Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya
22. November 2024
Nach Schliessung der tibetischen Schule in Kirti befinden sich junge Mönche in «gefängnisähnlicher Situation»
Im Oktober schlossen die Behörden die Lhamo Kirti Schule, die zum dortigen Kloster Kirti im Bezirk Dzoge im Osten Tibets gehört. Die letzten 500 von insgesamt etwa 1'600 jungen Mönche wurden in zwei Gruppen im September und Oktober d.J. in eine staatliche Internatsschule transferiert [vergl. Tibet-Information vom 29. Oktober 2024; UM]. Nun erfuhren Informanten von Radio Free Asia, dass die Mönche im Alter von 6 bis 17 Jahren im Internat unter «gefängnisähnlichen Bedingungen» leben. Es sei ihnen verboten, das Internatsgelände zu verlassen oder sich mit ihren Eltern zu treffen. Der Unterricht finde ausschliesslich in chinesischer Sprache statt. Bei Erkrankungen würde den Mönchen nur unzureichende medizinische Hilfe gewährt. Einige Mönche, die versucht hatten, vom Gelände zu fliehen seien festgesetzt worden und würden nun «wie Kriminelle» behandelt.
Wenn Eltern den Wunsch nach einem Besuch äusserten, würden sie mit verschiedenen Ausreden hingehalten. Würden sie weiter auf Besuche drängen, drohe man ihnen Gefängnisstrafen an. Stattdessen seien die Eltern gezwungen worden, eine Erklärung zu unterschreiben, dass sie der «patriotischen Erziehung» ihrer Kinder mit dem Studium der «Xi-Jinping-Gedanken» zustimmen. Der «14. Fünfjahresplans für Grundbildung der Präfektur Ngaba», in der sich das Kloster Kirti befindet, sieht vor, „das Gemeinschaftsgefühl der chinesischen Nation zu stärken“ und ruft zur „Integration von Schulen, gemischten Klassen und gemischten Unterkünften für alle ethnischen Gruppen “ auf.
Das International Tibet Network (ITN) publizierte ein Video, in dem 3 Betroffene ihre Situation und die Folgen der Sprachenpolitik eindringlich schildern.
Radio Free Asia, 31. Oktober 2024
TableMedia, 13. November2024
Video (35 min): https://www.youtube.com/watch?v=uRupx8973lY
Sprachwettbewerbe in Mandarin
Vom 11. bis 13. November wurde in Lhasa ein «Sprachwettbewerb» mit 33 Teilnehmenden abgehalten. Laut Informanten von Radio Free Asia finden derartige Wettbewerbe nun in zahlreichen tibetischen Klöstern und Schulen statt. Ein Wettbewerb in Tibets zweitgrösster Stadt Shigatse wurde unter dem Motto «Sei ein loyaler und ernsthafter Patriot in einer neuen Ära» veranstaltet. In der Stadt Nagchu mussten für den Wettbewerb Mönche und Nonnen in chinesischer Sprache die Kommunistische Partei preisen.
Radio Free Asia, 13. November 2024
Chinas aggressiver Dammbau in Tibet weckt Befürchtungen
Turquoise Roof, ein Netzwerk von Wissenschaftlern und Analysten für Tibet, hat einen Bericht über die Gefahren des aggressiven Baus von Staudämmen auf dem tibetischen Plateau publiziert.
Die Regierung der Volksrepublik China treibt den Bau von Staudämmen am Oberlauf des Machu (Gelber Fluss) voran, obwohl chinesische Wissenschaftler auf die Gefahr von geologischen Katastrophen und ernsten Umweltproblemen hinweisen. Chinas schwere Infrastrukturbauten flussaufwärts auf dem Hochplateau, näher an der zuvor als seismisch sensitiv bezeichneten Zone und den schmelzenden Gletschern des tibetischen Amnye-Machen-Gebirges, bergen die Gefahr, dass mehr Methan in die Atmosphäre gelangt, wenn der Permafrostboden auftaut. Der Boden, der im Winter gefriert und im Sommer taut, kann dadurch instabil werden und so komplexe Strukturen wie Staudamm-Bauten gefährden. Der Abriss ganzer Dörfer und Klöster schafft den Platz zum Bau von Dämmen durch die gleichen staatlichen Unternehmen, die in China weitere Kohlekraftwerke bauen. China ist weltweit der grösste Emittent von Treibhausgasen.
Im Februar protestierte die lokale Bevölkerung gegen den Bau des Kamtok-Damms (chinesisch: Gangtuo) am Oberlauf des Drichu (Oberlauf des Jangtse). Der Damm droht ihre Häuser und sechs Klöster mit wertvollen Fresken aus dem 14. Jahrhundert zu überschwemmen, die auch chinesische Gelehrte zu schützen versuchen. Zahlreiche Verhaftungen und Misshandlungen in Haft waren die Folgen. Die Polizei führte auch nach Niederschlagung des Protests ihre Festnahmen laufend fort. Das Internet in der Region ist abgeschaltet, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Intensiv wurden von allen Bewohnern ihre Konten bei den sozialen Medien wie WeChat und TikTok kontrolliert, ob von dort Nachrichten über die Proteste verschickt wurden [vergl. Tibet-Information vom 27. Februar und 18. März 2024; UM].
Das Wasserkraftwerk Yangkhil (chin. Yangqu), das flussaufwärts des Machu nach Angaben der Regierung von KI-gesteuerten Robotern gebaut wurde, hat eine ganze Gemeinde verwüstet. Tibeter wurden gezwungen, ihre eigenen Häuser abzureissen, und ein in vorher als Kulturerbe gelistetes Kloster wurde zerstört.
Ebenfalls am Oberlauf des Machu in einem grossen Stausee hinter dem Longyangxia-Damm hat China mit der Massenproduktion von in Wasserfarmen gezüchtetem Fisch für den Verzehr in China begonnen - eine Praxis, die den Tibetern zuwider ist. Regenbogenforellen, die in Tibet nicht heimisch sind, werden jedes Jahr zu Millionen gezüchtet. Sie wurden den chinesischen Verbrauchern als Lachs verkauft, was 2018 zu einem Skandal führte.
Die Proteste in Derge haben die Aufmerksamkeit auf die Risiken einer Kaskade negativer Folgen des Baus von Staudämmen sowohl auf der Hochebene flussaufwärts als auch flussabwärts in China und angrenzende Staaten gelenkt. Wasserkraftprojekte flussaufwärts in Tibet haben auch Auswirkungen auf Bauern und Fischer in Kambodscha, Vietnam, Thailand, Laos und Myanmar.
Für die Kommunistische Partei und Regierung der Volksrepublik China ist Wasser jedoch ein wichtiger strategischer Aktivposten, und die Sicherung der Hochebene und ihrer Wasserquellen ist von hohem Interesse. Der Nationale Wasserplan 2023 der Staatspartei drängt auf die Stärkung des „Schutzes des chinesischen Wasserturms auf dem Qinghai-Tibet-Plateau“, zielt aber auch darauf ab, Wasser zu einer Ware zu machen, die von der Agrarindustrie und grossen chinesischen Staatsunternehmen gekauft und gehandelt wird, um Chinas Entwicklung voranzutreiben.
Turqouise Roof, 13. November 2024
Vollständiger Bericht: https://turquoiseroof.org/the-risks-of-chinas-dangerous-dam-building-in-tibet-the-impacts-of-chinas-move-upstream-on-the-machu-yellow-river/
Interaktive 3-D-Karte der Region: https://turquoiseroof.org/chinas-accelerated-energy-infrastructure-construction-in-tibetan-areas-of-the-ma-chu-upper-yellow-river/
29. Oktober 2024
Schliessung tibetischer Schulen wird fortgesetzt – 4 Teenager nach Protest verhaftet
Die Serie der erzwungenen Schliessungen tibetischer Schulen setzt sich fort. Anfang Oktober gaben die lokalen Behörden bekannt, dass die letzten 200 Schüler der Lhamo Kirti Schule im Bezirk Dzoge im Osten Tibets in staatliche Internatsschulen transferiert wurden. Im September waren schon 300 Schüler transferiert worden. Betroffen sind in dieser Region nach der offiziellen Ankündigung der Schliessungen im Juli d.J. die Schulen der Klöster Kirti im Bezirk Ngaba und Lhamo Kirti im Bezirk Dzoge [vergl. Tibet-Information 16. Juli 2024; UM]. Die Lhamo Kirti Schule unterrichtete junge Mönche vor dem Antritt höherer buddhistischer Studien in Klöstern. Wie schon bei anderen Schliessungen lautete auch hier die offizielle Begründung, dass dort Mönche im Alter von unter 18 Jahren religiöse Erziehung erhielten, was nicht erlaubt sei. Bislang galt aber eine Untergrenze von 5 Jahren für die Zulassung zu diesen Schulen. Die Eltern waren vorab in «patriotische Umerziehungssitzungen» einbestellt worden, wo sie unter Zwang ein Dokument unterschreiben mussten, dass sie ihre Kinder nicht vor Alter 18 Jahren in derartige Schulen senden würden.
Vier junge Mönche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren widersetzten sich Anfang Oktober der Räumung der Schule und wurden inhaftiert. Nach mehreren Tagen «patriotischer Umerziehung» im Gefängnis seien sie wieder freigelassen und in ein staatliches Internat gebracht worden.
Kurz darauf wurden die Mobiltelefone aller Mönche konfisziert, weil sie «illegal» Informationen über die Schulschliessung und den Transfer auf staatliche Internate weitergegeben hätten.
