Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya
15. Dezember 2008
Chinas „Golden Shield“ Projekt – perfektionierte elektronische Überwachung
Die Zeitung Taiwan News zitiert einen chinesisch-sprachigen Artikel der Zeitschrift Liberty News, der von der Fertigstellung eines elektronischen Überwachungssystems in China berichtet. Das Projekt unter dem vielfältig gebrauchten Namen „Golden Shield“ ziele darauf ab, ein umfassendes Überwachungsnetzwerk des Internet- und Mobilfunk-Verkehrs mit einer Datenbank zu kombinieren.
Die Funktionalität des Überwachungssystems erstrecke sich nicht nur auf das Abhören und Speichern der Internet- und Mobilfunk-Kommunikation. Es habe auch weiter reichende Funktionen, indem es zum Beispiel unerwünschte Blogs (Einträge auf Internetplattformen und –seiten) löschen und regierungsfreundliche Beiträge in Diskussionsforen stellen könne. Auch sei es in der Lage, Virus- und Hacker-Attacken gegen „feindliche“ Internetseiten zu generieren.
Etwa 300‘000 Regierungsangestellte würden das System warten und betreiben. Auch werde geplant, die Überwachung durch die landesweite Aufstellung von 200’000 Kameras zu ergänzen.
Mit „Golden Shield“ wurde im Jahre 1998 begonnen. Eine erste Version wurde 2003 in Dienst gestellt, zeigte aber technische Mängel. So sei es Protestierenden im Juni 2007 noch gelungen, via SMS etwa 20‘000 Demonstranten gegen die umstrittene Errichtung einer chemischen Fabrik in der Provinz Xiamen zu mobilisieren, bevor die Sicherheitsbehörden das Mobilfunknetz lahmlegen konnten.
Internet-Attacke auf die Webseite der französischen Botschaft in Beijing
Eine erste Kostprobe der Fertigkeiten von „Golden Shield“ könnte kürzlich die französische Botschaft in Beijing erlebt haben. Für mehrere Tage seit dem Treffen von Präsident Sarkozy mit dem Dalai Lama am 6. Dezember war die Webseite der Botschaft lahmgelegt. Der Server brach nach Angaben eines ungenannten Botschaftsangestellten unter einer massiven Zahl von Anfragen zusammen. Diese Anfragen seien in Wellen vor allem nachts gekommen und hätten die Kapazität des Servers überfordert.
Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums tat die Vermutung, dass Regierungsstellen hinter der Attacke stehen könnten, als „Spekulation“ ab.
Willkürliche Verhaftungen, Schliessungen von Schulen und Gesundheitszentren
Nach zuverlässigen Informationen aus Tibet hat im November eine neue Welle von Verhaftungen in Lhasa begonnen. Geheimdienstagenten würden gemeinsam mit Kräften des Public Security Bureau (PSB) Häuser durchkämmen und willkürliche Verhaftungen vornehmen. Die Gründe für die Verhaftungen bleiben unklar, und die Verhafteten seien bisher nicht freigelassen worden.
Am 22. November soll sich nochmals eine kleine Protestaktion in Lhasa ereignet haben. Vier Nonnen und eine unbekannte Anzahl von Jugendlichen hätten am zentralen Barkhor-Platz einen kurzen Protest gestartet, seinen jedoch sofort von Sicherheitskräften brutal geschlagen und dann festgenommen worden. Ihre Identität und ihr Verbleib sind unbekannt.
In der ost-tibetischen Autonomen Präfektur Karze, einem der Hauptzentren der diesjährigen Protestaktionen, wurde am 1. Dezember ein Dekret veröffentlicht, das die Schliessung von nicht-staatlichen Schulen und Gesundheitszentren ankündigt. Offensichtlich haben die Behörden den Verdacht, dass von dort Protestaktionen ausgehen würden. Betroffen sind auch mehrere hoch angesehene Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, die dort von zwei Tulkus (Wiedergeborenen), Khangsar Kyabgyon Tulku und Lamdag Tulku, betrieben werden.
Quellen: Taiwan News/Liberty Times; AFP; Tibetan Culture & News Online
1. Dezember 2008
Ende des tibetisch-chinesischen Dialogs – China zeigt kompromisslose Härte
Beide Seiten – die Tibetische Regierung im Exil und auch die chinesische Regierung – gaben offiziell bekannt, dass der bisherige Dialog, der seit 2002 über acht Runden führte, beendet ist. Nachdem die Delegierten während der letzten Runde im November ein detailliertes Memorandum über „genuine Autonomie“ präsentiert hatten, wurde dieses prompt und scharf von Beijing zurückgewiesen.
Die regierungsoffizielle Zeitschrift „Tibet Daily“ beschrieb den Vorschlag als „gleichbedeutend mit Unabhängigkeit“. Und weiter: „Der vom Dalai Lama vorgeschlagene sogenannte ‚Mittlere Weg‘ ist ein unverhüllter Ausdruck für Unabhängigkeit und bezweckt ganz offfen einen verabscheuungswürdigen Anschlag gegen den Lauf der Geschichte...Überall im ‚Mittleren Weg‘ erkennt man Verzerrungen der Geschichte, Verkennung von Fakten sowie Verletzungen unserer Verfassung und Gesetze.“ Auch die Tibetische Regierung im Exil beendete den Dialog offiziell und erklärte, es würden keine weiteren Gesandten nach China reisen.
Nicht weniger aggressiv zeigte sich China auch, nachdem der französische Präsident Sarkozy bekannt gegeben hatte, dass er am 6. Dezember den Dalai Lama treffen will. China sagte kurzfristig das EU-China-Gipfeltreffen ab, das für den 1. Dezember geplant war. Laut offizieller Stellungnahme sei China zu diesem drastischen Schritt „gezwungen, weil es nicht länger zu ertragen ist, dass Staatsoberhäupter so leichtfertig ihre Anerkennung dem Anführer einer sezessionistischen Bewegung erweisen.“
Fortsetzung der Politik des Mittleren Weges unter Führung des Dalai Lama
Die mehr als 500 Delegierten der ausserordentlichen Konsultativkonferenz, die sich Mitte November in Dharamsala getroffen hatten, erklärten zum Abschluss mehrheitlich ihre Unterstützung für den Mittleren Weg. Jedoch fügte die Abschlusserklärung einige warnende Worte an China an: „In Anbetracht des bisherigen Verhaltens der chinesischen Regierung wurden auch nachdrücklich Meinungen vorgebracht, die Entsendung der Sondergesandten einzustellen und die vollkommene Unabhängigkeit oder Selbstbestimmung anzustreben, falls sich in naher Zukunft kein Ergebnis abzeichnet.“
Der Dalai Lama wurde ausdrücklich aufgefordert, sich nicht zurückzuziehen, sondern die Bewegung weiter anzuführen. Diese müsse auf jeden Fall weiter dem Prinzip der Gewaltlosigkeit folgen.
Die Abschlusserklärung ist im vollen Wortlaut in englischer Sprache verfügbar unter: http://www.tibet.net/en/index.php?id=546&articletype=flash&rmenuid=morenews.
Google unterstützt chinesische Tibet-Propaganda
Nutzer der populären Suchmaschine Google machten im November eine erstaunliche Entdeckung. Wenn Internetseiten aufgerufen wurden, die irgendetwas mit China oder mit Tibet zu tun hatten, erschien häufig auf Werbebannern ein Link zum regierungsoffiziellen China Tibet Information Center. Diese Werbebanner erschienen auch auf anderen Google-eigenen Plattformen wie Youtube oder Google Reader und lenkten Nutzer auf den Link http://eng.tibet.cn, der Chinas offizielle Version über Tibet portraitiert.
Quellen: AP; Bloomberg; Shanghaiist
11. November 2008
Gesandte zurück aus China, ohne Stellungnahme – „Keine Autonomie für Tibet“
Nach zweitägigen Gesprächen sind die Gesandten des Dalai Lama nach der achten Dialogrunde wieder aus China zurückgekehrt. Dort hatten sie wie vorab angekündigt ein Memorandum über die Autonomie Tibets präsentiert. Die Delegierten gaben nach ihrer Rückkehr keine Kommentare an die Medien ab; erst nach Beendigung der ausserordentlichen Konsultativkonferenz mit tibetischen Repräsentanten, die vom Dalai Lama und der Regierung im Exil einberufen wurde und vom 17. bis 22. November in Dharamsala stattfinden soll [vergl. Tibet-Information vom 19. September 2008; UM], werde es eine Medienerklärung geben. Unterdessen erklärte unmittelbar nach Abreise der Gesandten der Vorsitzende der United Front, einer Regierungsorganisation, die von chinesischer Seite für die Dialogrunden verantwortlich ist, dass eine Autonomie für Tibet nicht in Frage käme. Wörtlich sagte er: „Es ist unmöglich, das Tibet unabhängig, halb unabhängig oder in versteckter Weise unabhängig wird... Der Dalai Lama sollte den Lauf der Geschichte akzeptieren, die Realität ins Auge fassen und seinen politischen Standpunkt von Grund auf ändern...Wir hoffen, dass der Dalai Lama einen Weg wählt, der dem Land, dem Volk, der Geschichte und ihm selbst dienlich ist.“ China werde Tibet keine Autonomie unter dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ wie mit Hongkong oder Macao erlauben. „Wir werden niemand erlauben, das Banner einer ‚wahren nationalen Autonomie‘ hochzuhalten und damit die Einigkeit der Nation zu beschädigen.“
Während ihres Aufenthaltes in China hatten die Gesandten auch die muslimisch geprägte Autonome Region Ningxia besucht und mit Vertretern von Chinas Autonomen Regionen Gespräche geführt.
Der Dalai Lama erklärte während seines kürzlichen Japan-Besuches, der ersten Reise nach seiner Operation, dass er selbst an der Konsultativkonferenz nicht teilnehmen werde. „Die Dinge entwickeln sich nicht gut. Ich muss das Scheitern akzeptieren... Ich freue mich auf meinen Ruhestand.“
China eröffnet Kader-Akademie für tibetische Mönche
Mit einem Aufwand von umgerechnet 11 Millionen US-Dollar errichtet China eine Akademie, die „linientreue“ Mönchskader ausbilden soll. Die Akademie wird am Stadtrand von Lhasa entstehen. Damit ist diese Akademie die erste regierungsoffizielle Institution über den tibetischen Buddhismus, die sich innerhalb von Tibet befindet. Alle anderen Institutionen wurden in China angesiedelt.
Laut regierungsoffizieller Medienmeldung soll die Akademie „patriotisches und strenggläubiges religiöses Personal“ ausbilden, das sich durch „religiöse Verwirklichung und starken moralischen Charakter“ auszeichnet. Die Akademie soll „Forschung über den tibetischen Buddhismus betreiben und einen Brückenschlag für den Austausch von religiösen Praktiken ausserhalb der abgeschlossenen Region Tibet bilden.“
Die Motive zur Gründung dieser Akademie liegen damit auf der Hand: hier sollen nicht nur regimetreue Mönche ausgebildet werden, sondern ebenso wichtig ist die Wirkung auf die „feindlichen Kräfte“ im Ausland. Oder, wie es das kürzlich publizierte Weissbuch über Tibet formulierte: „Der Dalai Lama, seine Clique und die antichinesischen Kräfte im Westen konspirieren, um die ethnische Gruppe der Tibeter und ihre Kultur in einem mittelalterlichen Zustand stagnieren zu lassen.“
Quellen: AP; China Post (Taiwan);Times of India
28. Oktober 2008
Hat der Dalai Lama resigniert und zieht sich zurück?
Entsprechende Äusserungen des Dalai Lama in seiner ersten öffentlichen Rede in Dharamsala nach nach seiner kürzlich überstandenen Operation entzündeten weltweit Spekulationen. In seiner Rede anlässlich des Jubiläums des Tibetan Childrens Village hatte er in ungewöhnlich brüsker Weise gesagt, er „gebe auf“. Hier sind seine Äusserungen in Auszügen [nicht-autorisierte Übersetzung aus dem Englischen; UM]: „Ich habe für lange Zeit bis jetzt im Umgang mit China ernsthaft den für beide Seiten nützlichen Mittleren Weg verfolgt, doch es hat keine positive Antwort von der chinesischen Seite gegeben. Nun habe ich die Tibetische Regierung im Exil als legitime demokratische Vertretung im Exil gebeten, in Konsultation mit dem tibetischen Volk über den weiteren Weg des Dialogs zu entscheiden...Angesichts dessen, dass es seitens der chinesischen Führung in einem angemessenen Zeitraum keine adäquate Antwort gab, scheint meine Position als Dalai Lama zu einem Hindernis zu werden, anstatt eine Hilfe zur Lösung für Tibet darzustellen... Soweit es mich betrifft, habe ich aufgegeben.“
Diese Äusserungen erscheinen nur wenige Tage vor der möglichen achten Dialogrunde seiner Gesandten überraschend und haben weltweit Spekulationen ausgelöst. Offenbar habe die chinesische Führung nun endgültig entschieden, auf den Tod des Dalai Lama zu warten und hoffe danach auf eine Schwächung der Tibeter durch die resultierende Uneinigkeit. Hat der Dalai Lama wirklich angesichts der Erfolglosigkeit des Mittleren Weges und ständiger Schmähungen durch die chinesische Führung resigniert und will sich zurückziehen? Oder ist diese Äusserung vielmehr wohl kalkuliert, um den Fokus der Diskussion auf das Wohlergehen des tibetischen Volkes zu lenken? China hatte stets das persönliche Schicksal des Dalai Lama in der Vordergrund gestellt, um von der Unterdrückung in Tibet abzulenken. Oder ist es ein „Weckruf“ an die Tibeter, ihr Schicksal stärker in die eigene Hand zu nehmen, anstatt alles auf den Schultern des Dalai Lama abzuladen?
Haben chinesische Provokateure die Gewaltausbrüche in Lhasa angestachelt?
Die Zeitung Pakistan News beruft sich auf britische Geheimdienstquellen, nach denen China die März-Unruhen in Lhasa absichtlich angestachelt habe, um einen Vorwand zum harten Eingreifen zu haben. Nach diesem Bericht soll die britische Aufklärungsbehörde GCHQ, die im englischen Cheltenham ein grosses Abhörzentrum betreibt, schon Wochen vor Beginn der Unruhen im März die Situation in Lhasa überwacht haben und besitze handfeste Beweise, dass die chinesische Armee als Mönche verkleidete Provokateure einschleuste, die dann den gewalttätigen Protest auslösten.
China sei schon Wochen vor den März-Unruhen über die sich häufenden kleineren, friedlichen Protestaktionen von Mönchen besorgt gewesen. So kam es in Tibet zu mehreren Manifestationen nach der Verleihung einer Auszeichnung des US-Kongresses an den Dalai Lama und zu Protesten gegen die Restriktionen während der tibetischen Neujahrsfeiern im Februar [vergl. Tibet-Informationen vom 7. und 27. Februar 2008; UM]. Um eine Verstärkung der Proteste in den letzten Monaten vor der Olympiade zu verhindern, sei dann beschlossen worden, als Mönche verkleidete Agenten zu verwenden, die zur Gewalt anstacheln und den Vorwand zum harten Durchgreifen liefern sollten.
Quellen:Time Magazine; The Independent; Pakistan News
17. Oktober 2008
Acht Mönche wegen „Bombenattentat“ zu langjähriger Haft verurteilt
Acht Mönche aus dem osttibetischen Kloster Thangkya wurden wegen eines angeblich von ihnen am 23. März verübten Bombenanschlages zu langen Haftstrafen verurteilt; zwei von ihnen zu lebenslänglicher Haft. Die Explosion vor einem staatlichen Gebäude hatte nur Sachschaden angerichtet. Alle Beteiligten hätten laut offiziellen Angaben ein „Geständnis“ abgelegt.
Das Verfahren gegen die Mönche wurde gemeingehalten und ohne faire juristische Regeln durchgeführt. Vom Zeitpunkt ihrer Verhaftung an bis zur ihrer Verurteilung war den Mönchen jeglicher Zugang zu ihren Angehörigen und einem Rechtsbeistand versagt.
