/desecration-in-drago-county/

Radio Free Asia, 2. Februar 2023

Neues Gesetz zur “Internetsicherheit” in Tibet
Seit Februar ist ein neues Gesetz in Tibet in Kraft, das härtere Strafen androht für solche, die «die öffentliche Ordnung durch die Beteiligung an separatistischen Handlungen» stören.

Der Gesetzestext ist bewusst vage gehalten, so dass er eine Vielzahl willkürlicher Sanktionen zulässt und alle Personen betreffen kann, die sich für kulturelle, soziale oder religiöse Belange in Tibet einsetzen. Paragraf 11 besagt, dass jede Person, die eine «Bedrohung für die nationale Sicherheit und das öffentliche Interesse darstellt, die als antisozialistisch angesehen wird oder die als separatistisch gilt», weil sie Verbindungen zu tibetischen Unabhängigkeitsgruppen oder Einzelpersonen unterhält, bestraft wird. Das gleiche gilt für diejenigen, die Fotos, Reden, Videos oder Bücher mit diesen Themen teilen.

Radio Free Asia, 1. Februar 2023

Neues Datenzentrum in Lhasa nimmt die Arbeit auf
Im Oktober 2022 ging in Lhasa ein neues Datenzentrum in Betrieb, das von den Behörden als «höchstgelegenes Zentrum der Welt» gepriesen wird. Der Bau wurde 2017 begonnen und 2020 fertiggestellt, aber der Betriebsbeginn verzögerte sich aus unbekannten Gründen.

Betrieben wird das Zentrum von der halböffentlichen Tibet Ningsuan Technology Group. Die chinesische Firma Alibaba unterzeichnete 2018 einen Vertrag für Cloud-Dienste. Der gesamte Komplex nimmt eine Fläche von 650'000 qm ein, und die Gebäude haben eine Fläche von 400'000 qm.

Angeblich soll das Datenzentrum Teil von Chinas «Neue Seidenstrasse»-Projekt sein. Beobachter nehmen an, dass hier aber auch die Polizei eine Datenbank einrichtet, nicht zuletzt zum Speichern der DNA-Daten, die in Tibet gerade in grosser Zahl erhoben werden [vergl. Tibet-Information vom 15. September 2022; UM].

https://www.datacenterdynamics.com/en/news/new-data-center-goes-live-in-tibet, 18. November 2022

 

11. Januar 2023
Nach Aufhebung des Corona-Lockdowns: auch in Tibet steigende Todeszahlen
Nachdem die chinesische Regierung am 7. Dezember abrupt ihre bisherige strenge «Zero-Covid»-Politik beendete, gibt es mehrere Berichte von rasant steigenden Todeszahlen infolge der Infektion aus mehreren Regionen Tibets. Dazu kommen Klagen wegen fehlender Tests und mangelhafter medizinischer Versorgung.

Allein am 2. Januar, so berichten Informanten an Radio Free Asia, seien 62 Leichname zu 3 Krematorien in Lhasa gebracht worden, und weitere 64 zu einem Krematorium im Bezirk Maldro Gongkar etwa 70 km östlich von Lhasa. Die durchschnittliche Zahl vor der Pandemie liege in Lhasa bei 3 bis 4 Leichnamen am Tag.

Ein Video, das Radio Free Asia zugespielt wurde, zeigt zahlreiche Fahrzeuge, die offenbar Leichname zu einem Kloster gebracht haben.

Auch aus den osttibetischen Bezirken Ngaba, Sangchu, Kardze und Lithang werden viele Todesopfer gemeldet. Es seien so viele Leichname in das Kloster Kirti in Ngaba gebracht worden, dass manche anstatt einer Kremation den Geiern in Form der traditionellen Luftbestattung überlassen wurden. Täglich würden um die 15 Leichen für die Totenrituale nach Kirti gebracht, aber es seien auch schon 10, meist ältere Mönche in den ersten vier Tagen des neuen Jahres gestorben. Vermutlich hätten sich viele Mönche während der Totenrituale angesteckt.

Ein anderer Informant im osttibetischen Bezirk Derge teilte mit, dort sei praktisch die ganze Bevölkerung angesteckt. In manchen Familien gebe es kein Mitglied mehr, das noch in einem Zustand sei, um nötige Lebensmittel zu besorgen. Es fehlten Tests, um die Diagnose zu bestätigen, und auch jegliche Medikamente.

Radio Free Asia, 4. Januar 2023

Bisher unveröffentlichte Videos dokumentieren Aufstand in Lhasa und unmenschliche Lockdown-Bedingungen
Ende Oktober erhielt die GSTF Videos direkt aus Lhasa. Diese wurden von Tibet Watch geprüft und für authentisch befunden. Die Videos dokumentieren die desolaten Bedingungen, denen die Betroffenen während des Lockdowns in Lhasa unterworfen waren. Dazu zeigt Video 2 Strassenszenen während des Aufstandes in Lhasa.

Video 1 – eine Person im Schutzanzug, anscheinend eine von Isolation betroffene Person, die auf einem Lager in einem Rohbau als Unterkunft sitzt.

Video 2 – Strassenszenen von den Protesten in Lhasa. In weisse Schutzanzüge gekleidete Sicherheitskräfte (einer verliert den Schutzanzug nahezu und gibt den Blick auf eine schwarze Uniform frei) stossen und schlagen andere Personen. Es gibt eine Szene, die scheinbar gefangen genommene Personen zeigt.

Video 3 – Personen, die anscheinend in einer Toilette als Quarantäne-Unterkunft untergebracht sind. Das Matratzenlager befindet sich direkt vor den Urinalen.

Quelle: Gesellschaft Schweizerisch Tibetische Freundschaft