Radio Free Asia, 2., 8. und 24. Oktober 2024
Junger Tibeter beklagt Umweltzerstörung in öffentlichem Video
Ein junger Tibeter aus dem Bezirk Ngaba prangerte in einem Video auf der chinesischen Plattform WeChat öffentlich die Umweltzerstörungen durch rücksichtslose Aktivitäten von Firmen und die Passivität der Behörden in seiner Heimatstadt Tsaruma an. Der Tibeter mit Namen Tsongon Tsering zeigt in seinem mutigen Akt nicht nur sein unverhülltes Gesicht, sondern hält auch seine Identitätskarte in die Kamera.
Er beklagte, dass mehrmalige Beschwerden über das illegale Handeln und die Umweltschäden von den Behörden früher nie beantwortet wurden. Erst in diesem Frühjahr habe die zuständige Disziplinar- und Inspektionsbehörde des Bezirks Kakhog unerlaubtes Abtragen von Sand und Kies aus dem Tsaruma-Fluss eingeräumt. Allerdings würden Behörden in solchen Fällen sowohl gegenüber übergeordneten als auch tieferen Instanzen lügen und behaupten, niemand habe sich beschwert.
Bezichtigt wird die grosse chinesische Anhui Xianhe Construction Engineering Company, sie habe mit massivem Abtragen von Sand und Kies seit 2023 massive Umweltschäden durch Erosion verursacht, die die Häuser der Bewohner gefährdeten. Der Tsaruma-Fluss ist ein Nebenfluss der grossen chinesischen Ströme Yangtse und Huangho (Gelber Fluss).
International Campaign for Tibet, 18. Oktober 2024
Screenshots des Video-Statements und voller Wortlaut in englischer Übersetzung: https://www.rfa.org/english/news/tibet/tibet-river-illegal-sand-mining-appeal-10202024163036.html
Grassierende Korruption in der Präfektur Dechen
Mehrere hochrangige Kader in der Präfektur Dechen im Südwesten Tibets, heute in die Provinz Yunnan inkorporiert, sind ihrer Ämter enthoben und wegen Korruption angeklagt worden. Alle Kader sind tibetischer Nationalität.
Ein Kader war vormals Gouverneur, und drei weitere Vize-Gouverneure der Präfektur. Zwei weitere waren lokale Vorsitzende der «United Front». Diese ist eine Unterorganisation der Kommunistischen Partei und ist unter anderem verantwortlich, die Parteilinie gegenüber sogenannten «ethnischen Minderheiten» und religiösen Gemeinschaften zu vertreten und zu fördern.
Die Kader, die Rollen in der United Front übernehmen, werden gewöhnlich einem gründlichen Auswahlverfahren unterzogen, und nur diejenigen, die als besonders vertrauenswürdig erscheinen, erhalten führende Positionen. Die Disziplinarkommission, die diese Fälle untersucht, gilt als sehr verschwiegen und veröffentlicht Einzelheiten über die Korruptionsvorwürfe erst ganz am Ende eines Verfahrens, wenn das Urteil schon feststeht. Daher bleibt unklar, ob es sich wirklich um «Korruption» im engeren Sinn handelt. Xi Jinping verwendete seit Beginn seiner Amtszeit die «Anti-Korruptionskampagne» auch als Mittel, um seine Gegner in Partei und Regierung mundtot zu machen.
International Campaign for Tibet, 18. Oktober 2024
24. September 2024
China verstärkt Propaganda und Kontrolle auf vielen Ebenen:…
… «Buddhistischer Weltkongress» im Oktober
Im Oktober soll in der chinesischen Stadt Ningbo ein «Buddhistischer Weltkongress» stattfinden. Dazu sind Mönche, Nonnen, Studierende, Gelehrte und Experten aus 70 Ländern eingeladen. Der Dalai Lama befindet sich nicht unter den Eingeladenen. Laut Einladungstext ist das Ziel der Konferenz, «den Weltfrieden zu fördern, das Wohlergehen aller Menschen zu verbessern und Weisheit und Kraft für den Aufbau einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit zu sammeln.»
Ausländische Beobachter sehen diese Konferenz im Kontext der Regierung der Volksrepublik China, ihr Narrativ von einem «Buddhismus mit sozialistischer Prägung» und ihre Sichtweise über die Anerkennung von Inkarnationen, speziell eines allfälligen 15. Dalai Lama, zu verbreiten. Organisiert wird die Konferenz von der «Chinesischen Buddhistischen Vereinigung», die unter der Aufsicht der Kommunistischen Partei steht. Deren Vorsitzender, Yan Yue, betont entsprechend, man wolle mit der Veranstaltung, «die Richtung der Sinisierung des Buddhismus in China einhalten und den Status der Religionsfreiheit in China in vollem Umfang bekannt machen und darstellen».
…Eröffnung eines “Internationalen Informationszentrums” über Tibet
Die Eröffnung dieses Zentrums wurde als Resultat eines «Roundtable Meetings über die Etablierung eines effizienten Kommunikationssystems über Tibet» angekündigt. Dieses Meeting wurde abgehalten von der Propaganda-Abteilung der Kommunistischen Partei in Tibet und dem Büro für Fremdsprachen der Zentralregierung.
Die Etablierung dieses Zentrums dürfte die Vorgabe von Präsident Xi Jinping umsetzen, eine «gute Story über China auf der internationalen Ebene» zu erzählen und den Bemühungen der Kommunistischen Partei, ihr Narrativ zu Tibet zu verbreiten und die Ersetzung des Namens «Tibet» durch «Xizang» zu forcieren. Der Parteivorsitzende in Tibet, Wang Junzheng, betonte bei einer Ansprache, man müsse die Bemühungen optimieren, ein «Diskurssystem» gegenüber dem Ausland aufzubauen.
Radio Free Asia, 5. September 2024 und
International Campaign for Tibet, 11. September 2024
… Auslieferer von Essen als Hilfspolizisten
Kurz vor einem der bedeutendsten Festivals in der tibetischen Tradition, dem Shotön-Fest im August, wurden in einem «Pilotversuch» Auslieferer von Essen der lokalen Firma Meituan als Hilfspolizisten ausgebildet. Laut offizieller Mitteilung sollen diese «freiwillig» Patrouillen- und Sicherheitsdienste leisten. Sie sollen diese Aufgabe zur Beobachtung der zivilen Bevölkerung sowohl tagsüber als auch in der Nacht leisten. Interessant ist, dass sich der Staat hier mit Meituan einer privaten Firma bedient.
Diese Massnahme hat bereits ein Vorbild: ein ähnliches System wurde bereits in der sensitiven Grenzregion zwischen der sogenannten «Autonomen Uigurischen Region Xinjiang» und der «Autonomen Region Tibet» etabliert. Hier haben Zivilisten, Polizeikräfte, Armeeangehörige und Regierungskader die gleichen Aufgaben.
Radio Free Asia, 17. August 2024
… Neue Bestimmung zur Registrierung auf sozialen Netzwerken
Bisher langte zur Registrierung die Angabe der Mobilfunknummer. Neu ist für bisherige und neue User die zusätzliche Angabe eines Passwortes entweder zu dem Mobiltelefon oder der Identitätskarte. Dieses Passwort soll auch der Regierung zugänglich sein. Ohne diese zusätzlichen Angaben werden die Zugänge gesperrt, das Mobiltelefon wird zur Untersuchung eingezogen, und User müssen sich neu registrieren.
Mitte August haben die Behörden kontinuierlich über 2 Tage die Strassen von Lhasa und den gesamten Internetverkehr überwacht. Sehr wahrscheinlich ging es darum, den unerlaubten Gebrauch von Virtual Private Network (VPN) zu unterbinden. Mit VPN lassen sich die inländischen Internetsperren umgehen, so dass gesperrte Dienste und Adressen im Ausland erreichbar werden. Anfang August wurden in Lhasa drei Personen verhaftet und für den VPN-Gebrauch bestraft. Die Behörden sagten, die Massnahmen dienten «dem Schutz personenbezogener Daten, der ordnungsgemässen Verwaltung der Internetgemeinschaft und Verhinderung von Betrug im Telekommunikationsnetz.»
Radio Free Asia, 5. September 2024
3. September 2024
Bericht: TikTok-Algorithmen manipulieren Meinung zugunsten der Kommunistischen Partei Chinas
Das New York Contagion Research Institute (NCRI) an der Rutgers University hat einen Bericht publiziert, der aufzeigt, wie Algorithmen im sozialen Netzwerk TikTok die Meinung über Tibet, Taiwan und Ost-Turkestan (chin. Provinz Xinjiang) im Sinne der partei- und regierungsoffiziellen Sichtweise manipulieren. Laut eigener Darstellung erforscht das NCRI mögliche Bedrohungen für das gesundheitliche Wohlergehen, die Wirtschaft oder die soziale Ordnung der Zivilgesellschaft.
Für ihren Bericht über TikTok, das sich in der Hand der chinesischen Firma Bytedance befindet, erzeugten die Autoren je 12 neue Kundenkonten für weibliche und männliche Personen. Diese Konten waren anonym und zeigten nur Angaben über das Alter von 16 Jahren (was einem typischen Konto bei TikTok entspricht) und eine in den USA lokalisierte IP-Adresse. Auf allen Konten wurden dann bei TikTok vier Suchbegriffe eingegeben: “Uyghur”, “Xinjiang” “Tibet”, und “Tiananmen”. Die erzielten insgesamt 3'435 Suchergebniss wurden verglichen mit den Treffern für die gleichen Suchbegriffe in YouTube und Instagram. Die Suchergebnisse wurden codiert nach den Kriterien «pro-China», «anti-China», «neutral» und «irrelevant».