Die Verwandten der Mönche rechneten damit, dass sie nach der Olympiade freigelassen würden. Statt dessen wurden die Mönche nach den Spielen verurteilt, ohne dass ihre Verwandten über den Urteilsspruch in Kenntnis gesetzt worden wären. Üblicherweise werden die Angehörigen der Angeklagten über die Art der Anklagen informiert, ebenso wie über die Verurteilung.
Argwohn und Verdächtigungen gegen Tibeter in China nehmen zu
Ein halbes Jahr nach den Protesten in Tibet herrscht immer noch eine grosse Spannung zwischen den Bevölkerungsgruppen. Tibeter und Uiguren werden in grossem Masse diskriminiert. Teilweise ist dieser Umstand der bewussten Desinformation und der massiven Propaganda der chinesischen Behörden zuzuschreiben, durch die der chinesische Nationalismus und die Feindseligkeit gegenüber den Tibetern geschürt wurden.
Tibeter und Uighuren werden einzig wegen ihrer Volkszugehörigkeit als verdächtige Personen angesehen. Es gibt viele übereinstimmende persönliche Augenzeugenberichte über den Zusammenbruch der Kommunikation zwischen tibetischen oder uigurischen und chinesischen Kollegen an verschiedenen Arbeitsplätzen.
Ein gerade aus Lhasa zurückgekehrter Besucher berichtete, dass die Tibeter sich nun überall anhaltendem Argwohn und Missachtung ausgesetzt sehen. Selbst wenn Tibeter in offiziellem Auftrag von Geschäftspartnern in Beijing oder Chengdu eingeladen werden und nach China reisen, lassen Taxis sie einfach stehen oder fordern sie auf, auszusteigen, sobald sie ihre Ethnizität an ihrer Aussprache entdeckt haben; oder ‚leere’ Hotels haben plötzlich keine Zimmer frei. Ein Ausländer, der in Beijing war, erzählte, die Fahrgäste hätten einen Bus fluchtartig verlassen, als ein tibetischer Mönch zugestiegen sei.
In einer offiziellen Mitteilung werden sämtliche Hotels und öffentlichen Badehäuser im Haidian-Bezirk von Beijing angewiesen, die „Umstände“ aller tibetischen und uigurischen Gäste genau im Auge zu behalten und ihre Anwesenheit sofort der Polizei zu melden. Haidian ist die Gegend um die Universität, zu der auch die Zentrale Nationalitäten-Universität gehört, an der viele tibetischen Studenten studieren.
Quellen: Free Tibet Campaign (modifizierte deutsche Übersetzung durch IGFM München)
6. Oktober 2008
Chinesische bewaffnete Polizei misshandelt Mönche des Klosters Kirti
Ein Vorfall, der sich am 24. September im Kloster Kirti in der tibetischen Region Amdo (chin. Provinz Sichuan) abspielte, ist symptomatisch für die gegenwärtige Situation in Tibet. Wie die Free Tibet Campaign aus einer verlässlichen Quelle erfuhr, wurden am 24. September bis zu 50 Mönche von der bewaffneten Polizei (Peoples‘ Armed Police; PAP) schwer misshandelt. Fünf von ihnen mussten sogar ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Diesem Bericht zufolge ist das Kloster Kirti von paramilitärischen Kräften umringt, die an verschiedenen Stellen innerhalb der äusseren Begrenzung des Klosters stationiert sind. In jeder der umzäunten Stationen befinden sich etwa 10-15 Polizisten. Jenseits der Polizeistellungen wurde eine Markierungslinie um das Gelände gezogen, über die sich die Mönche nicht ohne Erlaubnis hinausbewegen dürfen. Ein Mönch des Klosters Kirti hatte an jenem Tag das Klostergebäude verlassen, um zur Toilette zu gehen, aber angeblich die Linie nicht überschritten.
Der Mönch wurde bei einer dieser Stellungen von den PAP-Soldaten angehalten, als er zum Klostergebäude zurückging. Diese beschuldigten ihn, den erlaubten Bereich verlassen zu haben, und schlugen auf ihn ein, obwohl er beteuerte, dass er die äussere Markierung nicht überschritten habe. Dem blutenden Mönch gelang es, einen zu dem Kloster gehörenden Speisesaal zu erreichen, wo sich etwa 50 andere Mönche befanden. Daraufhin gingen zwei von ihnen zu der nächsten Polizei-Station und forderten Auskunft. Die bewaffneten Volkspolizisten bedrohten jedoch die Mönche, indem sie vor ihren Augen scharf in die Luft und auf den Boden schossen.
Zwei andere Mönche in dem Speisesaal erklärten der bewaffneten Polizei, es sei absurd, dass sie die Mönche bestraften, nur weil sie das Gebäude verlassen, um zur Toilette zu gehen. Sie baten die Polizei, ihre Vorgesetzten anzurufen, um die Angelegenheit zu klären. Einer der Polizisten rief daraufhin an. Kurz danach trafen zwei Lastwagen voller paramilitärischer Kräfte bei dem Kloster ein. Sie waren mit Gewehren, Schaufeln und sogar Hackmessern bewaffnet. Die Mönche legten sie sich flach auf den Boden und zogen ihre Umhänge aus, um zu beweisen, dass sie unbewaffnet waren. Obwohl sich die Mönche völlig gewaltfrei verhielten, schlugen die Polizisten brutal mit Gewehrkolben, Schaufeln und sogar mit den Hackmessern auf sie ein. Fünf der Mönche wurden derart übel zugerichtet, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten.
Die Behörden halten den gesamten Bezirk Ngaba seit März unter strenger Kontrolle. In dieser osttibetischen Region ereignen sich nach wie vor die häufigsten Protestaktionen.
Internet-Spezialisten entdecken gigantisches Überwachungssystem in China
Spezialisten von Citizen Labs, einer Forschergruppe an der Universität Toronto, haben ein ausgeklügeltes Überwachungssystem in China aufgedeckt, das den Internet-Verkehr über Skype kontrolliert. Acht miteinander vernetzte Computer in China haben über eine Million Mitteilungen abgefangen, die zensierte Wörter wie „Tibet“, „Falun Gong“, „unabhängiges Taiwan“, aber auch „Milchpulver“ (unter dem Aspekt der kürzlich entdeckten Verseuchung mit Melamin) enthielten. Die Forscher konnten über eine Sicherheitslücke in das Computersystem von TOM-Skype, ein Gemeinschaftsunternehmen einer chinesischen Kommunikationsfirma mit dem Skype-Eigentümer eBay, eindringen. Dieses System überwacht Nachrichten, die über das Telefon- und Textnachrichtensystem von Skype innerhalb Chinas, aber auch in das Ausland, ausgetauscht werden. Die Software blockiert die Übermittlung der zensierten Wörter und speichert eine Kopie der Nachricht im Zentralcomputer. So konnten die Absender dieser Nachrichten identifiziert werden. Dieses betrifft offenbar nicht nur die insgesamt 69 Millionen registrierten Nutzer in China, sondern auch Teilnehmer im Ausland, die mit chinesischen Partnern kommunizierten. In nur 2 Monaten archivierten die Computer 166‘000 Nachrichten von 44‘000 Nutzern. Dieses widerspricht einer Zusicherung von Skype, dass der Nachrichtenaustausch geschützt sei.
Quellen: Free Tibet Campaign (modifizierte deutsche Übersetzung durch IGFM München); New York Times (Bericht von Citizen Labs unter http://www.infowar-monitor.net/breachingtrust.pdf)
19. September 2008
Dalai Lama beruft Dringlichkeitssitzung ein
Der Dalai Lama hat für Mitte November Repräsentanten der Tibeter für eine Dringlichkeitssitzung nach Dharamsala eingeladen. Nach der tibetischen Exilverfassung kann eine solche Sitzung einberufen werden, wenn es ein „Notstand oder eine signifikante Angelegenheit von öffentlichem Interesse“ erfordern. Gemeinsam mit der Regierung im Exil und dem Exilparalament werden die Liste der Eingeladenen, Ort, Zeit und Agenda bestimmt.
Der Kreis der eingeladenen Repräsentanten wird relativ gross sein; es sind dieses nicht nur die Mitglieder des Exilparlaments, sondern auch Intellektuelle, Vertreter aller religiösen Schulen, NGOs, sowie Leiter der tibetischen Siedlungen in Indien und tibetischer Organisationen im Ausland.
Der Dalai Lama erklärte, dass er diese Sitzung angesichts der gegenwärtigen Krisensituation in Tibet und der internationalen Lage einberufen habe und eine breite Diskussion über die Zukunft Tibets erwarte.
Achte Runde des Dialogs mit China – entscheidend für die Fortsetzung
Voraussichtlich noch vor dieser Dringlichkeitssitzung wird im Oktober die achte Dialogrunde mit China stattfinden. Die Tibetische Regierung im Exil kündigte an, dass der Ausgang dieser Dialogrunde über die Fortsetzung oder den Abbruch entscheiden werde.
Kharma Choepel, Sprecher des Exilparlaments, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Ich denke, die Gespräche werden weitergehen, aber es sind nur Gespräche über Gespräche. Sie [China] werden uns nicht wirklich etwas geben, keine Zugeständnisse machen... Wenn wir in der achten Runde einen Hoffnungsschimmer sehen, dann wird es eine neunte Runde geben, sonst nicht.“
Nepal ändert seine Haltung gegenüber illegal im Land lebenden Tibetern
Die neue maoistische Regierung in Kathmandu will zukünftig alle illegal in Nepal lebenden Tibeter nach Tibet deportieren. Diese Ankündigung wurde kurz nach einem Besuch des neuen Premierministers und früheren maoistischen Rebellenführers, Prachanda, in Beijing gemacht.
Insgesamt leben etwa 20‘000 Tibeter in Nepal. Es ist unbekannt, wieviele von ihnen dort ohne offiziellen Status leben. Die ersten Ankömmlinge nach dem tibetischen Volksaufstand im Jahre 1959 erhielten noch Flüchtlingsdokumente, die späteren Ankömmlinge wurden nach einem inoffiziellen „Gentleman Agreement“ dem UN-Flüchtlingszentrum in Kathmandu zugeführt, das für die sofortige Weiterreise in das indische Exil sorgte.
Der Beschluss zur Deportation nach Tibet wird allgemein als abschreckende Geste gegen die fast täglichen Proteste der Exiltibeter vor der chinesischen Botschaft in Kathmandu gesehen. Seit den Unruhen in Lhasa im März d.J. wurden insgesamt über 10‘000 vor der Botschaft protestierende Tibeter von Sicherheitskräften festgenommen, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Offenbar auf chinesischen Druck wird jetzt die Gangart verschärft.
Das Innenministerium in Nepal kündigte jetzt an, dass 106 Protestierende festgenommen wurden, aber anstatt sie rasch wieder freizulassen würden jetzt ihre Dokumente überprüft. Falls sie sich illegal in Nepal aufhielten, würden sie nach Tibet deportiert.
Quellen: Reuters; CNN
19. August 2008
Tibeter landet wegen Dokumentarfilm in chinesischem Gefängnis
Der 37jährige Amateur-Regisseur Dhondup Wangchen und sein Helfer, der Mönch Golog Jigme, wurden – wie erst jetzt durch einen Appell zur Freilassung durch Verwandte bekannt wurde – bereits am 26. März festgenommen, weil sie insgeheim Tibeter in der osttibetischen Region Amdo und auch in anderen Teilen des Hochplateaus interviewten und dabei filmten. Die beiden reisten in entlegene Gegenden und nahmen von Oktober 2007 bis März 2008 über 35 Stunden Interviews auf. Die Filmemacher reisten unter einem Pseudonym Tausende von Kilometern und fragten Tibeter, was sie in Wahrheit über den Dalai Lama, über China und die Olympischen Spiele denken. Sie stellten den Interviewten frei, ihr Gesicht zu verhüllen, aber fast alle der 108 interviewten Personen erklärten sich damit einverstanden, dass ihr Gesicht gezeigt würde.
Die Bänder wurden am 10. März in die Schweiz gebracht, wo Wangchens Cousin den Schnitt besorgte. Daraus entstand der Dokumentarfilm „Leaving Fear Behind“ („Die Furcht überwinden“). Weitere Informationen sind unter /www.leavingfearbehind.com zu finden.
Der Film wurde am 6. August, kurz vor Beginn der Olympischen Spiele, in einem Hotel in Beijing der Presse vorgeführt. Allerdings wurde die Vorführung nach Intervention von Beamten des Büros für Öffentliche Sicherheit (Public Security Bureau, PSB) abgebrochen, die das Hotelmanagement unter Druck setzten. Der Reporter des New Zealand Herald, der die Vorführung besuchte, berichtet, dass das Hotel wenige Stunden später geschlossen wurde.
Über das Schicksal der beiden Verhafteten ist wenig bekannt. Sie wurden zuletzt in Gefangenenlagern in den Provinzen Xinghai und Gansu gesehen.
Umstrittenes Umsiedlungsprogramm soll Nomaden sesshaft machen
Die chinesische Regierung kündigte ein weiteres grosses Umsiedlungsprogramm an, das in den nächsten 5 Jahren in der „Autonomen Präfektur“ Kanlho (chin.: Gannan) über 70‘000 Nomaden sesshaft machen soll. Diese sollen aus den Weidegründen im Quellgebiet des Gelben Flusses in permanente Wohnungen ziehen. Die Massnahme wird offiziell mit Überweidung begründet.
Bedenklich ist, dass sich gerade in dieser Region die hartnäckigsten Proteste seit dem März-Aufstand abspielten. Starke Polizei- und Armee-Einheiten wurden seitdem in mehrere Orte der Präfektur verlegt, wo sich diese Aktionen ereigneten. Am 8. August soll auch das in einem lokalen Kloster angesetzte rituelle „Hirschtanz-Fest“ verboten worden sein.
In den Jahren 2006 und 2007 siedelte China allein etwa 250‘000 Tibeter in sogenannte „sozialistische Dörfer“ um [vergl. Tibet-Information vom 10. Mai 2007; UM]. Erfahrungsgemäss werden die Betroffenen bei solchen Massnahmen nicht nach ihrer Meinung gefragt, und diese müssen für einen grossen Teil der Kosten für die Unterkünfte selbst aufkommen, so dass sich nicht wenige Familien erheblich verschulden. Der Umzug bedeutet oft, dass zahlreiche Tiere geschlachtet werden müssen. Viele der neuen Unterkünfte haben schwere bauliche Mängel, und es ist für die Betroffenen schwer, neue Arbeit zu finden. Bis 2010 sollen nach Regierungsangaben etwa 80 Prozent der tibetischen Bauern und Viehzüchter in permanenten Unterkünften leben.
Quellen: US Tibet Committee (adaptierte deutsche Übersetzung durch IGFM München); Phayul
7. August 2008
Vor Beginn der Olympiade in Bejing:
Gespannte Situation in Tibet
Radio Free Asia berichtet, dass die Klöster und wichtige öffentliche Plätze in Lhasa und Umgebung unter ständiger Kontrolle der Sicherheitskräfte stehen. Von mehreren grossen Klöstern nahe Lhasa verlautet, dass sie von Sicherheitskräften hermetisch abgeriegelt sind. Kein Mönch darf die Klöster verlassen, und umgekehrt dürfen diese auch nicht von Aussenstehenden betreten werden. Alle grösseren Strassenkreuzungen in Lhasa werden von Sicherheitskräften bewacht.
Kürzlich hatte die Kommunistische Partei eine entsprechende Aufforderung publiziert, um „eine angenehme Situation für die Touristen und eine harmonische Umgebung in Tibet zu schaffen“.
Erzwungene „Jubelfeiern“ in Tibet und gefälschte Filme über gewalttätige Tibeter
THCRD erwähnt einen Fall, der für viele steht. In einer osttibetischen Gemeinde wurde den Bewohnern befohlen, ein Sommerfest zu organisieren, bei dem die Tibeter ihre traditionellen Kleider tragen und Lieder und Tänze aufführen sollten. In der Anordnung hiess es weiterhin, dass mindestens eine Person aus jedem Haushalt teilnehmen müsse, anderenfalls würde eine Geldstrafe erhoben.
Am Tag der Probeaufführung am 25. Juli merkten die Behörden jedoch, dass die Lieder versteckte Botschaften enthielten, die den Dalai Lama lobten und die Lage in Tibet beklagten. Sie erklärten daraufhin alle Lieder für nicht genehmigt, ordneten an, neue Liedertexte zu verfassen und verschoben das Fest um drei Tage. Mehrere der anwesenden Tibeter protestierten, verteilten Flugblätter und forderten alle Tibeter auf, nach Hause zu gehen. Diese packten ihre Sachen und die Zelte ein und liessen die Regierungvertreter allein dastehen. Vier der Anstifter des Protestes seien verhaftet worden.
In der Gegend von Rutok in Westtibet seien die Behörden dabei, ein gefälschtes Video zu drehen, das zeigt, wie chinesische Soldaten friedlich und gewaltlos Widerstand leisten gegen eine Schar „gewalttätiger tibetischer Mönche“, die sie angreifen. Zu diesem Zweck hatten sich einige Soldaten als Mönche verkleidet. Bereits im Mai wurde ein ähnlicher Film im osttibetischen Kham gedreht.
Hotels in Beijing sollen Spionage-Software installieren
Reuters zitiert ein regierungsoffizielles Dokument, das Hotels in Beijing auffordert, Vorrichtungen zum Ausspionieren von Hotelgästen zu installieren. Mit diesen Vorrichtungen soll der Internetgebrauch der Olympiagäste kontrolliert werden. Das Dokument begründet diese Massnahme damit, dass damit eine „reibungslose Eröffnung der Olympischen Spiele und der Expo in Shanghai sowie die Sicherheit des Hotelnetzwerkes und Informationszugangs gewährleistet“ werden soll.
Gesandte wollen „Roadmap“ zur Autonomie Tibets präsentieren
In einem Interview mit dem „Spiegel“ kündigte einer der Gesandten des Dalai Lama an, dass die tibetische Seite in der nächsten Runde des Dialogs im Oktober einen detaillierten Fahrplan zur tibetischen Autonomie präsentieren wolle. Kelsang Gyaltsen war zuversichtlich, dass China zu einer Lösung bereit sei und berief sich auch auf Informationen aus chinesischen Militärkreisen, die eine konziliante Haltung der Regierung in der Tibetfrage forderten. Er sagte wörtlich: „In der achten [Dialog-]Runde geht es um alles oder nichts... Wir werden einen detaillierten Plan zur Autonomie vorlegen...Wenn China positiv reagiert, könnten wir spezifische vorläufige Schritte vorschlagen wie zum Beispiel eine Pilgerreise des Dalai Lama nach China... Solch eine Entwicklung könnte dann zu einem Treffen des Dalai Lama mit dem chinesischen Präsidenten führen und damit dem Prozess den entscheidenden Schwung verschaffen.“
Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy TCHRD (adaptierte deutsche Übersetzung durch IGFM München); Radio Free Asia; Reuters; Der Spiegel
28. Juli 2008
Mysteriöse Explosionen in einem osttibetischen Kloster
Bei einem mysteriösen Zwischenfall sollen zwei Mönche aus dem berühmten Kloster Gonchen im osttibetischen Derge ihr Leben verloren haben. Die Darstellungen des Zwischenfalls sind noch widersprüchlich.
Laut einer Quelle hätten am 12. Juli Sicherheitskräft das Feuer auf die Mönche eröffnet. Als die Behörden die Mönche an der diesjährigen Aufführung der rituellen Cham-Tänze hindern wollten, sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, woraufhin die Sicherheitskräfte auf die unbewaffnete Mönchsversammlung geschossen hätten.
In einem anderen unbestätigten Bericht ist die Rede von einer Detonation im Kloster, bei der eine unbekannte Zahl von Mönchen umgekommen oder schwer verletzt worden sein soll. Unklar ist, ob sich die beiden Zwischenfälle, also die Schüsse und die Explosion, gleichzeitig ereigneten und welchem genau die Mönche zum Opfer gefallen sind. Bestätigt wurde jedoch der Tod eines etwa 40jährigen und eines weiteren 20jährigen Mönches. Es habe auch Verletzte gegeben, deren Zustand teilweise als kritisch bezeichnet wurde. Die Explosion soll heftig gewesen sein. Die chinesischen Behörden verschärften daraufhin die Restriktionen für das Kloster und verhängten ein Versammlungsverbot.
Die Provinzregierung von Sichuan veröffentlichte am 22. Juli eine Stellungnahme, die den Mönchen die Schuld an der Explosion gab. In einem Lagerraum für wertvolle Ritualgegenstände seien illegal grösse Mengen von Schwarzpulver gelagert worden. Dieses hätten die Mönche zu ihren religiösen Ritualen gebraucht und es durch einen elektrischen Kurzschluss entzündet. In der Stellungnahme heisst es auch, die Behörden hätten weitere 716 kg des Schwarzpulvers aus anderen Lagerräumen des Klosters beschlagnahmt, die nun in staatlichen Besitz überführt wurden. Ausserdem hätte das Kloster 29 altertümliche Gewehre, die bei religiösen Ritualen Verwendung fanden, den Behörden übergeben.
Dieser Bericht wirft allerdings einige Zweifel auf. Die Verwendung von Schwarzpulver für religiöse Rituale ist im tibetischen Buddhismus unbekannt. Auch ist nicht einsichtig, wieso Mönche in einem Raum für wertvolle sakrale Gegenstände ausgerechnet explosive Stoffe lagern sollten.
China plant umfassende „Reinigung“ in tibetischen Klöstern
Laut einem Dekret aus der osttibetischen Präfektur Kandze steht Klöstern eine drastische Kampagne zur Auslöschung des Widerstandes bevor. Möglicherweise wird die Kampagne von Kandze, wo es die hartnäckigsten Protestaktionen seit März gab, später auf ganz Tibet ausgeweitet.
Laut Dekret werden alle Mönche, die ihre Einstellung und Verhalten nicht ändern, aus den Klöstern fortgewiesen oder verhaftet. Äbte und andere Personen in leitenden Positionen, die sich den „Umerziehungsmassnahmen“ verweigern, werden entlassen und durch Regierungsangestelle ersetzt. Interessanterweise werden allen anderen Klöstern, die solche Personen nach ihrer Wegweisung aufnehmen, ebenfalls schwere Sanktionen angedroht - auch dann, wenn diese bereits unter regierungstreuer Leitung stehen. Letzters könnte andeuten, dass die Regierung ihren eigenen in den Klöstern bereits eingesetzten Kadern nicht ganz über den Weg traut.
Drastische Massnahmen werden auch Klöstern angedroht, wenn eine grössere Zahl ihrer Mönche – das Dekret spricht von 10 bis 30 Prozent - entweder in Protestaktionen involviert war oder solches Verhalten nach „Umerziehung“ weiter zeigt. Solche Klöster müssen alle religiösen Aktivitäten einstellen, ihre Mönche und Nonnen werden speziell überwacht, und sie müssen sich einer Loyalitätsprüfung zur Wiederzulassung unterziehen. Wenn sie die Prüfung nicht bestehen, werden sie fortgewiesen und ihre Unterkünfte zerstört.
Quellen:Tibetan Solidarity Committee; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (adaptierte deutsche Übersetzung durch IGFM München); The Telegraph
22. Juli 2008
Dialog mit China am Ende?
Nach dem ergebnislosen Ende der letzten Dialogrunde machen Stellungnahmen sowohl von der chinesischen Regierung als auch von den Gesandten des Dalai Lama wenig Hoffnung auf Resultate oder auf eine Fortsetzung.
Die chinesische Regierung stellte nach der letzten Runde kategorisch fest, dass der politische Status Tibets nicht zur Diskussion stehe. Ein Regierungssprecher erklärte: „Die Zentralregierung wird niemals die Zukunft Tibets mit dem Dalai Lama diskutieren. Wir können mit ihm seine eigene Zukunft und diejenige von einigen seiner Unterstützer besprechen.“ Darüber hinaus wiederholte er eine alte Bedingung des verstorbenen Deng Xiaping, dass der Dalai Lama willkommen sei, „sofern er als chinesischer Staatsbürger zur Entwicklung Chinas beitragen“ wolle. „Er muss als chinesischer Staatsbürger zurückkommen. Unabhängigkeit, Semi-Unabhängigkeit oder versteckte Unabhängigkeit stehen vollkommen ausser Frage.“ Der Regierungssprecher sprach dem Dalai Lama auch jede Legitimität ab, für die Tibeter zu sprechen. „Ich denke nicht, dass [er] legitimiert ist, Tibet zu repräsentieren. Falls es je so war, dann vielleicht vor 1959.“ Die während der letzten Dialogrunde von den Gesandten vertretenen politischen Standpunkte seien der Sichtweise der Zentralregierung „diametral entgegensetzt“.
Diese Stellungnahme unterläuft die vom Dalai Lama seit Jahren vertretene Position, dass das Wohlergehen der Tibeter im Vordergrund stehe und seine persönliche Zukunft nebensächlich sei. Auf der anderen Seite erklärte der Gesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, vor dem Europäischen Parlament: „Wir sehen keinen Nutzen darin, den Dialog fortzusetzen, da es offensichtlich seitens der chinesischen Führung an politischem Willen mangelt, das Tibet-Problem ernsthaft anzugehen.“ In einem Tagesspiegel-Interview schränkte er diese Stellungnahme etwas ein, und gab an, dass es keinen Sinn mache, den Dialog „in seiner gegenwärtigen Form“ fortzusetzen. So habe man eingewilligt, sich dennoch zur nächsten Dialogrunde im Oktober zu treffen. Kelsang Gyaltsen machte aber keine Angaben, in welcher anderen Form der Dialog zu mehr Erfolg führen könnte.
Ultimatum an tibetische Kader
Eine neue Verordnung stellt allen tibetischen Partei- und Regierungskadern ein Ultimatum, ihre Kinder von Bildungseinrichtungen im Exil zurückzuziehen, die von der „Dalai Clique“ betrieben werden. Die neue offizielle Verordnungdroht den tibetischen Parteimitgliedern und Regierungsbediensteten mit dem Parteiausschluss oder Verlust des Arbeitsplatzes, wenn sie ihre Kinder nicht innerhalb von zwei Monaten nach Tibet zurückholen.
Die Verordnung wird damit begründet, dass die „Dalai Clique den Kindern und Jugendlichen jahrelang freien Unterricht, Unterkunft und Verpflegung angeboten hat, um sie dazu verleiten, Tibet zu verlassen und Schulen und Klöster im Exil zu besuchen. Die Dalai Clique hat es auf die diese jungen Menschen, welche die Zukunft aufbauen werden, abgesehen und lockt sie mit günstigen Bedingungen in die Schulen und Klöster im Exil, um die Partei und Regierung herauszufordern.“ Die Kader sollten auch freiwillig bei den betreffenden Regierungsinstanzen oder der Partei vorstellig werden und eine Erklärung abgeben, um mildernde Umstände in Anspruch nehmen zu können und keine Strafe auf sich zu ziehen.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Verordnung erlassen wurde. Seit 1994 gab es mehrere Verordnung mit Strafandrohungen, denen zufolge Eltern ihre Kinder aus Indien zurückrufen mussten. Für etliche dieser Kinder bedeutete dies das Ende ihrer Schulausbildung.
Quellen: The Australian; Tagesspiegel; AFP; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD) in adaptierter deutscher Übersetzung durch IGFM München
4. Juli 2008
Siebte Gesprächsrunde: Gesandte des Dalai Lama in Beijing
Inmitten heftigster Attacken in der offiziellen Presse gegen den Dalai Lama fand am 1. und 2. Juli die auf zwei Tage angesetzte 7. Gesprächsrunde zwischen den Gesandten des Dalai Lama und der regierungsseitigen „United Front“ in Beijing statt. Über Ort und Agenda machten regierungsoffizielle Stellen in Beijing keine Angaben. Laut Medienberichten sollen die Gesandten aber auch mit einem „hochrangigen Funktionär der Kommunistischen Partei“ gesprochen haben.
Zum ersten Mal allerdings bestätigten die offiziellen chinesischen Medien die Existenz dieser Gespräche. Xinhua berichtete über Gespräche mit „privaten Vertretern“ des Dalai Lama und zitiere die chinesische Regierung, dass „die Tür zum Dialog immer offen“ sei, vorausgesetzt der Dalai Lama höre auf, die Durchführung der Olympiade zu „sabotieren“, und er distanziere sich vom „terroristischen“ Tibetan Youth Congress.
Spekulationen: Einladung nach China oder Blockade durch „Hardliner“?
Noch gibt es vonseiten der Gesandten keine Medienerklärung über den Ausgang der Gespräche, doch wuchern bereits wilde Spekulationen in den Medien.
Einige Medien gehen von einem Scheitern der Gespräche aus. Sie beziehen sich auf die heftigen verbalen Attacken gegen den Dalai Lama, die während der laufenden Gespräche in Beijing publiziert wurden und darauf hinweisen, dass die „Hardliner“ gegen jeden Kompromiss Stimmung machen. Auch zitieren sie die Mitteilung von Xinhua, die mit dem Hinweis endet, die Gespräche könnten laut Regierung „vor Ende dieses Jahres fortgesetzt werden, vorausgesetzt der Dalai Lama bewege sich „in eine positive Richtung“.
DNA India will „aus informierten Kreisen“ erfahren haben, dass konkret eine Einladung an den Dalai Lama besprochen wurde, noch vor Beginn der Olympiade China zu besuchen. Ob diese angesichts der heftigen Opposition der „Hardliner“ aber eine Chance auf Realisierung hatte, bleibt bislang unklar.
Ausländische Beobachter machten darauf aufmerksam, dass beide Seiten in den vergangenen Wochen deutliche Signale einer Annäherung abgegeben hätten. So rief die Tibetische Regierung im Exil die Tibeter im Ausland dazu auf, nicht mehr vor chinesischen Botschaften zu demonstrieren. Tibeter im Ausland führten Gebetsveranstaltungen für die Opfer des Erdbebens in Sichuan durch, und der Dalai Lama lobte das Krisenmanagement der chinesischen Regierung. Umgekehrt entliess die Regierung etwa 1‘000 Verhaftete der März-Unruhen aus den Gefängnissen.
Gleichzeitig heftige Attacken gegen den Dalai Lama in chinesischen Medien
Gleich mehrere chinesische Medien warteten zu Beginn des Dialogs mit verbalen Breitseiten auf. In einem Interview mit der regierungsoffiziellen Zeitschrift “Tibet Daily” wiederholte der Vorsitzende der Kommunistischen Partei in Tibet, der zu den „Hardlinern“ zählende Zhang Qingli, seine Vorwürfe: „Der Vorfall vom 14. März war schon lange vorher von der Dalai-Clique geplant; unterstützt und angezettelt durch feindliche westliche Kräfte.“ Zhangs Stellungnahme gipfelte in der Unterstellung, diese Kräfte hätten ganz bewusst ein „Blutbad“ geplant.
Bei Xinhua endete ein namentlich gezeichnter Kommentar mit folgender Stellungnahme: [deutsche Übersetzung von IGFM München; UM]: Die jetzige chinesische Regierung ist sehr höflich ihm [dem Dalai Lama; UM] gegenüber. Hätte er in der Ming oder Qing Dynastie gelebt, dann hätte die Regierung überhaupt nicht mit ihm gesprochen, sondern gleich einen General beauftragt, ihn und seine Bande zu vernichten.
Quellen: Reuters, Xinhua; DNA India
27. Juni 2008
Tibet ist wieder für ausländische Touristen geöffnet
Ab sofort ist Tibet für ausländische Reisende zugänglich. Die Verhältnisse seien "reif", um wieder Gäste willkommen zu heissen, hat der Leiter der tibetischen Touristenbehörde in Lhasa laut China News Service bekannt gegeben. Das Reisen in Tibet sei nun sicher. Der "reibungslose" olympische Fackellauf durch Lhasa und auf den Mount Everest habe die "gesellschaftliche Stabilität" in Tibet bewiesen.
Fackellauf: Details über Behinderungen in der Berichterstattung
Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ beklagt die massiven Behinderungen in der Berichterstattung während des Olympischen Fackellaufs in Lhasa und berichtet über Details. Nur etwa 50 Journalisten seien für die Berichterstattung zugelassen worden, von ihnen seien die Hälfte „handverlesene“ Medienschaffende aus Macao, Hongkong und Taiwan gewesen. Reporter aus den USA und Grossbritannien seien überhaupt nicht zugelassen worden.