Die Ergebnisse zeigen, dass TikTok im Vergleich zu den anderen Plattformen die niedrigste Rate an «anti-China»- Inhalten zu allen 4 Suchbegriffen zeigt. Dagegen waren «pro-China»- und irrelevante Inhalte auf TikTok mit ca. 60 bis über 90% wesentlich höher. Auffällig war, dass die «irrelevanten» Inhalte insgesamt über 45% ausmachten, verglichen mit weniger als 10% auf den anderen Plattformen. TikTok zeigte ganz überwiegend Suchresultate aus Quellen, die der Kommunistischen Partei und Regierung nahestehen. Die hohe Rate an irrelevanten Inhalten erklärt der Bericht damit, dass Nutzer und Nutzerinnen mit Berichten von Influencern zu unkritischen Themen wie Tourismus oder Kultur «überschwemmt» werden und damit kritische Inhalte in den Hintergrund drängen.
Eine parallel durchgeführte Umfrage bei 1'214 jungen Amerikanerinnen und Amerikanern ergab, dass je mehr Zeit auf TikTok verbracht wurde sich die Rate an «pro-China»-Einstellungen erhöhte. Wurde TikTok mehr als 3 Stunden pro Tag genutzt, erhöhte sich die Rate «pro-China» um 50%.
Der Bericht schränkt zwar ein, dass diese Ergebnisse keinen definitiven Beweis für eine aktive Manipulation erbringen, aber doch einen starken Verdacht aufkommen lassen. TikTok wies den Bericht in aller Form als Resultat eines «fehlerhaften Experiments» ab, das darauf abziele, eine «falsche und vorurteilsbehaftete Schlussfolgerung» zu verbreiten.
Radio Free Asia, 16. August 2024
Vollständiger Bericht: https://networkcontagion.us/reports/the-ccps-digital-charm-offensive/
Verbot von religiösen Symbolen an Häusern und Online-Gebetszeremonien
In der osttibetischen Region Ngaba – einem Zentrum des tibetischen Widerstandes - haben Behörden verfügt, dass von allen privaten Gebäuden religiöse Symbole entfernt und fest installierte Strukturen zerstört werden müssen. Das betrifft das Entfernen von Gebetsflaggen auf Hausdächern und die Zerstörung von Weihrauchöfen. In mindestens vier Dörfern in Ngaba wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt.
Bisher wurden diese Symbole und Strukturen oft von Klöstern entfernt; neu ist, dass diese Verbote auch private Häuser betreffen.
Weiterhin wurden in osttibetischen Regionen online veranstaltete Gebetszeremonien untersagt. Diese waren in Chatgruppen in privater Initiative organisiert worden. Die Polizei bestellte diejenigen, die solche Zeremonien organisiert hatten, zu Verhören ein. Am 6. Juli, dem Geburtstag des Dalai Lama, erhielten die Mönche des in Ngaba gelegenen Klosters Kirti Hausarrest, der von der Polizei kontrolliert wurde. Anlässlich des Geburtstages des dortigen Kirti Rinpoche wurden online-Sperren implementiert und die Bevölkerung ermahnt, keine Glück- und Segenswünsche an ihn zu senden.
Radio Free Asia, 25. Juli 2024
26. Juli 2024
Bericht: Wie China Tibets Bodenschätze ausbeutet
Die Human Rights Foundation veröffentlichte einen Bericht, der die Praktiken der Volksrepublik China und Kommunistischen Partei beschreibt, wertvolle Bodenschätze in Tibet abzubauen. Auch wenn es schwieriger ist als in Ost-Turkestan (chin. Provinz Xinjiang), erzwungene Arbeit und weitere Verletzungen der Rechte der Betroffenen nachzuweisen, ergeben sich diesbezüglich deutliche Verdachtsmomente.
Ausbeutung seit 1960, mit Steigerung seit 2010
Ein Motiv für die Invasion Tibets 1949 waren die Vorkommen von wertvollen Bodenschätzen. Gerade die Lagerstätten für Kupfer und Lithium haben in den letzten Jahren grosse Bedeutung im Rahmen der «grünen Wende» erhalten. Die Ausbeutung begann in den 1960er Jahren, mit einer deutlichen Steigerung seit 2010. Zunächst handelte es sich um chinesisch-kanadische Joint Ventures, wo die kanadische Seite das technische Fachwissen beisteuerte, während China Arbeitskräfte rekrutierte. Später brachte die VR China die Joint Venture in Staatsbesitz.
Im März 2010 publizierte die chinesische Regierung Pläne, insgesamt 3000 Lagerstätten von Erzen und Mineralien mit einem geschätzten Gesamtwert von umgerechnet US-$ 125 Mrd. auszubeuten [vergl. Tibet-Information vom 7. Dezember 2010; UM]. Dadurch sollte sich bis ins Jahr 2020 der Anteil des Bergbaus von seinerzeit 3% auf 30% des tibetischen Bruttoinlandsproduktes erhöhen. Im Jahre 2006 wurden nur 1% der bekannten Lagerstätten ausgebeutet, jedoch stieg die Zahl nach der Eröffnung der Eisenbahnlinie 2006 sprunghaft an.
Nach regierungsoffiziellen Angaben sollten durch Investitionen in den Bergbausektor 1‘400 neue Arbeitsstellen, angeblich für lokale Anwohner, geschaffen werden. Dem hielt die bekannte tibetische Intellektuelle und Dissidentin Woeser entgegen, dass seit 2006 bis 2010 schätzungsweise 10‘000 chinesische Migranten in der Bergbauindustrie neu eingestellt wurden.
Niedergeschlagene Proteste und Umweltschäden
Die drastische Steigerung des Abbaus von Lagerstätten hat seit 2007 zu erheblichen Konflikten mit betroffenen Tibetern geführt [vergl. Tibet-Information vom 2. März 2007, 28. Juni 2007,28. Mai 2009, 15. Juni 2009, 24. Juni 2009, 19. August 2009, 25. August 2010, 25. Oktober 2010; UM], in deren Verlauf es sogar Tote gab; so wurden im August 2010 drei Tibeter bei einem friedlichen Protest gegen eine Goldmine von Sicherheitskräften erschossen [vergl. Tibet-Information vom 25. August 2010; UM].
Schon seit 2010 gab es Berichte, dass die nomadisch lebende tibetische Bevölkerung zwangsweise umgesiedelt und in Siedlungen untergebracht wurde, so zum Beispiel für die Goldmine in Gyama. Die Firma China National Gold zwang 100 Bewohner, in Häuser umzusiedeln, so dass sie von staatlichen Unterstützungsprogrammen abhängig wurden. Nach einer Untersuchung, die in einem renommierten niederländischen Wissenschaftsjournal veröffentlicht wurde [Science for the Total Environment, Elsevier-Verlag, September 2010; UM], haben im Tal von Gyama im Flussbett des gleichnamigen Flusses die Konzentrationen von Kupfer, Blei, Eisen und Aluminium seit 1990 erheblich zugenommen. Die Autoren des Berichts wartnen vor den Gesundheitsrisiken, wenn diese Metalle Aufnahme in die Nahrung finden. Mehr noch, der Gyama-Fluss mündet in den Kiychu-Fluss, der durch Lhasa fliesst und schliesslich in den Yarlung Tsangpo mündet, der schliesslich als Brahmaputra in Bangladesh in das Meer fliesst. Damit gefährden Rückstände potenziell eine grosse Bevölkerungszahl.
Der Begriff «Tifa» für Programme zur zwangsweisen Umsiedlung und Umschulung
Im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Umsiedlung und Umschulung von «überflüssigen Arbeitskräften im Agrarsektor» - so die staatliche Bezeichnung - taucht immer wieder der Begriff «Tifa» auf. Damit soll es sich um eine Art Codewort der Kommunistischen Partei handeln. Diese Codeworte beziehen sich auf verschiedene, genau definierte Praktiken, und es ist für Regierungsbeamte obligatorisch, «tifa» zu verwenden, wenn sie über diese Praktiken und ihre Umsetzung sprechen. «Tifa» ist für zwangsweise Umschulungen in Niedriglohnsektoren in Ost-Turkestan gut belegt, aber es gibt mehrfache Erwähnungen dieses Begriffs im Zusammenhang von Programmen für die Ausbeutung von Bodenschätzen in Tibet, die auch mit Begriffen wie «Absorption von Arbeitskräften», «Transfer überschüssiger ländlicher Arbeitskräfte», «Export von Arbeitskräften» und «Transferbeschäftigung» beschrieben sind. Der für die Jamestown Foundation arbeitende Autor Adrian Zenz hat im September 2020 einen umfassenden Bericht unter dem Begriff der «Armutsbekämpfung» über zwangsweise Umschulungen tibetischer Arbeitskräfte berichtet. Betroffene werden je nach «Order» von Firmen in Gruppen trainiert und nachfolgend transferiert. Dafür werden Quoten zur Rekrutierung der Betroffenen ausgegeben, die die lokalen Funktionäre erfüllen müssen; andernfalls werden sie bestraft.
Der Bericht der Human Rights Foundation führt im Detail Beispiele auf, wie zwei in chinesischem Besitz befindliche Firmen (Zijin Mining Group Ltd. und China Gold International Resources) in verschiedenen Regionen Tibets Gold, Kupfer und Lithium abbauen, von diesem «Tifa-Programm» Gebrauch machen.
Im Januar 2023 trat in der sogenannten «Autonomen Region Tibet» ein Gesetz in Kraft, das allen, die dreimal staatlich vermittelte Arbeitsstellen verweigern, die Sozialleistungen kürzt oder sogar streicht.
Vancouver Media Coop; 26. Dezember 2010
A. Zenz «Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet”, China Brief; Volume 20 Issue 17
Human Rights Foundation.,22. Juli 2024
Vollständiger Bericht der Human Rights Foundation: https://hrf.org/undermined-chinas-growing-presence-in-tibetan-mining/#24
16. Juli 2024
Weitere erzwungene Schulschliessungen in Tibet:
Renommierte tibetische Schule in Golok
Die Behörden in Tibet setzen die Serie von erzwungenen Schliessungen tibetischer Schulen fort. In der Vergangenheit wurde wie in Drago in Ost-Tibet sogar das Lehrpersonal gezwungen, das Schulgebäude umgehend abzureissen [vergl. Tibet-Information vom 8. November 2021; UM]. Am 12. Juli musste nun eine sehr renommierte Schule in Golok im Nordosten Tibets schliessen. Es handelt sich um die früher mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Jigme Gyaltsen Nationalities Vocational High School. Als Grund für die Schliessung wurde ein wenig plausibler Grund genannt: es sei der Verdacht entstanden, dass entgegen den Bestimmungen Mönche und Nonnen unter 18 Jahren die Schule besucht hätten.
Bereits früher hat es laut Bericht der Central Tibetan Administration im Exil in Dharamsala Versuche gegeben, die Schule mit Anschuldigungen unter Druck zu setzen. Einmal wurde eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern beschuldigt, sie hätten als Gruppen-Logo ein Element aus der verbotenen tibetischen Nationalflagge verwendet. Gegen den Gründer und Namensgeber der Schule, Jigme Gyaltsen, wurde unter dem Vorwurf, er habe als Präsident von zwei Stiftungen Bestechungsgelder angenommen, ein Verfahren eingeleitet.
Die Schule wurde 1994 nach Genehmigung durch die lokalen Behörden mit 86 Schülerinnen und Schülern gegründet; diese Zahl wuchs zum Zeitpunkt der Schliessung auf 1400 an. Sie bot ein breites Angebot an Fächern an: englische Sprache, Computerwissenschaften, Ingenieurwesen, Medizin und Sport. Die Absolventen lancierten teilweise sehr erfolgreiche Karrieren an Universitäten, Schulen, in Behörden und in der Wirtschaft. Die Schule sowie ihr Gründer erhielten mehrere Auszeichnungen der Regierung, und noch vor Kurzem wurde die Schule in den Medien gepriesen als eine «der zehn herausragenden Schulen» der Region.
Central Tibetan Administration, 14. Juli 2024
Klosterschulen in Kirti
Ebenso betroffen sind insgesamt 1600 junge Mönche, die in zwei Klosterschulen im Osten Tibets unterrichtet wurden. Betroffen sind die Schulen der Klöster Kirti im Bezirk Ngaba und Lhamo Kirti im Bezirk Dzoge. Auch hier lautet die offizielle Begründung, dass Mönche im Alter von unter 18 Jahren religiöse Erziehung erhielten, was nicht erlaubt sei. Bislang galt aber eine Untergrenze von 5 Jahren für die Zulassung.
Die betroffenen Mönche müssen nun öffentliche Schulen besuchen, die in chinesischer Sprache unterrichten. Kirti gilt als eines der Zentren des tibetischen Widerstandes seit 2008; hier ereignete sich eine grosse Zahl von Selbstverbrennungen.
Radio Free Asia, 3. Juli 2024
Chinesische Social Media verbannen tibetische Sprache
Die populäre App Douyin – eine ähnliche Plattform wie TikTok - erlaubt nicht mehr den Gebrauch der tibetischen Sprache. Auch bei anderen Social Media gibt es zunehmend Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern, dass Inhalte in tibetischer Sprache umgehend zensiert werden und verschwinden.
Douyin wurde 2016 lanciert und hat etwa 700 Millionen Benutzer. Viele Tibeter und Tibeterinnen verwenden Douyin nicht nur, um Inhalte zu teilen, sondern auch zur Bildung, zum Online-Marketing und zur Werbung. Ein tibetischer Arzt beklagte sich, dass sein Patientenkreis die chinesische Sprache nicht gut genug beherrsche, und nun würden seine Beratungen nicht mehr ausreichend verstanden. Ein tibetischer Händler, der Waren in China ankauft und in Tibet vermarktet, klagte, dass 80% seiner Inhalte, die nun in chinesischer Sprache erscheinen müssen, nicht mehr vom Kundenkreis verstanden werden. Ein Mönch, der Online-Belehrungen in tibetischer Sprache in allen historischen Regionen Tibets hielt, kann dieses Angebot nicht mehr aufrecht erhalten.
Douyin gehört dem chinesischen Mutterkonzern Bytedance, der schon lange wegen seiner starken Verbindungen zur Kommunistischen Partei und Zensurpraktiken in der Diskussion ist. Die Partei verbreitet häufig Propaganda über Douyin. Auch andere Plattformen wie Kuaishou, die Kurzvideos verbreitet, die Sprachlern-Plattform Talkmate und die Streaming-App Bilibili unterdrücken zunehmend die tibetische Sprache [vergl. Tibet-Information vom 15. November 2021; UM].
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, 2. Juli 2024
6. Juni 2024
Politische Erziehung wegen Protesten gegen Landraub
Im April 2024 erfuhren 25 tibetische Familien im Bezirk Markham im Osten Tibets, dass ihr Land von der lokalen Regierung ohne ihr Wissen an Geschäftsleute verkauft wurde. Bei einer Protestaktion am 10. April wurden 4 Tibeter verhaftet. Zwar wurden sie am 16. April freigelassen, berichteten aber über Misshandlungen während der sechs Tage in Haft. Es ist nicht bekannt, an wen das Land verkauft wurde und was die Pläne der ungenannten Geschäftsleute sind. Den betroffenen Familien wurde zwar eine Entschädigung angeboten, die sie aber wegen einer viel zu niedrigen Summe zurückwiesen, die kaum mehr als ein Zehntel des geschätzten Wertes des Landes mit der Fläche von ca. 1.5 x 1 km ausmacht.
Informanten von Radio Free Asia gaben an, dass die lokalen Regierungskader die betroffenen Familien daran hinderten, den übergeordneten Behörden in Chamdo und Lhasa eine Petition zu übergeben, den Verkauf rückgängig zu machen. Auch hätten die Kader ihren vorgesetzten Behörden den Landraub verschleiert und behauptet, es handele sich um „politische Proteste“.
Am 16. April organisierte das lokale Parteikomitee eine «politische Erziehungssitzung» mit mehr als 30 Partei- und Regierungskadern. Danach besuchten diese Kader jeden einzelnen Haushalt. Zwar würde sich die Regierung der Probleme der Betroffenen annehmen, aber es sei ihnen verboten, Nachrichten darüber an Menschen ausserhalb Tibets weiterzugeben. Die Weitergabe beschädige die «nationale Würde» und stelle damit einen kriminellen Akt dar. Alle müssten die geringe Entschädigung akzeptieren, oder sie würden wegen «Nichteinhalten von Bestimmungen» verhaftet. Auch wurde eine Belohnung offeriert, wenn die Bewohner beim Identifizieren der Protestierenden mithelfen.
Radio Free Asia, 16. Mai 2024
Schulunterricht in tibetischer Sprache verboten
In der Präfektur Nyagchu im Osten Tibets, heute in der Provinz Sichuan, ist der Unterricht auf allen Schulstufen in tibetischer Sprache verboten. Das Verbot folgt einer gleichen Massnahme im osttibetischen Bezirk Kardze von Oktober letzten Jahres.
Das Verbot ist das letzte einer Serie von anderen Massnahmen und Verboten in den letzten vier Jahren mit erzwungenen Schliessungen privater tibetischer Schulen, dem Verbot von privatem tibetischen Unterricht während der Schulferien und der Kürzung oder Streichung der Ferientage, die Schülerinnen und Schüler zu längeren Aufenthalten in den Internaten zwingt.
Ein Informant von Radio Free Asia gab an, dass diese Massnahmen in der Präfektur Nyagchu, wo 90% der Bevölkerung tibetischer Abstammung sind, bereits zu einer signifikanten Abnahme der Sprachkenntnisse in Tibetisch geführt habe.
Darauf angesprochen, erklärte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington, dass die chinesische Regierung «die Freiheiten der ethnischen Minderheiten beachte».
Radio Free Asia, 8. Mai 2024
Hausdurchsuchungen, “politische Erziehung” und Klosterabriss
Zwei Dörfer, die infolge des Dammbaus im Bezirk Dege geräumt werden sollen, sind seit März von Hausdurchsuchungen und «politischer Erziehung» betroffen. Der geplante Bau von mehreren Staustufen wird Dörfer und Klöster mit teils kulturhistorisch wertvollen Wandmalereien unter den Fluten verschwinden lassen und hatte Proteste der lokalen Bevölkerung ausgelöst [vergl. Tibet-Information vom 27. Februar und 18. März 2024; UM].
Laut Mitteilung von Huang Jun, Parteisekretär und Vizedirektor der Bezirksstadt Chamdo, auf dem offiziellen WeChat-Kanal der Stadtverwaltung von Wonpotoe hätten «tausende von Kadern» die betroffenen Dörfer Chage und Zhouge besucht, um «Konflikte und mögliche Sicherheitsrisiken» zu untersuchen. Die Kader hätten «von Tür zu Tür Untersuchungen, Beobachtungen und Verhöre» vorgenommen. Im Rahmen dieser Massnahmen wurden über alle Familien und dort lebende Nomaden mittels Befragungen und Beobachtungen umfassende Informationen gesammelt Auch hätten Kader Patrouillen in mehreren Dörfern und Klöstern durchgeführt, um die «soziale Kontrolle» zu stärken.
Im Bezirk Drakkar wurde unterdessen mit dem Abriss des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Klosters Atsok begonnen. Dieses soll dem Bau des Wasserkraftwerks Yangchu weichen.
Der Bevölkerung wurde untersagt, Fotos oder Videos vom Abriss aufzunehmen und zu verbreiten. Auch dürfen sie das Kloster nicht mehr besuchen. Laut Informanten wurde ein Tibeter verhaftet und verhört, weil er Fotos vom Abriss und vom Dalai Lama auf WeChat verbreitete.