Der Reuters-Korrespondent beklagte sich, dass die Journalisten nicht den Jokhang-Tempel besuchen durften und entgegen ihrem Wunsch stattdessen zum Potala-Palast und Sera-Kloster gebracht wurden. Auch dort wurden sie bei ihrer Arbeit behindert: „ Eine grosse Zahl von uniformierten Polizisten und solchen in Zivil filmte jede unserer Bewegungen, und wir konnten nur sehr wenige Mönche befragen.”
Beim Start des Fackellaufes im Norbulingka, dem früheren Sommerpalast des Dalai Lama, wurden die Reporter im Garten festgehalten, durften den Läufern nicht folgen und auch mit niemandem reden. Sie wurden später in einem Fahrzeug zur Abschlussveranstaltung vor dem Potala-Palast gebracht. Auf die Frage, warum in der Stadt kein Geschäft geöffnet war, wurde ihnen geantwortet, dass diese immer samstags geschlossen seien – was nicht stimmt. Ein Reporter gab an: „Der Lauf war eine traurige Angelegenheit.“ Er habe fast nur Han-Chinesen und Uiguren gesehen, die am Strassenrand standen, aber kaum Tibeter. Ein Bericht im kanadischen „Globe and Mail“ darüber, der in das Internet gestellt wurde, war kurz darauf für den Zugang aus China blockiert.
Nicht anders erging es den Reportern beim Fackellauf in Kashgar in der Provinz Xinjiang. Es sei ihnen nicht erlaubt worden, mit Einwohnern zu sprechen. Die Polizei verhinderte jeden Versuch der Journalisten, die für sie reservierte „Sicherheitszone“ zu verlassen. Sie erhielten eine Informationsschrift mit dem Hinweis, dass sie bei „unvorhergesehenen Ereignissen“, wie zum Beispiel einer Demonstration, sofort vom Ort weg eskortiert würden.
IOC kritisiert Rede des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei in Tibet
Entegen seiner sonst immer betont unpolitischen Haltung kritisierte das IOC eine Rede des als Hardliner bekannten lokalen Parteivorsitzenden in Tibet, Zhang Qingli. Dieser hatte bei der Abschlussveranstaltung des Fackellaufs in Lhasa in seiner Rede gesagt, dass „sich am Himmel über Tibet nichts ändert und dort für immer die rote Fahne mit den fünf Sternen wehen wird... Wir werden sicher die spalterischen Aktivitäten der Dalai-Lama-Clique zerschlagen.” Eine IOC-Sprecherin teilte mit, dass das IOC das Organisationskommitee daran erinnere, Politik und Sport zu trennen, und dass solches nicht noch einmal geschehen solle.
Fiat muss sich in China für Werbung mit Richard Gere entschuldigen
Kürzlich lancierte Fiat einen Werbefilm mit Richard Gere für sein neues Modell des Lancia Delta. Der Spot von 45 Sekunden zeigt Richard Gere, wie er dieses Fahrzeug von Hollywood bis vor den Potala-Palast fährt. Dort trifft er auf einen als tibetischen Mönch gekleideten Jungen. Beide drücken ihre Hände in den Schnee, und der Slogan „Die Kraft, anders zu sein“ erscheint. Richard Gere ist einer der engeren Freunde des Dalai Lama. Fiat beugte sich dem offiziellem Druck und distanzierte sich in einer Medienmitteilung von dessen „sozialen und politischen Ansichten“.
Quellen: Der Spiegel; Reporter ohne Grenzen; The Independent; Reuters
24. Juni 2008
Lhasa: Olympischer Fackellauf hinter Stacheldraht
Am 21. Juni fand der umstrittene Fackellauf in Lhasa in einer komplett abgesperrten Umgebung statt. Der tibetische Teil des Fackellaufs war kurzfristig von drei Tagen in mehreren Städten auf einen Tag nur in Lhasa verkürzt worden, und der Termin wurde bis zuletzt geheim gehalten.
Entlang der von Sicherheitskräften streng bewachten Strecke vom Norbulingka, dem Sommerpalast des Dalai Lama, bis zum Potala-Palast, standen hinter über die Strassen verlegten Nagelbändern, Absperrgittern und Stacheldraht nur ausgewählte Besucher. Ausländische Berichterstatter beschreiben die Stadt als „nahezu leergefegt“ und „in einer Atmosphäre der Angst“. Die Anwohner entlang der insgesamt 9 km langen Strecke durften ihre Wohnungen nicht verlassen, ausser sie hatten ein spezielles Dokument der Sicherheitskräfte, das sie zum Zuschauen an der Strecke legitimierte, und die Läden waren geschlossen. Pilger und Mönche waren nicht zu sehen.
Entlang der Strecke wurden mehrheitlich Han-Chinesen als Zuschauer beobachtet, die rhythmisch „Go China“ riefen. Jeder Fackelläufer war eskortiert von 4 mitlaufenden Sicherheitskräften, dazu von weiteren 4 auf Motorrädern und 20 Personen in zwei Kolonnen an beiden Seiten. Die vier mitlaufenden Sicherheitskräfte achteten peinlich darauf, dass die Fackelläufer bei den Wechseln nicht von der Strassenmitte an den Rand abwichen und schoben diese sofort wieder zurück. Nur etwas weniger als die Hälfte der 156 Läufer waren ethnische Tibeter.
Die wenigen ausländischen Journalisten, die einen Tag vorher nach Lhasa geflogen wurden, durften nur den Start und die Abschlusszeremonie beobachten und wurden durch einen mit Stacheldraht versehenen Eingang in das Areal eskortiert. Ihre Telefonverbindungen waren zeitweise blockiert.
Nepals neue Regierung verhaftet prominente Tibeter
Nepals neue, von den Maoisten dominierte Regierung hat mehrere prominente Tibeter in Kathmandu verhaften lassen. Der Leiter des vom UN-Flüchtlingskommissariat geförderten Tibetan Refugee Center, Kelsang Chung, wurde ebenso in der koordinierten Polzeiaktion festgenommen wie die Präsidentin und Vizepräsidentin der Tibetan Women Association, Ngawang Sangmo und Tashi Dolma.
Alle drei wurden für 90 Tage interniert, weil man ihnen laut Haftbefehl des Innenministeriums in Kathmandu vorwarf, hinter den seit März anhaltenden Unruhen der Exiltiber in Kathmandu zu stehen. Die Unruhen hätten laut Haftbefehl „Gesetz und Ordnung beeinträchtigt“, und wenn sie nicht endeten, würden „die freundschaftlichen bilateralen Beziehungen mit China beschädigt.“ Neben den drei Verhafteten stehen noch 9 weitere prominente Tibeter auf einer Liste von Beschuldigten. Der Repräsentant des Dalai Lama in Nepal, Trinley Gyatso, wurde bei der Polizeiaktion nicht zu Hause angetroffen und ist seitdem nicht auffindbar. Laut anderen Quellen sollen während der Aktion insgesamt 650 Tibeter verhaftet worden sein.
Ausländische Beobachter vermuten, dass die chinesische Botschaft hinter der Aktion steht. ICT zitiert Zeugen, die gesehen haben wollen, dass die teils brutalen Polizeieinsätze gegen tibetische Demonstranten, die mehrfach die Visaabteilung in der chinesischen Botschaft zu stürmen versuchten, vom chinesischen Botschaftspersonal mit gesteuert wurden. Der chinesische Botschafter in Kathmandu, Zheng Xianglin, hatte kürzlich härtere Bestrafungen gegen tibetische Demonstrante gefordert, wenn es der nepalischen Regierung wirklich ernst sei mit dem Vorgehen gegen „antichinesische Aktivitäten“.
Quellen: Deutsche Presse-Agentur; Washington Post; International Campaign for Tibet (ICT); Thaindian News; Tibet Custom (UK)
17. Juni 2008
„Patriotische Prüfung“ für Mönche
In Klöstern in der ost-tibetischen Präfektur Gannan wurde den Mönchen angekündigt, dass sie voraussichtlich im September einen „patriotischen Test“ bestehen müssen, um nicht aus den Klöstern weggewiesen zu werden. In dieser Region, in der sich besonders starke Protestaktionen ereignet hatten, waren „Arbeitsteams“ in die Klöster eingerückt und hatten mit der „patriotischen Umerziehung“ begonnen, die sich noch bis nach der Olympiade hinziehen soll.
Den Mönchen wurden Bücher zum Studium ausgehändigt, die sich mit Gesetzeskunde befassen, aber auch Kapitel enthalten, in denen der Dalai Lama herabgewürdigt wird. Ein anderes Buch mit dem Titel „Propagandamaterial“ handelt darüber „Was während der Unruhen in unserer Präfektur geschah“ oder „Geschichtlicher Abriss, wie Tibet Teil von China wurde“.
In dieser Präfektur allein waren während der Unruhen über 2000 Personen interniert worden, von denen die meisten inzwischen freigekommen sind. Die Angehörigen mussten allerdings hohe „Strafen“ für die Entlassung der Gefangenen zahlen. Die Summen beliefen sich bis auf umgerechnet Fr. 700, das Mehrfache eines Jahreseinkommens in Tibet.
Scharfe Sicherheitsvorkehrungen für Fackellauf in Provinz Xinjiang
Wie auch in Tibet wird in der mehrheitlich von Uiguren bewohnten Unruheprovinz Xinjiang der genaue Termin des Fackellaufes geheim gehalten. Das einzige, was offiziell verlautete, war seine Vorverlegung um eine Woche, ohne dass Gründe dafür gennant oder der genaue Tag bekannt gegeben wurde. Inzwischen wurden mehrere Tausend Personen vorsorglich interniert und islamische Würdenträger zu „patriotischen Erziehungssitzungen“ eingeladen, „um die Olympischen Spiele zu schützen“. Auch wurden schon seit einigen Wochen die Pässe von mehreren Personen konfisziert, so dass diese nicht mehr ins Ausland reisen können. Eine ungenannte Information von AFP, die deswegen ihr geplantes Studium im Ausland nicht antreten kann, bemerkte: „Sie haben Angst davor, dass wir uns im Ausland irgendeiner Verschwörung gegen die Spiele anschliessen.“
China behauptet, dass inzwischen mehrere terroristische Verschwörungspläne gegen den Fackellauf und die Olympiade aufgedeckt wurden. Der Fackellauf war hier wie auch in Tibet deutlich verkürzt worden und führt nun nur noch durch die Stadt Kashgar, nicht aber wie ursprünglich geplant durch drei weitere Städte.
Fackellauf in Tibet um eine Woche verschoben
Das Organisationskommitee hat nochmals eine Änderung im Ablauf in Tibet bekanntgegeben. Während der Fackellauf nach Xinjiang überraschend um eine Woche vorverlegt, aber seine Route gekürzt wurde, findet der Fackellauf in Lhasa eine Woche später als geplant statt. Ursprünglich hätte die Fackel zuerst Lhasa am 19. Juni erreichen sollen, um dann nach Xinjiang transportiert zu werden.
Jetzt wird nach allerdings unbestätigten Angaben die Fackel vom 17. – 19. Juni in Xinjiang sein, um dann am 21. Juni Lhasa zu erreichen. Das soll einer der ausgesuchten Fackelläufer für Lhasa den Medien mitgeteilt haben. Offizielle Stellen schweigen sich weiter über den genauen Tag aus, ohne Gründe zu nenen. Ein Offizieller des Organisationskommitees sagte lediglich, dass nach dem 16. Juni die Route „kurzfristig nach den Umständen“ festgelegt werde.
Quellen: Reuters; AFP
10. Juni 2008
Vermittelt Norwegen zwischen Tibetern und China?
Die norwegische Zeitung Aftenposten beruft sich auf Insider-Informationen aus dem norwegischen Aussenministerium, nach denen die norwegische Regierung schon seit mehreren Jahren unter grösster Geheimhaltung zwischen dem Dalai Lama und der chinesischen Regierung vermittelt. In die Kontakte seien nur sehr wenige Personen eingeweiht. Angeblich habe besonders China auf strengster Vertraulichkeit bestanden, denn die offizielle chinesische Sichtweise ist die, dass alles eine „innerchinesische Angelegenheit“ ist, bei der ausländische Vermittler nicht zu suchen haben.
Norwegische Diplomaten hätten sich mehrfach in Norwegen oder im Ausland mit Vertretern beider Seiten getroffen. In einem Fall sei ein norwegischer Diplomat für andere Geschäfte nach Genf gereist und hätte sich dann bei einem geheimen Abstecher „im benachbarten Ausland“ in einem Schloss mit dem Bruder des Dalai Lama getroffen. In einem anderen Fall sei extra eine ausserplanmässige Stelle für einen „chinesischen Wissenschaftler“ an der Universität von Oslo geschaffen worden. Nicht einmal die Universität habe gewusst, dass dieser „Wissenschaftler“ eigentlich ein Berater für die Bemühungen der norwegischen Diplomaten sei.
Das US-Aussenministerium sei in diese Kontakte eingeweiht und habe Norwegen für seine „Weisheit“ und „Kreativität“ gelobt.
Nächster chinesisch-tibetischer Dialog verschoben
Die Gesandten des Dalai Lama hätten am 11. Juni eine neue Runde des Dialogs aufnehmen sollen, jedoch wurde das Treffen von China kurzfristig auf einen noch nicht genau benannten späteren Zeitpunkt im Juni verschoben. Diese Verschiebung sei mit den noch immer bestehenden Problemen nach dem Erdbeben in China begründet worden.
Beobachter spekulieren, dass China nun wieder einen härteren Standpunkt im Dialog einnehmen könnte, denn nach den ausländischen Sympathie- und Mitleidsbekundungen nach dem Erbeben fühle sich die chinesische Regierung wieder in einer stärkeren Position. Ausserdem gibt es angesichts des nach wie vor bestehenden Einreiseverbots in tibetische Regionen und der sehr starken Militärpräsenz Anzeichen, dass China noch lange nicht glaubt, die Situation im Griff zu haben. Dementsprechend dringen noch immer zahlreiche Berichte über anhaltende, wenn auch kleinere, Proteste gerade aus Osttibet in das Ausland.
IOC hält am Fackellauf durch Tibet fest
Trotz einer von 6‘000 Personen unterzeichneten Petition und heftiger Kritik hält das IOC am Fackellauf durch Tibet fest, der später im Monat Juni durchgeführt werden soll. Angesichts der Unterbrechung nach dem Erdbeben soll dieser aber nur für einen Tag in Lhasa, anstatt wie ursprünglich geplant, für drei Tage stattfinden.
Bei der kürzlichen IOC-Tagung in Athen merkte IOC-Präsident Rogge nur an: „China hat den Wunsch geäussert, dass die Fackel durch alle Regionen und Provinzen getragen wird. Tibet ist Teil Chinas, und daher ist es ganz normal, dass der Weg auch durch Tibet führt.“
Anstatt China zu einer Verbesserung der Lage in Tibet zu drängen, hat das IOC laut einem internen Memo schon eine Richtlinie für die externe Kommunikation erarbeitet, sollte es Opfer bei Protesten gegen den Fackellauf in Tibet geben. Die IOC-Mitglieder sollten in diesem Fall „ihr tiefes Mitgefühl und ihr Beileid“ ausdrücken.
Quellen: Aftenposten (Norwegen); Time Magazine; International Campaign for Tibet (ICT)
27. Mai 2008
Unhaltbare Zustände in tibetischen Gefängnissen
Das Tibetan Solidarity Committee (TSC), eine kürzlich von der Tibetischen Regierung im Exil eingesetzte Gruppe, schildert unhaltbare Zustände unter den Gefangenen des März-Aufstandes. Angesichts der Nachrichtensperre muss sich das TSC auf sporadische Schilderungen von Gefangenen verlassen, die wieder aus der Gefangenschaft entlassen wurden.
Schätzungen zufolge wurden bislang über 5000 Tibeter in ganz Tibet festgenommen. Um völlige Geheimhaltung zu wahren, werden die Häftlinge nicht in den berüchtigten Haftanstalten wie Drapchi und Gutsa in Lhasa festgehalten, sondern statt dessen werden sie in provisorischen Gefängnissen ausserhalb der Städte - beispielsweise in alten Lagerhäusern und Tunneln - eingeschlossen. Viele Häftlinge werden jedoch auch an unbekannte Orte verbracht, so dass überhaupt nichts über ihren Verbleib bekannt ist.