Die Mönche des Klosters wohnen derweil in provisorischen Unterkünften, und das Klosterinventar werde in einem Lagerhaus in einer benachbarten Ortschaft aufbewahrt.
Tibet Watch, 29. Mai und 6. Juni 2024
24. Mai 2024
Bericht über erzwungene Massenumsiedlung ganzer Dörfer in Tibet
Die NGO Human Rights Watch (HRW) hat einen Bericht publiziert, der das Ausmass erzwungener Massumsiedlungen ganzer Dörfer aus ländlichen Regionen der «Autonomen Region Tibet» aufzeigt. Demnach üben Regierungskader systematischen Druck auf die Bewohner aus, um sie zum Auszug aus ihren angestammten Dörfern zu bewegen. Seit 2016 sind demnach etwa 500 komplette Dörfer mit 140'000 Bewohnern in teilweise mehrere hundert Kilometer entfernte Orte umgesiedelt worden.
Die Auswertung von über tausend Medienberichten zwischen 2013 und 2023, einschliesslich einiger Videoaufnahmen und Augenzeugenberichte, widerlegt die Behauptung der Regierung, dass jeder einzelne Haushalt in freiwilliger Entscheidung zugestimmt habe. In einem Fall hätten sich 200 der 260 betroffenen Haushalte in Nagqu, nördlich von Lhasa, gegen den Umzug in eine mehr als 1'000 km entfernte Siedlung ausgesprochen. In einem anderen Dorf habe sich nur eine einzige Person, ein Mitglied der Kommunistischen Partei, für den Umzug ausgesprochen.
Regierungskader rühmen sich damit, die «freiwilligen» Umzüge mit «Öffentlichkeitsarbeit» und «ideologischer Arbeit von Tür zu Tür» erreicht zu haben. In der Realität hätten Kader wiederholt, manchmal über Jahre, Haushalte besucht und gedroht, bei Verweigerung der Zustimmung würden wichtige Ressourcen wie Strom und Wasser abgeschaltet. Weiter würde Verweigerern gedroht, sie würden wegen «Verbreitung von Gerüchten» mit Strafen belegt. Jedes Dorf müsse eine Konsens-Entscheidung treffen, womit Verweigerer unter zusätzlichen Druck gesetzt werden. Auch setzte die jeweils höhere Behörde die untere unter Druck, um fixe Quoten für die Umsiedlungen zu erreichen.
Umsiedlung individueller Haushalte für einen «höheren Lebensstandard»
Darüber hinaus weist der HRW-Bericht auf ein weiteres Programm hin, das zwischen 2016 und 2020 individuelle, meist arme, Haushalte mit 567'000 Betroffenen in Regionen ausserhalb der «Autonomen Region» umgesiedelt hat. Ihnen wurden oft falsche Versprechungen über höheres Einkommen und besseren Lebensstandard gemacht. Der Lebensstandard hat sich meist in den neuen Siedlungen in urbanen Randgebieten nicht gebessert, weil dort die Kenntnisse in Ackerbau und Viehhaltung nicht relevant sind und die Betroffenen stattdessen schlecht bezahlte Lohnarbeit annehmen müssen.
Selbst offizielle Erhebungen durch wissenschaftliche Institutionen kamen zu diesem Schluss. Eine Umfrage von 2014 über ein vorher durchgeführtes Umsiedlungsprogramm zeigte, dass 69% der Befragten finanzielle Schwierigkeiten hatten und sich 49% wünschten, sie könnten zurück in ihre Herkunftsregion ziehen.
Lauf offiziellen Statistiken sind seit 2000 insgesamt 930'000 Tibeter und Tibeterinnen aus ländlichen Regionen umgesiedelt worden.
Gleichgültig, ob es sich um Umsiedlungen ganzer Dörfer oder einzelner Haushalte handelt, müssen die Bewohner vor dem Wegzug ihre alten Wohnungen demolieren, damit sie keine Möglichkeit zur Rückkehr haben.
Human Rights Watch, 21. Mai 2024
Bericht: https://www.hrw.org/report/2024/05/22/educate-masses-change-their-minds/chinas-forced-relocation-rural-tibetans
7. Mai 2024
«Spyware-as-a-Service»: Hacker attackieren tibetische Repräsentanten im Exil
Ein Bericht der Organisation Turquoise Roof enthüllt systematische Attacken im Auftrag im Auftrag von chinesischen Regierungsstellen gegen tibetische Führungspersonen im Exil.
Der Bericht wurde möglich aufgrund eines grossen Datenlecks bei der privaten chinesischen Cybersecurity-Firma I-Soon, zu deren Auftraggebern die chinesische Polizei, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die Armee gehören. Demnach wurden seit 2018 systematisch die Mobiltelefone von Repräsentanten der Tibetischen Regierung im Exil (Central Tibetan Administration, CTA) ausspioniert und grosse Mengen an Daten heruntergeladen. Besonderes Interesse galt dem Ausspionieren der sozialen Netzwerke der Betroffenen. Ein zweiter Bericht der Organisation Citizen Lab zeigt, dass einzelne Personen der CTA infizierte Links in WhatsApp-Nachrichten erhielten, die scheinbar von NGO-Mitarbeitenden oder Journalisten stammten. Ein internes Dokument von I-Soon zeigt, wie Künstliche Intelligenz eingesetzt wurde, um auch grosse Datenmengen aus gehackten Mailkonten der Betroffenen zu analysieren.
Nach Einschätzung von Experten ist das Datenleck nur die «Spitze vom Eisberg», ermöglicht aber einen bisher einzigartigen Einblick in das Ausmass und die eingesetzte Spitzentechnik der Spionage mittels Künstlicher Intelligenz. Betroffen sind nicht nur die CTA, sondern auch Organisationen der Uiguren im Exil und die Demokratiebewegung in Hongkong.
Die chinesische Botschaft in Washington, die auf diese Aktivitäten angesprochen wurde, erklärte, dass die Regierung Cyberkriminalität «immer entschieden abgelehnt und hart durchgriffen» hat. Die Berichte seien eine «komplette Verdrehung von Schwarz und Weiss».
Turquoise Roof Bericht, 18. April 2024
Citizen Lab Bericht, 24. November 2019
Noch mehr Spionage: Apps analysieren Tastenanschläge
Ein weiterer Bericht von Citizen Lab untersuchte Apps von 8 chinesischen Anbietern (Baidu, Honor, Huawei, iFlytek, OPPO, Samsung, Tencent, Vivo, und Xiaomi), die Benutzern von Mobiltelefonen das schnelle Eintippen von chinesischen Zeichen in Nachrichten ermöglichen. Diese Apps sind sehr beliebt und sind auf Mobiltelefonen in China weit verbreitet. Manche in China verkauften Android-Geräte haben auch solche Apps vorinstalliert.
Mit einer Ausnahme, der App von Huawei, wurden die Tasteneingaben nicht verschlüsselt. Das führte dazu, dass Tasteneingaben von Dritten ohne weiteres Zutun gesammelt und analysiert werden konnten. Es drängt sich der Verdacht auf, dass somit die Mobiltelefone für Massenspionage von Nachrichten verfügbar waren.
Nachdem Citizen Lab die Anbieter darauf ansprach, beseitigten alle ausser Baidu diese Schwachstelle. Allerdings weist der Bericht darauf hin, dass zum Schliessen der Sicherheitslücke Updates der Apps nötig seien.
Citizen Lab Bericht, 23. April 2024
Keine Schulferien für Ernte vom Raupenkeulenpilz
Im Bezirk Tenchen im Osten Tibets haben Eltern vor einem der Internate, die durch den 2021 publizierten Bericht über die massenhafte Zuweisung in Chinesisch geprägte Schulen bekannt wurden [vergl. Tibet-Information vom 16. Dezember 2021; UM], dagegen protestiert, dass ihre Kinder keine Sonderferien zum Ernten des Raupenkeulenpilzes erhielten.
Der in tibetischer Sprache yartsa gunbu genannte Pilz (wissenschaftlicher Name Ophiocordyceps sinensis) wächst nur in Höhen ab 3500 m wird seit Jahrhunderten im April geerntet. Ihm werden heilende Kräfte gegen mehrere Krankheiten zugeschrieben, und deswegen ist er sehr begehrt und teuer. Das (amerikanische) Pfund kann zwischen umgerechnet $ 15'000 bis 50'000 kosten. Das Ernten ist eine wesentliche oder sogar die wichtigste Einnahmequelle für viele tibetische Familien.
Ein Video, das RFA zugespielt wurde, zeigt etwa 40 Elternpaare, die sich vor dem Gitter des Internats in der Ortschaft Trido drängen und inständig um Sonderferien für ihre Kinder bitten, um bei der arbeitsintensiven Ernte zu helfen. In der Vergangenheit hatten die Schulen die Kinder über das Wochenende oder sogar für mehrere Tage während der Erntesaison zu ihren Eltern entlassen.
Einen Tag nach dem Protest am 27. April erschien ein Regierungskader und sagte zu, einige Kinder dürften nach Hause reisen. Es ist noch unklar, ob ihnen tatsächlich Sonderferien gewährt wurden. Die zuständige Regierungsbehörde antwortete nicht auf eine Anfrage von RFA.
Radio Free Asia, 29. April 2024
12. April 2024
10 Regeln, was tibetische Mönche nach dem Tod des Dalai Lama nicht tun dürfen
Die Regierungsbehörde in der osttibetischen Präfektur Kanlho hat ein «Handbuch» mit 10 Regeln an alle Klöster in der Region verteilt. Dieses listet alle Regeln auf, die Mönche nach dem Tod des Dalai Lama befolgen müssen. Sie dürfen keine Fotos des Dalai Lama aufstellen und keine «illegalen religiösen Aktivitäten und Rituale» durchführen.
Weiter ist es den Mönchen untersagt, «sich an Aktivitäten zu beteiligen, die die nationale Einheit untergraben, der sozialen Stabilität im Namen der Religion schaden oder die Zusammenarbeit mit separatistischen Gruppen ausserhalb des Landes erfordern». Es dürfen «keine illegalen Organisationen oder Institutionen in Klöster eindringen», und das Bildungssystem für Mönche darf keine Elemente einer "separatistischen Ideologie" enthalten. Den Mönchen ist es verboten, «separatistische Ideen oder Propaganda» über Radio, Fernsehen oder Internet zu verbreiten.
Radio Free Asia, 9. April 2024
Zulassung zur Aufnahmeprüfung für Universitäten gegen Geld
Angesichts einer Arbeitslosenrate von 21.3% in der Altersgruppe der 16- bis 24-jährigen sind universitäre Ausbildungen sehr gefragt, um die Chancen für einen lukrativen Arbeitsplatz zu erhöhen. Jeweils im Juni finden in China die kompetitiven Aufnahmeprüfungen für die Universitäten (chin. «gaokao») statt. Um die Rate von Studierenden aus Regionen wie Tibet zu erhöhen, wurde dort die Hürde zur Aufnahme niedriger gesetzt als an anderen Orten. Wer die Aufnahmeprüfung in Lhasa absolviert, benötigt mindestens 300 von 750 möglichen Punkten, um an einer der Universitäten im Land angenommen zu werden, während die Hürde mit 448 Punkten deutlich höher ist, wenn man die Prüfung in Beijing absolviert.
In der Vergangenheit haben viele Eltern versucht, über «Beziehungen» und Bestechung die begehrten Plätze in den Aufnahmeprüfungen zu ergattern. Auch wurde kritisiert, dass Schuldabsolventen teilweise im Land umherziehen, um einen Prüfungsort mit einer möglichst niedrigen Hürde zu finden. In sozialen Medien wurden Befürchtungen geäussert, die neue Regelung werde Kinder aus reichen Elternhäusern gegenüber lokalen Bewerbern bevorzugen und die Hürde für die Qualifikation auch in Lhasa erhöhen.
China veröffentlicht Umbenennungen von Orten in Indiens Provinz Arunachal Pradesh
Die Regierung der Volksrepublik China hat zahlreichen Orten in Indiens Provinz Arunachal Pradesh chinesische Namen gegeben. Diese Umbenennungen folgen dem schon seit Langem geäusserten territorialen Anspruch Chinas auf diese an Tibet grenzende indische Provinz, die in regierungsoffiziellen Dokumenten «Zangnan» («Süd-Tibet») genannt wird.
Die Umbenennungen erfolgten in mehreren Schritten, beginnend 2017 mit 6 Orten. Inzwischen erscheinen in der vierten Ausgabe der Liste 30 Orte, sowohl Städte und Dörfer als auch Berge, mit chinesischen Namen. Laut der Zeitung Global Times, Sprachrohr der Kommunistischen Partei, erfolgten die Umbenennungen «im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des Staatsrats zur Verwaltung von Ortsnamen». Mehr noch, die Richtlinien verlangen folgendes: «Ortsnamen in Fremdsprachen, die Chinas Gebietsansprüche und Souveränitätsrechte beeinträchtigen könnten, dürfen nicht ohne Genehmigung direkt zitiert oder übersetzt werden.
Proteste der indischen Regierung, dass Arunachal Pradesh selbstverständlich integraler Bestandteil Indiens ist, wurden von einem chinesischen Regierungssprecher zurückgewiesen. Die Umbenennungen seien im Einklang mit «der Souveränität Chinas» erfolgt, denn die «Region Süd-Tibet» befinde sich «auf chinesischem Territorium».
Global Times, 1. April 2024
Reuters, 2. April 2024
19. März 2024
Chinesische Hacker-Gruppe attackiert tibetische Organisationen
Betroffen sind Tibeterinnen und Tibeter in mehreren Ländern, so auch in Taiwan, Australien und den USA. Im September 2023 kompromittierte Evasive Panda die Internetseite des in Indien beheimateten Kagyu International Monlam Trust, der das Mönlam-Fest in Bodhgaya organisiert und daher das Interesse zahlreicher Individuen und Organisationen anzieht. Die Internetseite wurde mit einem Schadencode versehen, der die Computer aller infiziert, die diese Seite besuchen. Die Schadsoftware konnte danach sensible Daten auslesen, einschliesslich Computer-Name, Nutzername, MAC- und IP-Adressen.
Weiterhin infizierte die Gruppe die Internetseite eines indischen Software-Entwicklers, der Übersetzungsprogramme für die tibetische Sprache produziert. Wer diese Übersetzungs-Software herunterlud, übertrug Schadprogramme auf die eigenen Rechner, die diese für weitere Angriffe öffneten.
Laut der Cybersecurity-Firme ESET hat Evasive Panda eindeutige Wurzeln in China und ist seit 2012 im Bereich der Computerspionage aktiv. Sie zielte bisher auf Individuen auf dem chinesischen Festland, Hongkong, Macao und Nigeria, sowie auf staatliche Einrichtungen und Organisationen in Taiwan, Vietnam und den Philippinen. Zu den Opfern gehört auch das Georgia Institute of Technology. Ein Forscher wurde beispielsweise in China inhaftiert, um die Herausgabe seiner Forschungsergebnisse zu erzwingen
Freilassungen, neue Verhaftungen und Überwachung nach Protesten gegen Staudamm-Projekt
Nach den Protesten gegen das geplante Staudamm-Projekt im Bezirk Dege und zahlreichen Festnahmen [vergl. Tibet-Information vom 27. Februar 2024; UM] wurde eine erste Gruppe von 40 Personen wieder aus der Haft entlassen, aber verbunden mit strikten Auflagen. Sie dürfen keinen Kontakt mit Personen ausserhalb des Bezirks aufnehmen und sich auch nicht zwischen den vom Dammbau betroffenen Dörfern und Klöstern frei bewegen. Es wurden hingegen der Administrator des von Überflutung bedrohten Klosters Wonto, Tenzin, und ein Dorfvorsteher mit Namen Tamdrin festgenommen. Beide seien laut Informanten von Radio Free Asia in einem Gefängnis in der Provinz Sichuan interniert und schwer misshandelt worden.
Die Polizei führt laut Informanten ihre Festnahmen laufend fort. Das Internet in der Region ist abgeschaltet, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Intensiv würden von allen Bewohnern ihre Konten bei den sozialen Medien wie WeChat und TikTok kontrolliert, ob von dort Nachrichten über die Proteste verschickt wurden. Besonderes Augenmerk gelte der Suche nach denjenigen, die mutmasslich das Video über die Polizeiaktion anlässlich der ersten Protestaktion aufgenommen hätten.
Wörtlich sagte ein Informant von Radio Free Asia, die ganze Region sei wie ein «offenes Gefängnis».
Radio Free Asia, 7. März 2024
Video: https://youtu.be/47m5sQ1GS5k
27. Februar 2024
Über 1000 Verhaftete nach Protest gegen Staudamm-Projekt
Die Proteste richteten sich gegen den geplanten Bau des Gangtuo-Damms am Drichu, der einer der Zuflüsse des Yangtze-Flusses ist. Der Damm ist Teil eines grossen Projekts, das mit 13 Staustufen insgesamt 13'920 Megawatt an Energie produzieren soll. Dafür würden die Bewohner von zwei Dörfern zum Umzug gezwungen und 6 Klöster überflutet. Darunter befindet sich das Wonto-Kloster mit alten Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert. Das Kloster hält traditionell jedes Jahr kurz nach dem tibetischen Neujahr die Chotrul Duchen Zeremonie («Zeremonie der Wunder») ab, die nach den Verhaftungen ausfiel.
Die Proteste begannen, soweit bekannt, am 14. Februar, als sich 300 Tibeter vor dem Gebäude der Bezirksverwaltung von Dege versammelten und in Sprechchören den Ausstieg aus dem Projekt forderten. Regierungskader forderten die Protestierenden auf, ruhig zu sein, da sie in der Angelegenheit des Dammbaus nichts zu sagen hätten. Ein in das Ausland geschmuggeltes Video zeigt, wie die Polizei die Protestierenden, die teils auf Knien um den Ausstieg bitten, bedrängt und misshandelt.
Speziell trainierte Polizeieinheiten wurden am 22. Februar in die Region entsandt, wo sie die Verhaftungen durchführten. Dabei wurden mehrere Gefangene so schwer misshandelt, dass sie in Spitalpflege gebracht werden mussten. Als sich Angehörige vor den Haftzentren versammelten und die Freilassung forderten, wurden sie auch verhaftet. Andere Quellen berichten, den Verhafteten seien zusätzliche Nahrung und Wasser verweigert worden, worauf es bereits einzelne Todesfälle gäbe.
Radio Free Asia, 22., 23. und 24. Februar 2024
Video: https://youtu.be/47m5sQ1GS5k
Chinesisches Militär vertreibt Hirten von ihrem Weideland
Ein von einem Nomaden heimlich aufgenommenes Video zeigt, wie chinesisches Militär Hirten mitsamt ihren Herden von ihren traditionellen Weiden vertreibt. Der Vorfall ereignete sich am 2. Januar im Hochland nahe der indischen Grenze nach Ladakh.
Während im Hintergrund die Sirenen der Militärfahrzeuge zu hören sind, rufen Nomaden den Soldaten zu, dieses sei ihr traditionelles Weideland. Ein Nomade nimmt eine Schleuder, um einen Stein Richtung Militärfahrzeuge zu schiessen, ansonsten sind keine gewaltsamen Akte bekannt. Die Region ist Teil der «Pufferzone» zwischen Indien und dem von China kontrollierten Tibet. Die Situation ist wegen früherer Zusammenstösse zwischen chinesischem und indischem Militär angespannt.