Exzessive Schläge, die oft zu gebrochenen Gliedern und nicht selten sogar zur Verkrüppelung der Häftlinge führen, sind in diesen Gefängnissen nichts Seltenes. Während der Verhöre werden die Häftlinge häufig brutal geschlagen oder es werden brennende Zigarettenstummel an ihre Körper gedrückt. Sie sind an Armen und Beinen gefesselt und werden oft an den nach hinten gedrehten durch Handschellen verbundenen Armen über längere Zeit aufgehängt, um sie zum „Geständnis von Verbrechen“ zu zwingen. Nach den Unruhen in Lhasa gingen die Behörden besonders brutal und unmenschlich mit den Häftlingen um, in der Absicht, aus ihnen etwas über die Drahtzieher hinter den Protesten und ihre „Mitverschwörer“ herauszupressen.
In manchen Gefängnissen erhalten die Häftlinge nur einmal innerhalb von drei oder vier Tagen ein wenig zu essen. Zumeist bekommen sie als tägliche Nahrung nur einen gedämpften Teigfladen. Die Häftlinge werden oft tagelang ohne Wasser gelassen, so dass einige schon ihren eigenen Urin trinken mussten. Es gibt mehrere Berichte über Gefangene, die den unbehandelten schweren Verletzungen erliegen, die sie entweder bei ihrer Verhaftung oder durch die exzessiven Schläge in den Gefängnissen erlitten haben. Die chinesischen Behörden lassen die Leichen sofort verschwinden.
Die Häftlinge müssen auf dem kalten Zementfussboden schlafen, weil es in den meisten Gefängnissen keine Betten und nicht einmal Matratzen gibt. Die chinesischen Polizeioffiziere und Gefängniswärter lassen ihre Laune an den Häftlingen aus, verprügeln sie willkürlich und beschuldigen sie dabei, dem „Ansehen Chinas geschadet“ zu haben. Es wird sogar berichtet, dass manche Soldaten die Häftlinge als „Übungsobjekte“ benutzen, um den Nahkampf an ihnen zu üben.
Eine grosse Zahl von Häftlingen befindet sich auch in diversen Gefängnissen in der Provinz Sichuan. Es wird befürchtet, dass bei dem verheerenden Erdbeben viele von ihnen ums Leben gekommen sind.
Chinesische Massenansiedlungen in Tibet nach der Olympiade?
Der Dalai Lama äusserte in einem Interview mit der Zeitung The Guardian, das er während seines England-Besuches gab, die Befürchtung, dass China nach dem Ende der Olympiade bis zu 1 Millionen Chinesen in Tibet ansiedeln will. Nach Informationen, die ihm aus Tibet vorliegen, seien über die vergangenen 2 Jahre mehrere Gegenden von Geometern vermessen und Land offensichtlich für künftige Bauvorhaben abgesteckt worden. China wolle aber mit der Implementierung bis nach Abschluss der Olympiade zuwarten, um negative Publizität zu vermeiden.
Quellen:Tibetan Solidarity Committee (modifizierte Uebersetzung durch IGFM München); The Guardian
15. Mai 2008
Strafverteidiger von verhafteten Tibetern werden schikaniert
Die 21 chinesischen Anwälte, die sich öffentlich als Rechtsbeistand oder als Strafverteidiger für verhaftete Tibeter anboten, werden von den Behörden massiv schikaniert. Zhou Yongkang, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei und Parteisekretär der Zentralen Politischen und Rechtskommission, informierte die Anwaltsbüros darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, ein Mandat für die Tibeter zu übernehmen. Die jährliche Inspektion und Registrierung ihrer Büros wurde verschoben. Gleiches geschah den Anwälten für ihre individuelle Inspektion und Registrierung.
An alle Betroffenen sandte die Verwaltung des Departments für Jurisdiktion in Beijing folgende Nachricht: “Die Anwälte Ihrer Kanzlei sind in einige sensitive Fälle involviert. Daher wird die jährliche Inspektion und Registrierung Ihrer Kanzlei verschoben.“ Damit droht diesen Anwälten der Entzug ihrer Arbeits- und Lebensgrundlage.
Massenverhaftung und Misshandlung von Mönchen
Es ist unmöglich, alle Berichte von Razzien, Verhaftungen und Misshandlungen von Mönchen und Laien, die sich überall in Tibet ereignen, zusammenzufassen.
Der folgende Bericht des Korrespondenten der New York Times aus dem Kloster Labrang im äussersten Nordosten Tibets (heute chinesische Provinz Gansu) steht stellvertretend für andere. Das Kloster Labrang zählt zu den fünf grössten Klöstern des historischen Tibet und gehört der Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus an. Hier spielte sich im April einer der beiden Mönchsproteste ab, die die chinesische Regie der eskortierten Journalistenreisen erheblich störten. Während die Journalistengruppe das Kloster besuchte, drang eine Gruppe von Mönchen zu ihnen und widersprach in hoch emotionalen Stellungnahmen allen chinesischen Anschuldigungen, dass die Proteste aus dem Exil geplant und gesteuert würden. Die Gruppe von Mönchen, die die nichts ahnende Eskorte der Journalisten überrumpelte, blieb solange unbehelligt, wie die Journalisten anwesend waren.
Wie jetzt der Korrespondent der New York Times vor Ort erfuhr, wurden alle kurz nach Abreise der Journalisten verhaftet und schwer geschlagen oder mit Elektroschocks misshandelt. Insgesamt sollen laut Aussagen von Betroffenen und Augenzeugen 220 Mönche aus dem Kloster verhaftet worden sein. Die Mehrheit von ihnen wurde mittlerweile wieder freigesetzt, doch sollen sich einige wegen der erlittenen Verletzungen im Spital befinden. Viele Mönche sollen sich aus Angst in den umliegenden Bergen versteckt halten.
Ein Mönch sagte gegenüber dem Korrespondeten aus: „Ich wurde über zwei Stunden lang mit einem Stock geschlagen und am ganzen Körper mit Tritten traktiert.“ Die Sicherheitskräfte hätten sich über die Opfer lustig gemacht: „Der Dalai Lama, die westlichen Staaten und USA können euch jetzt nicht mehr beschützen. Ruft sie doch, damit sie euch retten kommen.“ Ein anderer Mönch wird zitiert: „Jetzt wird es hier keine Proteste mehr vor der Olympiade geben. Die Menschen sind einfach zu verängstigt, und der Druck ist zu gross.“ Ein Hirte aus der Region wird von der New York Times zitiert: „Die äusseren Lebensbedingungen haben sich verbessert... aber ich will keinen Reichtum, sondern die Freiheit, den Dalai Lama zu verehren.“
Quellen: TibetNet; New York Times
9. Mai 2008
Stellungnahme der Gesandten des Dalai Lama:
Forderungen, weitere Gespräche Einen Tag nach ihrer Rückkehr gaben die Gesandten gegenüber den Medien eine weitere Stellungnahme zu ihren Gesprächen ab. Sie betonten, dass der Kurzbesuch in China nicht als Fortsetzung der sechs bisherigen Dialogrunden zu sehen sei, sondern nach den jüngsten Ereignissen in Tibet die Agenda für zukünftige Gespräche definieren sollte.
Konkret forderten sie die Freilassung der Gefangenen, eine adäquate medizinische Behandlung der Verletzten, uneingeschränkten Zugang von Besuchern einschliesslich Journalisten und ein Ende der „Patriotischen Umerziehung“. Hier sind Auszüge aus ihrer Stellungnahme [in nicht autorisierter Übersetzung; UM]:
„Es gab sehr starke und divergierende Meinungen über die Natur und Gründe der kürzlichen tragischen Ereignisse in Tibet. Diese wurden offen und direkt ausgedrückt. Beide Seiten tauschten konkrete Vorschläge aus, die Teil einer künftigen Agenda sein können... Ungeachtet grosser Differenzen über wichtige Punkte zeigten beide Seiten ihren Willen, eine gemeinsame Annäherung zu finden.“ Lodi Gyari machter allerdings deutlich, dass die kontroversen Standpunkte nach wie vor dominieren: „Es gab mehr Kontroverse als Konsens... Die Chinesen machten keine Zusicherungen; sie beharrten auf ihrer Sichtweise.“ Es soll in Kürze der Termin für eine siebte Dialogrunde festgelegt werden.
Am gleichen Tag erging sich die Zeitschrift der Kommunistischen Partei in Tibet, „Tibet Daily“, in neuen Angriffen gegen den Dalai Lama. Sie beschuldigte ihn, mit (nicht näher genannten) „Feinden Chinas“ gemeinsame Sache zu machen, um das Land zu spalten und zu schwächen.
Angriff auf das Olympische Feuer auch in China
Zwei Unbekannte haben am 8. Mai in der südchinesischen Stadt Shenzhen (dem Ort, an dem auch die Gesandten des Dalai Lama mit chinesischen Offiziellen sprachen) den Fackellauf angegriffen und die Fackel gelöscht. Augenzeugen berichteten, zwei Chinesen hätten sich danach mit der Bemerkung „Wir haben es geschafft“ vom Ort entfernt. Das lokale Fernsehen, das den Lauf live übertrug, brach abrupt die Übertragung ab und machte „technische Probleme“ geltend. Allerdings gelangen einem Amateurfilmer Aufnahmen des Vorfalls, die unter folgender Adresse zu sehen sind:
http://www.asiasentinel.com/index.php?option=com_content&task=view&id=1192&Itemid=31
Es ist unbekannt, was mit den beiden Chinesen geschah, die wie einfache Arbeiter aussahen. Der Augenzeuge berichtete, dass einige Zuschauer danach blutverschmierte Gesichter zeigten. Das Durcheinander dauerte fast eine Stunde. Der attackierte Fackelläufer wurde in ein nahestehendes Militärfahrzeug eskortiert. Dort wurde die Flamme wieder entzündet und der Lauf fortgesetzt.
Der Lauf in Shenzhen war extra vom Vormittag auf den Nachmittag verlegt worden, um der Liveübertragung vom Mount Everest Platz zu machen, wo zu gleicher Stunde ein chinesisch-tibetisches Bergsteigerteam mit einer zweiten Fackel den Gipfel erreichte. Um nachmittags Zeit zu sparen, waren dann die Etappen für die Läufer in Shenzhen von 200 auf 100 Meter verkürzt worden.
Quellen: AFP; The Guardian; The Star Tribune; Asia Sentinel
7. Mai 2008
Gesandte des Dalai Lama aus China zurück
Nach kurzem Aufenthalt kehrten Lodi Gyari und Kelsang Gyaltsen aus China zurück. Auf dem Flughafen von Hongkong gaben sie nur eine kurze Stellungnahme ab; sie wollten zunächst dem Dalai Lama über den Verlauf der Gespräche berichten.
Lodi Gyari erklärte, die Gespräche hätten in „guter, offener Stimmung“ stattgefunden und stellten einen „positiven ersten Schritt“ dar. Weiter Gepräche sollten folgen, jedoch werde der Zeitpunkt erst nach Konsultation mit dem Dalai Lama bestimmt.
Auch die chinesische Seite äusserte sich verhältnismässig positiv. Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums erklärte: “Ich möchte betonen, dass der gegenwärtige Kontakt nur der Anfang ist. Wir vereinbarten, diesen Kontakt zu einer angemessenen Zeit fortzusetzten… Die Zentralregierung hat ein ernsthaftes Interesse an Kontakten mit dem Dalai Lama. Solange auch er aufrichtig ist, vor allem in seinem Handeln, dann können die Kontakte fortgesetzt warden.“ Der Sprecher spezifizierte, der Dalai Lama müsse „wirklich seine separatistischen Aktivitäten stoppen und aufhören, gewalttätige Aktionen zu provieren und die Olympischen Spiele zu sabotieren.“
Trotz allgemeiner Skepsis über die Erfolgschancen der Gespräche meinten einige Beobachter, Gründe für verhaltenen Optimismus zu sehen. Zum einen handele es sich um das erste Mal, dass China überhaupt öffentlich davon spricht, mit Vertretern des Dalai Lama zu reden. Bisher waren die Gepräche der chinesischen Öffentlichkeit verschwiegen worden, und die Gesandten waren als „Landsleute“ bezeichnet worden, die als Touristen oder zu Verwandtenbesuchen eingereist seien. Jetzt sprachen die offiziellen Medien nicht mehr von der „Dalai-Clique“, sondern von der „Dalai-Gruppe“. Schliesslich war es auch ungewöhnlich, dass Regierungsvertreter schon vor Abschluss dieser Gesprächsrunde eine Fortsetzung ankündigten.
Im scharfem Kontrast dazu steht die gegenwärtige aggressive Medienkampagne gegen den Dalai Lama. Während Optimisten meinen, diese sei notwendige „Begleitmusik“, um der Regierung die Möglichkeit zu einer gesichtswahrenden Vereinbarung mit dem Dalai Lama zu verschaffen, glauben Pessimisten, dass damit jede Übereinkunft unmöglich sei. Viele glauben eher, dass sich die chinesische Regierung mit den Gesprächen nur etwas Luft gegenüber der internationalen Kritik verschaffen will.
Die offiziellen Medien hatten den Dalai Lama über die letzten Tage und Wochen übel beschimpft. Er wolle China „anschwärzen“, habe nicht nur seine „ungeheuren Verbrechen“ weiter geleugnet, und würde seine „Schwindeleien“ unbeeindruckt fortsetzen, schrieb in Lhasa das Parteiorgan Xizang Daily.
Quellen: Frankfurter Allgemeine Zeitung; International Herald Tribune
5. Mai 2008
Gesandte des Dalai Lama zu Gesprächen in China
Am 3. Mai reisten die beiden Gesandten des Dalai Lama, Lodi Gyari und Kelsang Gyaltsen, die schon die bisherigen Dialogrunden bestritten hatten, nach China. Sie treffen sich an einem nicht bekannt gegebenen Ort in Shenzen in Südchina mit zwei Vizeministern als Vertretern der „United Front“, Zhu Weiqun and Sita. Diese Organisation hat in China die Aufgabe, mit einflussreichen Gruppen ausserhalb der Kommunistischen Partei Chinas Kontakt zu halten. Inmitten von weiteren rhetorischen Breitseiten der chinesischen Regierung und Partei gegen den Dalai Lama zeigten sich beide Seiten optimistisch, was Resultate der von exil-tibetischer Seite als „informelle Gespräche mit der chinesischen Führung“ bezeichneten Dialogrunde anbelangt. Die Regierung Tibets im Exil erklärte, sie sei „hoffnungsvoll“, dass es Resultate gebe. Auch der chinesische Präsident Hu Jintao erklärte: „Ich bin überzeugt, dass mit vereinten Kräften dieser Besuch zu den erwarteten Resultaten führt.“
Internationale Beobachter zeigten sich weniger optimistisch. Einige führten an, dass die gleichzeitigen verbalen Attacken gegen den Dalai Lama anzeigten, dass die Führung in Beijing derzeit wenig kompromissbereit sei. Die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua wiederholte ihre bekannten Vorwürfe, dass alles ein geplantes Komplott der „Dalai-Clique“ gegen die Olympischen Spiele sei, und gab sich zugleich generös: obwohl die Unruhen „neue Hindernisse“ für einen Dialog aufbauten, hätte die chinesische Regierung dennoch dieses Treffen „mit grosser Geduld und Ernsthaftigkeit“ arrangiert. Die Gesandten werden schon am 7. oder 8. Mai zurück erwartet.
Behörden beseitigen Spuren der Gewalt und lassen Leichen verbrennen
Inmitten von weiteren Meldungen über fortgesetzte Protestaktionen vor allem im Osten Tibets, Razzien und Massenverhaftungen überall in Tibet, erreichten das TCHRD Augenzeugenberichte über Verbrennungen von Leichen. Am 28. März wurden insgesamt 83 Leichen in einem elektrisch betriebenen Krematorium verbrannt, das vor einigen Jahren von der chinesischen Regierung im Kreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa, errichtet wurde. Einige Augenzeugen berichteten, dass bereits am 17. März um etwa 22:30 Uhr (Ortszeit) zwei Militärlastwagen voller Leichen bei einer Tankstelle westlich von Lhasa gesehen wurden. Das Areal um diese Tankstelle ist seit Beginn der Proteste einer der Orte, der besonders streng kontrolliert wird. Einige Tibeter sagten, sie hätten Blut aus den beiden Militärlastwagen fliessen sehen, als diese wegen Verkehrsstau an der Tankstelle warten mußten. Man hörte von weiteren Militärlastwagen, die Leichen in den Kreis Toelung Dechen transportieren. Bereits am Abend des 15. März hat ein Augenzeuge gesehen, wie Leichen in einem Lastwagen in Richtung Kreis Toelung abtransportiert wurden.