Nach Angaben des Nomaden, der den Vorfall auf Video festhielt, hat das chinesische Militär bereits früher eine von drei Weideregionen für Hirten gesperrt, und nun würden offenbar auch die beiden verbliebenen Regionen geschlossen. Ein Mitglied der indischen Lokalbehörden nahe der Grenze sagt, die von der Regierung vorgenommene Parzellierung des tibetischen Weidelandes und auch die zunehmenden Aktivitäten des Militärs nahe der indischen Grenze hätten inzwischen zu einer ernsten Verknappung der Weideflächen geführt.
Radio Free Asia, 4. Februar 2024
Video: https://www.rfa.org/english/news/tibet/herders-and-soldiers-02022024155051.html
9. Februar 2024
«Anti-Betrugs-App» und Daten-Integration: China verstärkt elektronische Überwachung in Tibet
Ein gerade publizierter Bericht von Turqouise Roof, einer investigativen Gruppe über Tibet, und der SecDev Group, einer Spezialistin für Cyber-Sicherheit, dokumentiert eine neue Phase der elektronischen Überwachung in Tibet. Der Bericht stützt sich auf eine IT-Analyse der neuen «Anti-Betrugs-App», die alle Nutzer in Tibet obligatorisch installieren müssen, sowie öffentlich zugängliche Dokumente über Aufträge an Anbieter von Plattformen zur Integration und Analyse von «Big Data».
Erstmals im September 2023 wurden Berichte von Tibetern publik, die bei Polizeikontrollen auf Strassen an Ort und Stelle zwingend eine «Anti-Betrugs-App» auf ihren Telefonen installieren mussten. Vorgeblich soll diese App vor betrügerischen Aktivitäten im Cyberspace schützen. Die Analyse durch SecDev zeigte aber, dass die Software Zugriff auf sensitive persönliche Daten und Kontrolle über bestimmte Funktionen erhalten kann. Damit wären z.B. der Zugang zu Fotos oder die Aufzeichnung von Gesprächen möglich. Beim ersten Gebrauch müssen sich die Benutzer durch ein Foto ihrer Identitätskarte auf dem Telefon identifizieren und der App die Suche nach anderen installierten Programmen gestatten. Speziell sucht die App das Telefon ab, ob Nutzer auf ausländische Finanzportale wie Bloomberg zugreifen. Neben der sofortigen Installation während der häufigen Polizeikontrollen auf Überlandstrassen werden auch jedwede Versammlungen zum Anlass genommen, dass die Anwesenden die App installieren müssen.
Dazu baut das Büro für Öffentliche Sicherheit für seinen exklusiven Zugriff eine Datenplattform mit dem komplizierten Namen «Tibet Underworld Criminal Integrated Intelligence Application Platform» auf. Diese Plattform integriert mehrere einzelne Datenbanken in Tibet. Sie basiert auf Programmen des amerikanischen Software-Konzerns Oracle. Die Datenbank kann anhand gespeicherter Personendaten verwandtschaftliche Beziehungen einzelner Personen oder deren soziales Netzwerk ermitteln, um mittels Künstlicher Intelligenz Muster für «kriminelle Aktivitäten» zu erkennen. Bereits seit 2018 wird von den Behörden häufig der Begriff «Kräfte der Unterwelt» benutzt, um auf politisch missliebige Aktivitäten hinzuweisen, und es sind Belohnungen zur Denunziation solcher «Kräfte» ausgesetzt [vergl. Tibet-Information vom 29. September 2018; UM].
Oracle antwortete nicht auf eine Bitte der Autoren um Stellungnahme, und die chinesische Botschaft in Washington sprach von «grundlosen Anschuldigungen».
Voice of America, 7. Februar 2024
Kompletter Bericht: https://turquoiseroof.org/weaponising-big-data-decoding-chinas-digital-surveillance-in-tibet/
«Wiederbelebung ländlicher Regionen»: Tibet soll Fleischproduktion intensivieren
Im April 2021 publizierte das Ministerium für Landwirtschaft einen «Fünfjahres-Aktionsplan zur Förderung der Entwicklung der Rind- und Schaffleischerzeugung». Dieser Plan bezieht sich nicht nur auf Tibet, sondern auch auf andere Regionen Chinas. Ein Bericht der International Campaign for Tibet zeigt Details dieses Plans und weist auf soziale und ökologische Folgen hin.
Die Initiative zur Steigerung der Fleischproduktion könnte eine Antwort auf den Zusammenbruch der Schweinefleisch-Industrie in China sein. Etwa die Hälfte der Mastschweine musste 2018 wegen einer grassierenden Virusinfektion getötet werden oder verendete am Virus. Ein weiterer Faktor kam seit 2023 dazu: die fehlenden Importe von Rindfleisch aus Brasilien nach einem Ausbruch von Rinderwahnsinn.
Zur Steigerung der Fleischproduktion in Tibet insbesondere von Yaks und Schafen nennt der Plan eine Reihe von Massnahmen, um die Ziele zu erreichen. Anstatt lebenslang auf Weideland frei zu grasen, werden Tiere nach ihrer ersten Lebensphase in Lastwagen in Mastzentren gefahren. Dort erhalten sie in Boxen entsprechende Ernährung, um möglichst rasch maximale Gewichtszunahme vor dem Schlachten zu erhalten. Laut Plan sollen Schafe nicht länger als 12 Monate, und Yaks nicht länger als 24 Monate leben.
Traditionell schlachteten Nomaden nur so viele Tiere, wie sie für ihr eigenes Leben benötigten. Vom Tier wurde alles verwertet, während in der industriellen Produktion nur das Muskelfleisch verarbeitet wird; der Rest des getöteten Tieres wird überwiegend fortgeworfen. Neben grossen Schlachthöfen sieht der Plan auch die Entwicklung von Verpackungsanlagen und Kühlketten zum Abtransport vor.
Neben den ökologischen Folgen wie CO2-Emissionen durch den Lastwagentransport, den nötigen Import von Sojabohnen als Futtermittel aus den USA und Brasilien und den Methanausstoss durch Gülle macht der Bericht auch auf soziale Folgen aufmerksam.
In der Kette zwischen der Zucht und dem Mästen bis zur Fleischverarbeitung und Transportlogistik haben Tibeter nur eine kleine Nische für sich: die Zeit, während die Tiere nach Geburt bis zum Abtransport frei auf Weideland grasen können. Alle anderen Produktionszweige sind in chinesischer Hand. Die tibetische Bevölkerung wird damit weiter degradiert, weg von der nomadischen Lebensweise zu Lohnempfängern in einer Produktionskette für Fleischwaren.
International Campaign for Tibet, https://savetibet.org/national-parks-rural-revitalization/
2. Februar 2024
Neues Gesetz für «Patriotische Erziehung»
Unter dem Eindruck des Aufstandes auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 hatte die Volksrepublik China eine Kampagne zur «Patriotischen Erziehung» lanciert. Das am 1. Januar 2024 in Kraft getretene neue Gesetz institutionalisiert eine bereits seit Langem gehandhabte Praxis und schafft dafür einen legalen Rahmen.
Ziel des Gesetzes sind die «Führung der Kommunistischen Partei hochzuhalten", ihren Ideologien zu folgen und die «Liebe zur Nation, zur Partei und zum Sozialismus» zu pflegen. Die wichtigsten Inhalte der «Patriotischen Erziehung» sind:
- Die Geschichte der Kommunistischen Partei, die Entwicklung Chinas und die sozialistische Entwicklung.
- Ideologien vom Marxismus-Leninismus bis zum «Xi Jinping-Gedanken».
- Die Merkmale und Errungenschaften des «Sozialismus mit chinesischen Merkmalen».
- «Traditionelle, revolutionäre und sozialistische Kulturen».
- Nationale Symbole, wie die Flagge und die Hymne.
- Landschaften und kulturelles Erbe.
- Die Verfassung und die Gesetze.
- Die Taten von «Helden und Märtyrern».
Abgesehen von Institutionen der Regierung sind Gewerkschaften, Frauenvereinigungen, Schulen, und Eltern zu solcher Erziehung aufgerufen. Das Gesetz nimmt auch religiöse Vereinigungen, Auslandschinesen und Einwohner Hongkongs, Macaus und Taiwans in die Pflicht. Zur Vermittlung der Inhalte sollen Museen, nationale Feiertage, Gedenkveranstaltungen und Medienplattformen beitragen; unter Letzteren sind explizit Internet-Anbieter aufgerufen.
China Neican Newsletter, 17. Januar 2024
“Archäologie der Grenzregionen”: China bemüht neue Argumente für Herrschaftsansprüche
Um seinen Herrschaftsanspruch nicht nur über Tibet, sondern auch über Ost-Turkestan (chin. Xinjiang) und die Südmongolei - also Regionen, die «schon immer zu China gehörten - zu rechtfertigen, hat die Volkrepublik China schon seit Langem historische Argumente vorgebracht. Neu ist nun, dass sogar die Archäologie herangezogen wird.
Im Januar publizierte die Global Times, Sprachrohr der Kommunistischen Partei, einen Artikel mit dem Titel «Ein halbes Jahrzehnt Grenzarchäologie bringt bedeutende Entdeckungen hervor und offenbart eine vielfältige und doch geeinte chinesische Zivilisation».
Der Artikel beschreibt zwei archäologische Fundstätten in Tibet. Die eine liegt in der Präfektur Nagchu im Norden Tibets, die andere nahe Lhasa. Die gefundenen Artefakte sollen Beleg sein für eine menschliche Besiedlung bereits vor 30'000 bis 40'000 Jahren und auf eine frühe «Migration und Adaptation an die Höhenlage» sein. Offengelassen wird, von wo diese «Migration» erfolgte, aber der Kontext im Artikel suggeriert, dass es von China aus geschah.
Ähnliche Funde aus Ost-Turkestan (Xinjiang) und der Südmongolei, also weit ausserhalb der historischen Grenzen von China, sollen laut einem führenden Archäologen «lebendige Belege für Chinas Austausch mit anderen Kulturen» sein und die im chinesischen Kernland erhobenen Befunde ergänzen.
Der Bericht der Global Times rief indische Sorgen hervor, damit könne die Volksrepublik China auch territoriale Ansprüche auf die tibetisch geprägten Regionen im Norden von Indien anmelden. Die Times of India zitiert eine Studie aus Ladakh, die zeigt, dass die dortige Bevölkerung eine starke genetische Verwandtschaft mit der tibetischen und indischen Ethnie aufweist, aber keine mit China. Weiter werden archäologische Studien aus Ladakh und Zanskar angeführt. Die noch wenig erforschten Fundstätten aus der Bronzezeit sollen auf einen intensiven Austausch mit Indien hinweisen, während derjenige mit China minimal sei.
Firstpost, 27. Januar 2024
Dorfkader müssen chinesischen Sprachunterricht nehmen
Der westlich von Lhasa gelegene Bezirk Nyemo wurde als «Modellregion» für die Förderung der chinesischen Sprache und «ethnische Einheit» ausgezeichnet. Bereits seit 2 Jahren hatte das dortige lokale Parteikomitee Dorfkader in mehreren Gruppen zum Sprachunterricht in chinesische Regionen entsandt. Sie erhielten nach Abschluss der Schulung jeweils offizielle Zertifikate. Weiter wurden auch Betriebe und Regierungsstellen aufgefordert, Parteimitglieder, Lehrpersonal und sogar Schulkinder auf Studienreisen nach Beijing, in die Provinz Hebei und andere Regionen zu senden, um das Lernen der «gemeinsamen Nationalsprache» zu fördern.
Umgekehrt wurden in abgelegenen Regionen mobile Parteischulen errichtet, die angeblich 15'000 Kader und die übrige Bevölkerung erreichten. Auch «mehrere hundert» Hirten und Bauern wurden mittels «täglichem Lernen mit Partnern, wöchentlichem Selbststudium und monatlichem intensiven Training» unterrichtet.
Parteimitglieder und Kader müssen verpflichtend eine chinesisch-tibetische Übersetzungs-Software installieren, um «Kommunikationsbarrieren» zu überwinden und «ein Gespür für die Einheit der chinesischen Nation» zu entwickeln.
International Campaign for Tibet, News Roundup 1/2024
United Front, 27. Dezember 2023
11. Januar 2024
Thermo Fisher stellt Verkauf von DNA-Testmaterial nach Tibet ein
In einer Mitteilung an die Aktionäre teilt die US-Firma Thermo Fisher mit, dass alle Verkäufe von Material für das DNA-Testen in Tibet per 31. Dezember 2023 eingestellt werden. Im September 2022 hatten die Organisationen Human Rights Watch und Citizen Lab berichtet, dass die Behörden systematisch DNA-Proben in allen Regionen Tibets sammeln. Dieses betrifft offenbar alle Altersklassen, beginnend im Kindergartenalter ab 5 Jahren. Es gibt keine Hinweise, dass die Betroffenen über die Verwendung aufgeklärt werden oder eine reale Möglichkeit hätten, die Probenentnahme abzulehnen. Offiziell wird die Sammlung damit erklärt, dass Verbrechen aufgeklärt, vermisste Personen gefunden werden und die «soziale Stabilität» gestärkt wird. Basierend auf einer systematischen Auswertung von 100 öffentlich zugänglichen Quellen fand Citizen Lab, dass bis 2022 insgesamt zwischen 900'000 und 1.2 Millionen Proben entnommen wurden, was etwa einem Viertel bis einem Drittel der gesamten Bevölkerung Tibets entspricht [vergl. Tibet-Information vom 22. September 2022; UM].
Die Ankündigung der Einstellung der Verkäufe folgte auf eine lange Kampagne einer Koalition von Tibet-Gruppen, kritischen Aktionärsgruppen und Mitgliedern des US-Kongresses. Der CEO von Thermo Fisher, Marc Casper, hatte seit September 2022 die Verkäufe beharrlich damit verteidigt, dass ihre Zahl der «in dieser Region zu erwartenden Verbrechensrate» entspräche. Er ging nicht darauf ein, dass schon allein der Besitz eines Fotos des Dalai Lama oder kritische Äusserungen in sozialen Medien aus Sicht der Polizei ein «Verbrechen» darstellen. Auch in der jetzigen Mitteilung an Aktionäre hielt Marc Casper an seiner Rechtfertigung fest, begründete die Einstellung aber mit «einer Reihe anderer Gründe», ohne diese im Detail zu schildern.
Citizen Lab, 13. September 2022 – ausführlicher Bericht: https://citizenlab.ca/2022/09/mass-dna-collection-in-the-tibet-autonomous-region
Axios, 3. Januar 2024
Wissenschaftliche Publikationen über DNA-Tests an uighurischer und tibetischer Bevölkerung zurückgezogen
Die Analyse der DNA der uighurischen und tibetischen Bevölkerung war allein schon für den Gebrauch durch die Polizei zur angeblichen «Verbrechensbekämpfung» kritisiert worden, da das massenhafte Speichern von Daten «auf Vorrat» ohne konkreten Fall erfolgte. Werden DNA-Tests für wissenschaftliche Publikationen verwendet, muss nach allgemeinen ethischen Massstäben die «Declaration of Helsinki» beachtet werden. Gemäss diesem weltweit anerkannten ethischen Standard für Forschung an Menschen müssen unter anderem die Freiwilligkeit der Probenabgabe, die umfassende Aufklärung der Betroffenen über den Verwendungszweck der von ihnen erhobenen Daten, das Recht auf Verweigerung der Entnahme, und die Aufklärung über die Datenspeicherung sichergestellt sein. Thermo Fisher beruft sich in ihren eigenen internen ethischen Richtlinien explizit auf die «Declaration of Helsinki».
Bereits 2019 hatten die renommierten Verlage «Nature» und «Wiley» Publikationen über Untersuchungen der DNA in Tibet und Xinjiang (Ost-Turkestan) zurückgezogen, da erhebliche Zweifel bestanden, ob die geltenden ethischen Richtlinien eingehalten wurden. Im Juni 2023 wurden vom Verlagshaus «Elsevier» und vom Journal «Forensic Sciences Research FSR» (das vom chinesischen Justizministerium gesponsert wird) zwei weitere Publikationen zurückgezogen. Auch hier konnte nicht die Einhaltung der Prinzipien der «Declaration of Helsinki» belegt werden. Einer der Co-Autoren in beiden Publikationen hat Verbindungen zur Polizeihochschule von Xinjiang. Thermo Fisher hatte bereits 2019 die Verkäufe von DNA-Testmaterial nach Xinjiang eingestellt.
Die tibetische Bevölkerung zeigt eine genetische Variante, die als Adaptation auf die Höhenlage einen besseren Sauerstoff-Transport im Blut ermöglicht – was auf ein mögliches militärisches Interesse Chinas an DNA-Daten hindeuten könnte.
Nature News, 6. Dezember 2019
The Guardian, 29. Dezember 2023
Kloster darf keine Mönche mehr aufnehmen
Das Kloster Khyungbum Lura im Bezirk Markham im Osten Tibets darf ab sofort keine neuen Mönche mehr aufnehmen. Das Kloster ist mit derzeit 80 Mönchen eines der grössten der Gelug-Tradition, der auch der Dalai Lama angehört. Während der chinesischen Invasion hatte das Kloster während 6 Jahren erbitterten Widerstand geleistet, bis es eingenommen und nahezu komplett zerstört wurde. Die lokale Bevölkerung und die Mönche hatten in den 1980er Jahren, während einer relativ liberalen Ära in Tibet, das Kloster grösstenteils selbst wieder aufgebaut. Bisher durften in Klöster landesweit gemäss den Regeln der Nationalen Kommission für Religiöse Angelegenheiten lediglich keine Mönche eintreten, die jünger als 18 Jahre alt sind.
Radio Free Asia, 3. Januar 2024
Schulkindern wird privater Unterricht in tibetischer Sprache verboten
Das chinesische Erziehungsministerium hat in allen Regionen Tibets an ein seit 2021 geltendes Verbot hingewiesen, dass während der Winterferien Schulkinder keinen privaten Unterricht in tibetischer Sprache oder Kultur nehmen dürfen. Auch sind ihnen religiöse Aktivitäten untersagt. Ausdrücklich werden stichprobenartige Kontrollen in allen Landesteilen angekündigt, ob das Verbot eingehalten wird. Das Ministerium wies lokale Behörden an, dieses Verbot rigoros durchzusetzen und zu jeder Tages- und Nachtzeit Kontrollen durchzuführen. Zwar seien private Unterrichts-Angebote während der Ferien grundsätzlich erlaubt, aber sowohl das Lehrpersonal als auch die teilnehmenden Kinder bedürften einer vorherigen behördlichen Genehmigung.
In Lhasa schilderten die Behörden in einem Dekret detailliert, was Eltern und Lehrkräfte während der Ferien unterrichten dürfen. Gemäss Informanten von Radio Free Asia führen die Behörden im Bezirk Yushu im Norden Tibets nicht nur Kontrollen durch, sondern befragen auch Kinder, was ihnen privat während der Ferien unterrichtet wird.
Traditionell hatten Eltern und Klöster diesen privaten Unterricht während der Ferien angeboten, damit die Kinder nicht völlig der tibetischen Kultur entfremdet werden.
Radio Free Asia, 9. Januar 2024