Quellen: CNN; Xinhua; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD) – adaptierte Übersetzung durch IGFM München
14. April 2008
Öffnung für Tibet-Touristen auf unbestimmte Zeit verschoben
In einer überraschenden Kehrtwende hat China die Zusage zurück genommen, Tibet ab 1. Mai wieder für Touristen zu öffnen. Als sich in Lhasa die ersten Demonstrationen ereigneten, hatte China die Region für sämtliche Reisen geschlossen. Auch wurde die Everst-Region vorerst für Bergsteiger gesperrt [vergl. Tibet-Information vom 12. März 2008; UM]. Offiziell wurde dieser Schritt, der hunderte von Bergsteigern vor den Kopf stiess, mit „Umweltschutz-Gründen“ gerechtfertigt, jedoch dürften Befürchtungen über eine Störung des Fackellaufes auf den höchsten Berg der Erde die entscheidende Rolle gespielt haben.
In einer dringenden Mitteilung des staatlichen Tourismusbüros an lokale Reiseveranstalter wurde die angekündigte Öffnung für Touristen zum 1. Mai wieder zurück genommen und „in Anbetracht der Sicherheit der Fackel“ auf unbestimmte Zeit verschoben. Reiseveranstalter rechnen nun mit einer Öffnung erst nach Ende des Fackellaufes in Tibet im Juni. Das chinesische Aussenministerium erklärte, die lokale Regierung unternehme Anstrengungen, „die Situation zu beruhigen und Recht und Gesetz wieder herzustellen; spezielle Umstände erforderten entsprechende Massnahmen“.
Chinesische „Begleiter“ der Fackel stammen aus paramilitärischer Elitetruppe
Die 30 in blaue Trainingsanzüge gekleideten Chinesen, die die Olympische Fackel auf der Weltreise begleiten, sind in Wirklichkeit Elitestudenten der Polizeiakademie. Diese waren bei den Protesten anlässlich des Fackellaufes in London und Paris durch ihr rüdes Vorgehen so unangenehm aufgefallen, dass es in England sogar eine offizielle Anfrage an die Regierung gab, warum man ihnen die Einreise gestattete.
Die 30 „Begleiter“ waren im letzten Jahr aus der Polizeiakademie ausgewählt worden, um jeden Schritt der von den jeweiligen Städten nominierten Fackelläufer auf der weltweiten Tour zu begleiten. Jederzeit bildeten sie um die Fackelläufer einen dichten Kordon und gingen gegen Demonstranten mit grober Gewalt vor. Der Organisator der Olympiade in London 2012 und ehemalige Leichtathlet Sebastian Coe nannte sie eine „grässliche Schlägertruppe“. Er selbst sei von ihnen mehrmals aus dem Weg gestossen worden. Eine britische Fackelläuferin beobachtete, wie sie Demonstranten zu Boden warfen und sich selbst mit der Londoner Polizei Gerangel lieferten. „Sie waren wie Roboter... Sie riefen andauernd barsche Befehle wie ‚Loslaufen‘ oder ‚Anhalten‘. Wer sind sie eigentlich?“ Das britische Aussenministerium betonte, diese Truppe habe keine Polizeihoheit im Lande und sei als „Teil eines Paketes“ für den Fackellauf ins Land gelassen worden.
Seit ihrer Auswahl absolvierte diese Truppe ein strenges Trainingsprogramm mit Läufen von bis zu 50 km täglich, Kampfsportarten, aber auch Unterweisung in Landessitten und Sprachen der Gastländer.
Weitere Proteste in Tibet – Gouverneur kündigt „strengste Strafen“ an
Bei einem Protest von Mönchen im osttibetischen Bezirk Tawu feuerten Sicherheitskräfte in die mehrere Hundert Personen umfassende Menge und verletzten mehrere Personen. Zu den Protesten war es gekommen, als Sicherheitskräfte der Bevölkerung den Zugang zu einer religiösen Zeremonie verbieten wollten. Darauf versammelten sich Laien und Mönche zu einem Protestzug.
Im Kloster Labrang im Nordosten Tibet, einem der grössten Klöster überhaupt, ereignete sich wieder ein Protest von Mönchen anlässlich einer zweiten streng reglementierten Journalistenreise. Auch hier drängten sich junge Mönche an den konsternierten Sicherheitskräften vorbei und riefen zu den Journalisten Parolen nach der Rückkehr des Dalai Lama und einem Dialog mit Chinas Führung. Ältere Mönche intervenierten darauf, und die Protestierer zogen sich zurück, ohne dass Sicherheitskräfte intervenierten. Zhang Qingli, der Parteisekretär der „Autonomen Region Tibet“, erklärte, alle an den aktuellen „Ausschreitungen“ in Tibet Beteiligten würden noch vor Ende April vor Gericht gestellt und strengstens bestraft werden, was als verklausierte Ankündigung auch von Todesurteilen interpretiert wurde.
Quellen: The Guardian; Times Online
4. April 2008
China produziert «Beweise» für ein angebliches tibetisches Komplott
Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua schildert in einem Artikel, wie Exiltibeter die Unruhen in Tibet geplant und gesteuert haben sollen. Der Artikel gibt jedoch seine Quellen nicht preis oder beruft sich auf das angebliche Geständnis von einem nicht näher identifizierten Angeklagten.
Die «Dalai-Clique» und letztlich der Dalai Lama selbst sollen bewusst aggressive Unruhen geplant haben, um China vor der Durchführung der Olympischen Sommerspiele in Peking herauszufordern und der Regierung weitgehende Autonomie-Zugeständnisse abzuringen.
Laut dem angeblichen Geständnis soll der Geheimdienst der tibetischen Exilregierung die Unruhen in Lhasa organisiert und den Angeklagten beauftragt haben, Flugblätter mit Anweisungen dazu zu verteilen. Nach den Unruhen vom 14. März habe die Exilregierung zudem ein geheimes Treffen einberufen, an dem entschieden worden sei, alle mehr als 100 Mönche zählenden Klöster in der tibetischen Region für weitere Aktionen zu mobilisieren. Die Mönche seien dazu aufgerufen worden, zivile Tibeter zum Mitmachen aufzufordern. Es gehe darum, den günstigen Zeitpunkt auszunutzen, um endlich einen Durchbruch bei den Autonomieverhandlungen zu erzielen. Das «Finanzministerium» sei angewiesen worden, sofort die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Koordination der Aktionen bereitzustellen.
Der offiziöse Artikel beschuldigt fünf exiltibetische Organisationen, bereits im Januar ein Komplott zur Planung der Unruhen gebildet zu haben. Sie seien dabei von der amerikanischen Stiftung National Endowment for Democracy finanziell unterstützt worden. Der sich offen zur Anwendung von Gewalt bekennende Tibetan Youth Congress (TYC) habe für die Unruhen am 10. März 101 «Guerillakämpfer» von Dharamsala nach Tibet eingeschleust. Die TYC-Führung habe erklärt, die Kämpfer müssten die Unruhen auslösen helfen und hätten dabei den Tod von bis zu 100 Tibetern in Kauf zu nehmen.
Der Bericht der Agentur Xinhua präsentiert nicht nur keine eigentlichen Beweise für seine Anschuldigungen, er erläutert auch nicht, wieso denn nach jahrzehntelanger Aufbau- und Propagandaarbeit der chinesischen Institutionen die Mönche und zivilen Tibeter so einfach und in so grosser Zahl durch ferne, exiltibetische Organisationen und einige wenige Agitatoren mobilisierbar sein sollen.
Ausserdem behauptet China, dass in tibetischen Klöstern bei Razzien mehr als 170 Gewehre, 13´000 Schuss Munition und mehr als 3´500 kg explosive Stoffe gefunden wurde. Schliesslich verstieg sich der Bericht sogar zu der Anschuldigung, dass diverse exiltibetische Organisationen Ausbildungscamps für Terroristen unterhielten und Selbstmordkommandos trainierten.
Neue Proteste in Lhasa
In Tibets Hauptstadt Lhasa sind nach bestätigten Informationen von ICT offenbar neue Unruhen ausgebrochen. Chinesische Sicherheitskräfte sollen deshalb Teile der Stadt abgeriegelt haben.
Die Unruhe hätten ausserhalb des Ramoche-Klosters –eines der Zentren des Widerstandes - in Lhasa stattgefunden. Einige Tibeter hätten sich zum Protest vor dem Tempel eingefunden, danach kam es auch vor einem nahen Tempel und in einer Strasse zu Demonstrationen, denen sich schnell tausende Menschen angeschlossen hätten. Sicherheitskräfte hätten daraufhin die Tempel Jokhang und Ramoche umrundet hätten. Das gesamte Gebiet sei abgesperrt worden,
Alle Läden in der Nähe des Hauptpostamts schlossen, als die Sicherheitskräfte die tibetischen Wohnviertel um den Barkhor, Kama Kunsang, den Ramoche und den Jokhang-Tempel umstellten.
"Die Leute rannten in alle Richtungen. Es war eine große Protestveranstaltung und die Leute riefen laut Parolen", sagte ein Zeuge.
Eine andere Augenzeugin, die anonym bleiben wollte, berichtete von "Faustkämpfen", ging jedoch nicht weiter ins Detail. Die Proteste hielten mehrere Stunden an. Weitere Einzelheiten sind bisher noch nicht bekannt geworden.
Wie man in China über die internationale Tibet-Berichterstattung denkt
Eine Kostprobe davon, wie man in China über die Tibet-Berichterstattung der westlichen Medien denkt, liefert folgender Aufruf auf der vom IT-Unternehmer Rao Jin betriebenen Website „anti-CNN.com“:
„In ihren Berichten über den Aufruhr in Tibet haben die westlichen Medien der Welt ein weiteres Mal ihr abstossendes wahres Gesicht gezeigt. Diese Website will Beweise für die Machenschaften der westlichen Medien sammeln und veröffentlichen. Wenn ihr irgendwo einen Beleg für das Böse der westlichen Medien findet, lasst sie bitte nicht damit davonkommen...Je mehr Beweise ihrer Verbrechen wir sammeln, desto mehr Raum haben wir für uns selbst erkämpft... Das ist ein Widerstandskampf gegen den hegemonialen Diskurs des Westens. Wir müssen uns darüber klar sein, dass dies ein langer, schwieriger und komplexer Kampf sein wird. Aber unabhängig von seinem Ausgang sind wir der festen Überzeugung: Die Tage der westlichen Nationen, die einige ihrer Scheissmedien dazu benutzen, die Menschen mir ihren korrupten Worten zum Narren zu halten, sind gezählt!“
Quellen: Neue Zürcher Zeitung;Süddeutsche Zeitung; Radio Free Asia; International Campaign for Tibet (ICT); Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
28. März 2008
Von China organisierte Journalistenreise gerät zum PR-Desaster
Etwa 30 jüngere Mönche unterbrachen einen Besuch der von den Behörden eingeladenen Journalisten [vergl. Tibet-Information vom 26. März; UM] in Lhasa und widersprachen in emotionalen Stellungnahmen der offiziellen Version, dass die Unruhen von der „Dalai-Clique“ angestachelt worden seien.
Die Journalisten befanden sich auf Einladung der Regierung in Tibet, um „die Wahrheit“ zu sehen. Schon auf der Fahrt vom Flughafen nach Lhasa, die in von Regierungsfahrzeugen eskortierten Minibussen stattfand, hätten sie sich über das auffallend geringe Tempo der Fahrt gewundert, das möglicherweise absichtlich herabgesetzt war, um nur wenig Zeit in Lhasa zu verbringen. Ihnen seien zahlreiche Kontrollposten entlang der Strasse aufgefallen. Die Journalisten wurden von chinesischen Offiziellen aufgefordert, in der Gruppe zusammenzubleiben, weil es "hier immer noch nicht sicher ist". Wenn sie sich in Lhasa von der eskortierten Gruppe entfernen wollten, seien ihnen sofort mehrere Personen zu Fuss oder in Fahrzeugen gefolgt, was ungestörte Kontakte mit der Bevölkerung unmöglich machte.
Die Medienkonferenz im Jokhang-Tempel wurde durch etwa 30 junge Mönche unterbrochen, die zu den Journalisten drängten und China der Lüge bezichtigten. Sie riefen, dass die Personen, die die Journalisten als Betende im Jokhang-Tempel sahen, in Wirklichkeit verkleidete Mitglieder der Kommunistischen Partei seien, um „Normalität“ vorzutäuschen. Der Jokhang-Tempel sei seit dem Beginn der Proteste am 10. März von Sicherheitskräften umstellt gewesen, die niemanden herein und keinen der 117 Mönche heraus gelassen hätten. Erst kurz vor der Ankunft der Journalisten seien die Wachen abgezogen worden.
Die Mönche unterbrachen die Rede eines chinesischen Regierungsvertreters, der sich zu den Unruhen in Lhasa äusserte. Der Regierungsvertreter sei ein Lügner, erklärten die Mönche. "Wir wollen Freiheit...Tibet ist nicht frei. Tibet ist nicht frei", schrie ein junger Mönch. „Sie haben viele Menschen getötet“, rief ein anderer. Es seien über 100 Menschen getötet und mindestens 1000 deportiert worden. Der Dalai Lama trage keine Schuld an den jüngsten Ausschreitungen, erklärten die Mönche. "Sie wollen, dass wir den Dalai Lama vernichten, aber das ist nicht richtig", sagte ein Mönch während des etwa 15 Minuten langen Zwischenfalls. Die Mönche sagten, sie wüssten, dass sie wegen des Protests vermutlich verhaftet würden, aber das sei ihnen egal. "Der Dalai Lama hatte damit nichts zu tun", sagte ein Mönch in Bezug auf die gewaltsamen Unruhen vom 14. März. Regierungsangestellte riefen barsch, dass es „Zeit zum Gehen“ sei und versuchten, die 26 ausländischen Journalisten von den protestierenden Mönchen wegzudrängen. Wenige Stunden später war der Vorplatz des Jokhang, auf dem sich sonst Betende einfinden, von Sicherheitskräften umstellt und abgeriegelt.
Auch die Mönche wurden weggedrängt; über ihr Schicksal ist nichts bekannt. Laut offizieller Nachrichtenagentur Xinhua habe ein Regierungsvertreter zugesagt, das die Mönche nicht bestraft würden. Zur Zeit bereist eine Gruppe von Diplomaten Tibet. Die Vertreter der USA, Grossbritanniens, Frankreichs, Australiens und Italiens wurden in Beijing erst 12 Stunden vorher über die Abreise unterrichtet.
Berichte über Massendeportationen
Während über die genaue Zahl der deportierten Tibeter nichts bekannt ist, erreichten ICT mehrere Schilderungen über Hausdurchsuchungen und Massendeporationen. Systematisch würden Gebäude zum Beispiel nach Fotos des Dalai Lama durchsucht und Tibeter teilweise unter vorgehaltener Waffe abgeführt. Ganz gezielt würde nach Personen aus den östlichen Provinzen Kham und Amdo gesucht (die sich am hartnäckigsten gegen die chinesische Invasion gewehrt hatten). Selektiv würden auch ehemalige politische Gefangene und solche Tibeter, die sich zeitweise in Indien und Nepal aufgehalten hätten, verhaftet. Temporär internierte Tibeter berichteten nach ihrer Freilassung über schwere Misshandlungen und den Entzug von Wasser und Nahrung.
Augenzeugen hätten auch mehrfach über den Abtransport von ganzen Lastwagenladungen von Verhafteten berichtet. Mindestens eine grosse Gruppe mit vielen Mönchen, teilweise ohne Schuhe, sei am neuen Hauptbahnhof von Lhasa gesehen worden, wie sie von Sicherheitskräfte in Waggons gedrängt wurden, die dann mit unbekanntem Ziel davonfuhren.
Quellen: Associate Press; International Campaign for Tibet (ICT); Spiegel Online
26. März 2008
UNO-Menschenrechtsrat - China verweigert Diskussion
China hat sich am Dienstag im UNO-Menschenrechtsrat einem Gespräch über Tibet verweigert. Der chinesische Delegierte unterbrach alle Redner, die das Thema aufgriffen. «Diese Frage betrifft die inneren Angelegenheiten Chinas», erklärte der chinesische Delegierte wiederholt. Sowohl der Botschafter der USA als auch der australische Gesandte mussten ihre Ausführungen wegen Ordnungsrufen von Seiten Chinas unterbrechen. Auch mehrere Nichtregierungsorganisationen konnten sich nicht zu Tibet äussern, wobei China festhielt, die Tagesordnung sehe diese Diskussion nicht vor.
Der chinesische Botschafter verlangte schliesslich einen Unterbruch der Sitzung. Mehrere Länder, darunter Simbabwe, Kuba, Pakistan und Sri Lanka schlossen sich seiner Forderung an. Nachdem ein Kompromissvorschlag der Ratspräsidenten gescheitert war, wurde der Versuch einer Debatte zu Tibet beendet. Noch hängig ist eine Eingabe, mit der 65 Nichtregierungsorganisationen eine Sondersitzung der UNO-Menschenrechtsrates zu Tibet und die Entsendung einer Ermittlungsmission fordern.
Zwischenfall vor chinesischer Mission in Genf
Wachpersonal der chinesischen Vertretung bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ist gegen ein Team des Westschweizer Fernsehens (TSR) und einen Tibet-Aktivisten vorgegangen. Es bedrohte die Medienleute mit einem Schlagstock. Das TSR-Team filmte die Aussenmauer der diplomatischen Mission Chinas, auf welcher am Osterwochenende «Tibet - chinesische Mörder» gesprayt worden war. Zwei Wächter kamen dann heraus und schubsten den Kameramann und den Journalisten, wie ein bei dem Zwischenfall anwesender Schweizer Tibet-Aktivist erklärte. Dieser versuchte nach eigenen Angaben zu schlichten und fotografierte das Geschehen. Er sei dann mit der Faust auf den Kopf geschlagen und niedergestossen worden.
Einer der zwei Wächter habe anschliessend einen Schlagstock geholt, berichtete der Augenzeuge weiter. Das Fernseh-Team habe in der Folge sein Material zusammengepackt und den Ort verlassen. Einige Stunden später sei die Aussenmauer der Mission gereinigt gewesen.
Lhasa: Ein Mönch verhungert
Im durch Sicherheitskräfte abgeschotteten Ramoche-Kloster in Lhasa ist nach Angaben des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) ein Mönch verhungert. Das Kloster sei bereits seit dem 14. März vom Militär umstellt, das sämtliche Zugänge blockiere und es "öfter" mit Tränengas beschiesse, wie eine "zuverlässige Quelle" berichtet habe. Zahlreiche Klöster in Tibet hätten mit Nahrungs- und Wasserknappheit und schlechter medizinischer Versorgung zu kämpfen. Es sei aufgrund der Restriktionen durch die chinesischen Behörden aber zunehmend schwierig, detaillierte Informationen aus Tibet zu bekommen.
Ausgewählte Journalisten nach Tibet
Die chinesische Regierung hat am Mittwoch eine erste Gruppe handverlesener Journalisten zu einer organisierten Medienreise nach Tibet gebracht. Nach Angaben von Medienvertretern wurden unter anderem die US-Nachrichtenagentur AP, die japanische Nachrichtenagentur Kyodo, der katarische Nachrichtensender Al Jazeera, die britische Zeitung «Financial Times» und das «Wall Street Journal» aus den USA ausgewählt. Auch Medien aus Hongkong und Taiwan gehören dazu. Den rund ein Dutzend in Peking ansässigen ausländischen Korrespondenten sollten Interviews mit "Opfern krimineller Gewaltakte" ermöglicht werden, wie die Behörden am Dienstag mitgeteilt hatten. Zudem sollten Orte besichtigt werden, die geplündert oder niedergebrannt worden seien.
Die Journalisten werden sich - offiziell aus Sicherheitsgründen - aber nicht frei bewegen können.
Quellen: Basler Zeitung Online
25. März 2008
Weitere Unruhen in Tibet mit Toten, Klöster abgeriegelt
Trotz massiver Militärpräsenz, zahllosen Strassensperren und Ausweisung ausländischer Journalisten dringen Nachrichten von neuen Protesten in das Ausland. Bei neuen Zusammenstössen zwischen tibetischen Demonstranten und der Polizei sind in Garze in der Provinz Sichuan mindestens zwei Menschen getötet worden. Bei einem der Opfer handelt es sich um einen Polizisten, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete. Der Polizist sei bei Zusammenstössen am Montag zu Tode gekommen, als Protestler mit Messern und Steinen bewaffnet auf die Sicherheitskräfte losgingen. Nach offiziellen Angaben habe die Polizei lediglich "Warnschüsse" abgegeben. Dem widerspricht das TCHRD, wonach in der selben Region im Luhuo-Kreis am Montag mindestens ein 18 Jahre alter tibetischer Mönch von Angehörigen der bewaffneten Polizei (Wujing) erschossen wurde. Die Sicherheitskräfte hätten mehrmals wahllos in die Menge der rund 200 protestierenden Tibeter - unter ihnen viele Nonnen und Mönche - gefeuert, als diese sich einem Behördengebäude näherten. Ein zweiter Mönch befinde sich in kritischem Zustand. Die Unruhen begannen am 23. März zunächst mit einem friedlichen Protestzug von Mönchen und Nonnen in Garze. Zur Gewalt kam es nach Angaben des TCHRD erst, als bewaffnetePolizisten die Menge zerstreuen wollten. Laut dpa werden alle drei grossen Klöster in der Umgebung von Lhasa, Drepung, Sera (wo die Proteste am 10. März begonnen hatten) und Ganden, von Sicherheitskräften hermetisch von der Aussenwelt abgeriegelt. Wasser und Lebensmittel würden knapp. Hospitäler und Ärzte in Tibet dürfen keine verletzten Demonstranten versorgen.
Chinesische Intellektuelle kritisieren Regierung
Mehrere chinesische Intellektuelle stellen sich gegen die offizielle Propaganda, so zum Beispiel der Filmemacher Tang Danhong. Er sagt: „Ausser mit Gewehren und Geld, mit kultureller Zerstörung und spiritueller Vergewaltigung, wissen wir offenbar nicht, wie man Harmonie herstellt.“ In einem offenen Brief hat ausserdem eine Gruppe von 29 Dichtern, Rechtsanwälten, Hochschullehrern und Journalisten die Regierung zum Umdenken aufgefordert. In ihrem 12-Punkte-Memorandum distanzieren sie sich zwar von den Gewaltakten, halten der Regierung aber schwere Fehler in der Behandlung der „Minoritäten“ vor. Es helfe nicht, auf die Rhetorik der Kulturrevolution zurückzufallen. Man müsse die Ursachen untersuchen und in einen Dialog mit dem Dalai Lama eintreten. Eine weitere Chinesin sagte: „Während ihr noch immer an Hirnwäsche und die Gewalt von Waffen und Geld glaubt, existiert doch bei den Tibetern seit tausenden von Jahren ein tiefer Glauben, der nicht einfach fortgewischt werden kann.“
Quellen: Frankfurter Rundschau Online; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD); Deutsche Presse-Agentur (dpa)
20. März 2008
Demonstrationen in zahlreichen Regionen – Militär vor dem Grossangriff?
Aus zahlreichen Regionen Tibets wurden in den vergangenen Tagen Demonstrationen gemeldet, die mit ebenso brutaler Gewalt niedergeschlagen wurden wie in Lhasa. Mehrere Berichte gab es aus tibetischen Regionen im Osten, die inzwischen in chinesische Provinen eingegliedert wurden.
In Kardze in der chinesischen Provinz Sichuan eröffneten chinesische Sicherheitskräfte vor einer Woche das Feuer auf eine Gruppe von Demonstranten und sollen mindestens drei Teilnehmer getötet haben. In Aba (tibetisch: Ngaba) in Sichuan und Machu in Gansu soll es 39 Opfer durch Schüsse von chinesischen Truppen in Aba in Sichuan gegeben haben. Weitere Proteste gab es auch in Gannan und Sangchu in der Provinz Gansu. Mönche und Tibeter hätten sich an beiden Orten für die Unabhängigkeit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lamas ausgesprochen sowie die tibetische Flagge gehisst. Die chinesischen Sicherheitskräfte hätten zum Teil Tränengas eingesetzt. Auch in der Hauptstadt der Provinz Sichuan, Chengdu, soll es zu Unruhen und Gewalttätigkeiten in von Tibetern bewohnten Stadtquartieren gekommen sein.
Selbst in Beijing kam es zu einem friedlichen Protest. Tibetische Studenten der Minderheiten-Universität versammelten sich zu einem mehrstündigen stillen Gedenken, ohne dass zunächst die Polizei einschritt. Laut TCHRD sollen später aber die Studenten in ihren Klassenzimmer eingesperrt worden sein. In Lhasa selbst herrscht weiter gespannte Ruhe; die ersten Geschäfte öffnen wieder. China meldet 24 Festnahmen nach den gewalttätigen Ausschreitungen. Wie die "Times" berichtet, wurden Festgenommene demonstrativ durch die Strassen Lhasas auf offenen Lastwagen gefahren - vor allem junge Männer und Frauen. Die Tibeter hätten der Zeitung zufolge mit hängenden Köpfen auf den Lkws gesessen, die Hände auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Seit einigen Tagen mehren sich Berichte über massive Truppenverschiebungen. Sowohl im Norden in der Provinz Gansu, als auch in Osttibet und in Lhasa wurden grosse Zahlen von Militärtransportern mit Soldaten gesehen. Diese Bewegungen lösen Besorgnis vor einer Grossoffensive gegen die protestierenden Tibeter aus.
Massive verbale Attacken gegen den Dalai Lama – dieser droht mit Rücktritt
Beijing hat die Propaganda gegen den Dalai Lama nochmals verschärft. "Wir befinden uns mitten in einem heftigen Kampf aus Blut und Feuer, einem Kampf auf Leben und Tod mit der Clique des Dalai", sagte der Sekretär der Kommunistischen Partei im Tibet, Zhang Qingli, in martialischem Ton, und fügte hinzu: „Der Dalai Lama ist ein Wolf in Mönchskutte, ein Teufel mit dem Gesicht eines Menschen, aber mit dem Herzen einer Bestie.“ Für Verwirrung sorgte die Bemerkung des britischen Premierministers Gordon Brown, der nach einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Wen Jibao berichtet hatte, dieser sei bereit, direkt mit dem Dalai Lama zu reden, sofern dieser nur der Unabhängigkeit und Gewalt abschwöre. Dieses hatte der Dalai Lama schon vorher häufig genug getan und zeigte sich selbst bereit, mit der chinesischen Führung direkt zu reden, aber nicht in Beijing. Er drohte sogar mit dem Rücktritt von seinem politischen Amt, falls die Gewalt nicht aufhört. Andere Chinakorrespondeten waren dagegen der Meinung, dass mit der scharfen Rhetorik der chinesischen Regierung die Tür für einen Dialog mit dem Dalai Lama endgültig zugeschlagen wurde. Auch unter den Tibetern zeigten sich Meinungsverschiedenheiten. Der Präsident des Tibetischen Jugendkongresses, Tsewang Rigzin, kritisierte öffentlich den Dalai Lama, dass er sich weiterhin gegen einen Olympiaboykott ausspreche. Das zeige, wie weit er sich von seinem Volk entfernt hätte.
Abriegelung von Tibet, Ausweisung und Behinderung von Journalisten
Tibet ist mittlerweile für Ausländer völlig von der Aussenwelt abgeriegelt. Weder Touristen noch Journalisten können einreisen. Mit der Abschiebung des China-Korrespondenten der Wochenzeitung "Die Zeit" und der Berliner "taz", Georg Blume, sowie seiner Kollegin Kristin Kupfer, die für das österreichische Magazin "Profil" berichtete, geht die letzte Chance verloren, Informationen vor Ort zu erhalten. Diese waren die einzigen Journalisten, denen die Reise nach Tibet während der Unruhen gelang. Blume gab er, er sei in seiner Unterkunft täglich von Sicherheitsbeamten besucht worden; zuletzt hätten diese gedroht, dass man nicht mehr für seine Sicherheit garantieren könne.
Blume berichtete auch kritisch von Gewaltexzessen der protestierenden Tibeter. Seiner Meinung nach seien keineswegs alle Todesopfer den Schüssen von Sicherheitskräften anzulasten. Auch unter Tibetern gebe es inzwischen Ansichten, während der Proteste sei man mit der Gewalt zu weit gegangen.
Wie nervös China auf freie Berichterstattung reagiert, musste der Reporter von TeleBärn, Toni Bichsel erfahren. Als er vor der chinesischen Botschaft in Bern ein Interview mit einem Exil-Tibeter machen wollte, wurde er von Angestellten der chinesischen Botschaft massiv behindert. Nur mit Mühe konnte der Beitrag fertig gestellt werden. Das ungeschnittene Videomaterial von TeleBärn ist zu sehen unter: http://www.espace.ch/artikel_498025.html?smsg=140668
Quellen: Die Zeit; Radio Free Asia; International Campaign for Tibet; BBC; The Times; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)
17. März 2008
Bilanz der vergangenen Tage: „Gespannte Ruhe“, 90 Tote
Nach mehrtägigen Unruhen und der blutigen Niederschlagung durch Sicherheitskräfte wird aus Lhasa „gespannte Ruhe“ berichtet. Nachdem Sicherheitskräfte das Feuer auf Demonstranten eröffnet hatten und auch Panzer in der Stadt aufgefahren waren, wurden seit dem 15. März keine grösseren Demonstrationen mehr beobachtet.
Seit dem 16. März ziehen Sicherheitskräfte von Haus zu Haus und nehmen Verdächtige fest; auch alle ehemaligen politischen Gefangenen seien wieder verhaftet worden. Am heutigen Tage endet ein Ultimatum der Behörden an alle Beteiligten, sich freiwillig zu stellen, ansonsten würden drastische Strafen drohen.
China hat derweil alle Internet-Cafes geschlossen und den Zugang zum Portal „YouToube“ gesperrt, so dass kaum noch unabhängige Nachrichten nach aussen dringen. In Lhasa war zeitweise das Mobilfunknetz lahmgelegt. Touristen, die sich in Lhasa befinden, wurde geraten, das Hotel nicht zu verlassen; die Einreise von weiteren Touristen wurde verboten. Über die Zahl der Opfer gehen die Angaben weit auseinander. Die Tibetische Regierung im Exil beruft sich auf Informanten in Lhasa und gibt die Zahl der Toten allein dort mittlerweile mit 90 Personen an. Die offiziellen Nachrichtenagenturen in China beziffern die Zahl der Opfer mit 13; allerdings wird bestritten, dass diese durch Schusswaffengebrauch der Sicherheitskräfte getötet wurden. Die Personen seien vielmehr in den gelegten Bränden umgekommen.
Die öffentliche Propaganda bezichtigt wieder einmal die „Dalai-Clique“ und andere China feindlich gesinnte ausländische Kräfte, zu den Unruhen angestiftet zu haben. Um diese Theorie zu bestärken, werden in der staatlich gelenkten Presse Interviews mit Opfern präsentiert, die die Demonstranten als wilden Mob darstellen, der gerade auch Tibeter durch sein Wüten bedroht habe. Auch wurde der von China eingesetzte Panchen Lama, der von den Tibetern nicht respektiert wird, propagandistisch eingesetzt. Er verurteilte die „Sabotageakte“ als mit dem Buddhismus unvereinbar. Umgekehrt sprechen Informanten laut TibetNet von als Mönche verkleideten chinesischen Provokateuren, die die Demonstranten, deren Zahl zeitweise bis zu 20‘000 Personen erreichte, erst zur Gewalt anstachelten.
Proteste auch in anderen Regionen Tibets
Die Proteste haben sich innerhalb der letzten Woche auf zahlreiche Orte in Tibet und in tibetische Regionen ausgeweitet, die nach der Invastion chinesischen Provinzen einverleibt wurden. Die Demonstranten, von einigen hundert bis zu 3‘000 Personen, hätten an vielen Orten Amtsstuben zerstört, Autos verbrannt, chinesische Flagge abgerissen und verbrannt, und stattdessen in grosser Zahl die (in China offiziell verbotene) tibetische Nationalflagge gehisst. Auch hier wird nach Schüssen von Sicherheitskräften von Todesopfern berichtet.
Zwei kurze Videos der Proteste vom Kloster Labrang im Nordosten Tibets sind zu sehen unter http://media.phayul.com/?av_id=89.
Quellen: Basler Zeitung Online; Radio Free Asia; TibetNet; International Campaign for Tibet
14. März 2008
Anhaltende schwere Unruhen in Lhasa – 2 Tote durch Schüsse
Nach mehrtägigen Protesten von Mönchen gegen die chinesische Herrschaft in Tibet sind am Freitag in der Altstadt von Lhasa Feuer ausgebrochen. Es gab Berichte, wonach Demonstranten Polizei- und Feuerwehrwagen in Brand gesteckt hätten.
Im Zentrum der tibetischen Hauptstadt Lhasa kam es am Freitag zu schweren Ausschreitungen. Augenzeugen berichteten, Demonstranten hätten vor dem Jokhang-Tempel Polizei- und Feuerwehrwagen angegriffen, umgestürzt und in Brand gesteckt.
Feuerwehrleute und Polizisten seien verprügelt worden. Die Demonstranten hätten die chinesische Flagge auf dem Platz vor dem Tempel eingeholt und mit Füssen auf ihr herumgetrampelt. Die Feuerwehr von Lhasa und Menschenrechtsgruppen berichteten von mehreren Feuern in der Barkhor-Strasse in unmittelbarer Nähe des wichtigsten Tempels der Stadt, des Jokhang-Tempels. «Es gibt mehrere Brandherde in der Barkhor-Strasse, wird sind vor Ort», sagte ein Feuerwehrmann der Nachrichtenagentur AFP telefonisch. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bestätigte die Feuer und gewaltsame Ausschreitungen in Lhasa. Die Menschenrechtsgruppe International Campaign for Tibet teilte aus London mit, ein Polizeifahrzeug sei in Brand gesteckt worden.
Weiter gibt es Berichte aus Lhasa, dass inzwischen drei Klöster von Sicherheitskräften hermetisch abgesperrt sind. Essen und Nahrungsmittel gingen in den Klöstern langsam zu Neige. In einem Kloster sollen Mönche aus Protest in einen Hungerstreik getreten sein. Zwei Mönche hätten versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden und befänden sich in kritischem Zustand. Andere Zeugen berichten von Strassenkämpfen zwischen Tibetern und Chinesen, und dass eine blutüberströmte Person fortgetragen worden sei. Radio Free Asia beruft sich auf Augenzeugen, die von 2 Toten durch Schüsse der Sicherheitskräfte berichten.
Die Lage in Tibet, in manchen Regionen Chinas und in Indien, wo viele Exil-Tibeter leben, war in den vergangenen Tagen bereits sehr angespannt gewesen [Vergl. auch Tibet-Information vom 12. März 2007; UM]. Es ist momentan schwer, unabhängige Informationen über die Lage zu erhalten.
Proteste auch im Nordosten Tibets
Am Freitag protestieren in auch Xiahe im Nordosten Tibets rund 200 Menschen, angeführt von Mönchen, gegen die chinesische Herrschaft in Tibet. Ein AFP-Fotograf berichtete, die Demonstranten hätten tibetische Flaggen geschwungen und seien von den Sicherheitskräften am Vordringen zu einem Verwaltungsgebäude gehindert worden. Xiahe liegt heute in der chinesischen Provinz Gansu und wird von vielen tibetischstämmigen Menschen bewohnt.
Quellen: bearbeitet nach Meldung in Basler Zeitung Online und International Campaign for Tibet; Radio Free Asia
12. März 2008
Anhaltende Proteste in Lhasa – die stärksten seit fast 20 Jahren
Allen Überwachungsmassnahmen und strengen Strafandrohungen zum Trotz haben etwa 300 Mönche des am Rande von Lhasa gelegenen Drepung-Klosters einen friedlichen Protestmarsch unternommen, der von Sicherheitskräften unterbunden wurde. Am 10. März, dem 48. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes, marschierten sie Richtung Stadtzentrum, um gegen die Verhaftung von Glaubensbrüdern im vergangenen Jahr zu protestieren. Diese hatten die Ehrung des Dalai Lama durch den US-Kongress gefeiert [vergl. Tibet-Information vom 21. Oktober und 2. November 2007; UM]. Dabei wurden an einer Strassensperre 50 bis 60 (nach anderen Angaben 71) der Protestierenden festgenommen. Trotzdem seien 11 Mönche bis ins Zentrum gelangt. Nach anderen Berichten hätten letztere den Protest in Lhasa begonnen, und die Drepung-Mönche seien darauf Richtung Zentrum marschiert. Augenzeugen berichteten, sie hätten mehrere Militär- und Polizeifahrzeuge und Krankenwagen an einem Kontrollpunkt gesehen. Anschliessend sei die Strasse zu dem Kloster abgesperrt worden.
Andere Klöster in und um Lhasa wurden von paramilitärischen Truppen umstellt. Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums sagte, „wenige ignorante“ Mönche seien von einer kleinen Gruppe zu einer „illegalen Handlung, die die soziale Aktivität bedroht“, angestachelt worden. Bildaufnahmen sind unter http://steve.ulrike.stivi.be/english/list.php?LijstNr=2&Item=55 und http://www.youtube.com/watch?v=x7wHfUwXMrU zu sehen. Auch am folgenden Tag trieben Sicherheitskräfte protestierende Mönche in Lhasa mit Tränengas auseinander. Seit 1989, als das Kriegsrecht verhängt wurde, gab es nicht mehr Proteste von diesem Ausmass.
China schliesst Zugang zum Mt. Everest und Cho Oyu
Die chinesischen Behörden haben überraschend angekündigt, dass sie bis zum 10. Mai keine Expeditionen zum Mt. Everest zulassen werden. Damit stiessen sie tausenden von Bergsteigern vor den Kopf, denn der Monat Mai bietet gewöhnlich die besten Wetterbedingungen für die Besteigung. Aus Nepal wird berichtet, dass China bei der Regierung in Kathmandu intervenierte, um ebenfalls die durch Nepal führende Südroute zu sperren, jedoch lehnte die Regierung dieses Ansinnen ab. China rechtfertigte die Sperrung mit Umweltschutz-Gründen, jedoch wird allgemein vermutet, dass dieses aus Angst vor Protesten gegen den olympische Fackellauf geschieht, der bis auf den Gipfel des Mt. Everest führen soll. Im letzten Jahr hatten Aktivisten eine Protestaktion in dem auf tibetischer Seite gelegenen Basislager durchgeführt [vergl. Tibet-Information vom 27. April 2007; UM]. Ebenfalls schloss China die Route zum Cho-Oyu, dem sechsthöchsten Berg der Erde. Dort hatten chinesische Grenzwachen im September 2006 eine flüchtende 17jährige tibetische Nonne erschossen, was von einer rumänischen Bergsteigergruppe gefilmt wurde. [vergl. 13. Oktober 2006; UM].
China provoziert bei Gedenkveranstaltungen in Nepal und Griechenland
Am 10. März hatten sich in Kathmandu mehrere tausend Tibeter versammelt, um des Aufstandes zu gedenken. Ihr Versuch, zur chinesischen Botschaft zu marschieren, wurde von der nepalesischen Polizei gewaltsam vereitelt. Am Eingang der chinesischen Botschaft hatten sich 5 Chinesen und ein Tibeter postiert. Als ein amerikanischer Reporter, der die Zusammenstösse der Demonstranten mit der Polizei beobachtete, diese Personen fotografieren wollte, wurde er von ihnen angespuckt und beleidigt. Diese versuchten auch, seine Verhaftung durch die nepalesische Polizei zu erreichen. Ähnliches geschah in Olympia, wo tibetische Aktivisten symbolisch für ihren eigenen Fackellauf das olympische Feuer entzündeten. Chinesisches Botschaftspersonal filmte die Tibeter. Als sie ein BBC-Reporter darauf ansprach, wurde er als “Dummkopf” angeschrien und zum Weggehen aufgefordert.
Quellen: Indo-Asian News Service (IANS); Basler Zeitung Online; Radio Free Asia; International Campaign for Tibet; BBC
27. Februar 2008
Mehrere Beispiele, die von der IGFM München nach Informationen der Free Tibet Campaign in London sowie von Reuters und RFA publiziert wurden, verdeutlichen, wie China vor den Olympischen Spielen das Bild von Tibet in den Medien manipuliert, aber auch, wie stark die Spannungen zwischen Tibetern und Chinesen sind.
Wie China die Tibeter zu manipulieren versucht
Bei einer öffentlichen Versammlung im Dezember 2007 im osttibetischen Bezirk Lithang, von China in die Provinz Sichuan inkorporiert, wurden die Tibeter aufgefordert, ihre Hand zu heben, falls sie gegen die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet seien. Keiner tat dieses. Als nächstes wurden alle, die keine Waffen bei sich zu Hause haben, gebeten, ihre Hand zu erheben. Da es gesetzwidrig ist, Schusswaffen zu besitzen und illegale Waffen vor kurzem bei einer Razzia konfisziert worden waren, streckten alle ihre Hände auf. Von dieser Szene wurden umgehend Bilder gemacht, die als Beweis an die staatlichen Medien geschickt wurden, dass die Bewohner von Lithang gegen eine Rückkehr des Dalai Lama gestimmt hätten.
Ebenfalls im Dezember 2007 wurden Bedienstete der Gemeindeverwaltungen in den tibetischen Wohngebieten der chinesischen Provinz Gansu zu einer Besichtigungstour durch das ganze Land auf Staatskosten eingeladen. Vorher wurden sie zu einer Sitzung nach Lanzhou, der Hauptstadt von Gansu, zitiert, wo sie im Namen der von ihnen vertretenen Einwohner eine Petition gegen die Rückkehr des Dalai Lama unterzeichnen mussten. Ein alter Mann, der seine Unterschrift verweigerte, wurde abgeführt und geschlagen. Daraufhin griff eine Gruppe junger Tibeter die Gemeindebediensteten an, während sie in einem Restaurant zu Mittag assen. Mehrere von ihnen wurden schwer verletzt und mussten im Spital behandelt werden.
In einem dritten Fall wurden Tibeter in Gansu gezwungen, zur Begehung des tibetischen Neujahrsfestes Schweine zu schlachten. Dies widersprach ihrem bereits gefassten Entschluss, diesmal keine Schweine zu schlachten, weil sie für ein langes Leben des Dalai Lama beten wollten, der im Jahre des Schweins geboren wurde.
Gewalttätiger Protest während des tibetischen Neujahrsfestes
Bei Auseinandersetzungen während des tibetischen Neujahrsfestes kam es im nordtibetischen Bezirk Rebkong zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen mehreren hundert Tibetern und Ordnungskräften. Etwa 100 bis 200 Tibeter, vorwiegend Mönche, wurden kurzzeitig inhaftiert, und es soll sowohl durch die Auseinandersetzungen als auch durch Misshandlungen nach der Verhaftung Verletzte gegeben haben. Es liegen divergierende Angaben von Reuters und RFA vor, wie die Auseinandersetzungen begannen. Laut Reuters stand am Anfang ein Streit zwischen tibetischen Jugendlichen und einem muslimischen Händler über den Preis von Luftballons. Danach hätte das Gerücht die Runde gemacht, Tibeter seien von Ordnungskräften geschlagen worden. Laut RFA seien schon vor dem Disput etwa 200 Ordnungskräfte anwesend gewesen, um allfällige antichinesische Proteste zu unterbinden, und diese hätten einen Jugendlichen in der Menschenmenge verhören wollen.
Bei den Krawallen wurden mehrere Polizeiautos zerstört, die anwesenden Polizisten wurden angegriffen, und laut RFA wurden auch Parolen nach der tibetischen Unabhängigkeit gerufen. Später trafen drei Transportfahrzeuge mit Polizisten ein, die die Menge mit Tränengas auseinander trieben und 100, laut RFA sogar 200 Tibeter, meist Mönche, verhafteten. Alle wurden bis zum nächsten Tag wieder entlassen, doch seien zwei Protestierende wegen ernster Verletzungen zur Spitalbehandlung in die Provinzhauptstadt Xining transportiert worden. Die Proteste flauten erst dann endgültig ab, als ein lokaler religiöser Würdenträger zur Ruhe aufrief.
Quellen: IGFM München/Free Tibet Campaign; Reuters; Radio Free Asia (RFA)
7. Februar 2008
Weitere Restriktionen gegen Tibeter
vor Beginn der Olympischen Spiele
Wie Radio Free Asia berichtet, haben die Behörden in Tibet nach der Verleihung der Goldmedaille des US-Kongresses an den Dalai Lama eine weitere Verschärfung der restriktiven Politik in Tibet beschlossen. Diese Massnahmen zielen sowohl darauf ab, die Ausübung der buddhistischen Religion in Tibet noch mehr zu unterbinden, als auch die Illusion von religiöser und kultureller Freiheit während der Olympiade in Beijing zu erzeugen.
Am 13. und 14. Januar soll es ein Treffen von Offiziellen des Politischen Konsultativkomitees der tibetischen Regierung gegeben haben, wo die Rekrutierung von tibetischen Würdenträgern beschlossen wurde, die sich öffentlich vom Dalai Lama distanzieren sollen. Diese Würdenträger sollen dann in verschiedene Regionen Tibets entsandt werden, um den Dalai Lama als „Spalter“ zu denunzieren. Auch seien schon über 140 tibetische Jugendliche rekrutiert worden, angeblich um während der Olympiade tibetische Tänze aufzuführen. Lokale Informanten von Radio Free Tibet vermuten jedoch, dass die Tanzaufführungen lediglich als Vorwand dafür dienen, um die Jugendlichen gegen den Dalai Lama gerichtete Botschaften verbreiten zu lassen.
Auch berichteten Augenzeugen, dass sich seit der Zeremonie des US-Kongresses das Leben in den Klöstern sichtbar verändert hätte. Radio Free Asia zitiert einen Tibeter: „Novizen ist es nicht mehr erlaubt, die Stelle verstorbener Mönche in den Klöstern anzutreten, und man sieht im Stadtbild deutlich weniger Mönche. Die Mönche dürfen in den Tempeln keine Gebetsfeiern mehr abhalten, und es dürfen keine Mönche mehr in Privatwohnungen eingeladen werden, um spezielle Zeremonien durchzuführen. Der Bau neuer Stupas [religiöse Bauwerke; UM] ist verboten. Gläubige dürfen Tempel und Stupas nicht mehr [als Zeichen der Verehrung; UM] umschreiten“. Ein zweiter Tibeter sagte: „Man sagte uns, dass wir uns nicht mehr festlich kleiden, Weihrauch verbrennen oder Gebete rezitieren dürfen. Tibetischen Regierungsangestellten ist es nicht mehr gestattet, tibetische Kleidung anzulegen und einen Gebetsraum oder Altar in ihrer Wohnung zu haben.“
Robert Barnett, Dozent für Tibetische Wissenschaft an der Columbia-Universität von New York kommentierte: „Die Neigung [der Behörden; UM] hat sich in einem ungeheuren Mass verstärkt, auch das kleinste Ereignis als einen angeblichen Angriff der sogenannten ‚Dalai Clique‘ zu interpretieren. Mit anderen Worten, sie sehen alles und jedes als geplant... Als Wurzel des Übels werden die tibetische Religion und Kultur gesehen.“
Computerattacken, versteckt als Neuigkeiten über Tibet
Die Computerfirma Trend Micro berichtet über eine neue Welle von Attacken auf Computer, die versteckt in Dokumenten mit angeblichem Inhalt über Tibet versandt werden. Diese Dokumente nützen eine Sicherheitslücke im Microsoft-Betriebssystem Word aus und enthalten anstatt der angekündigten Meldung über Tibet einen sogenannten „Trojaner“, also versteckte Programme, die sich auf dem infizierten Computer installieren. Die Programme verstecken sich in Dokumenten mit den folgenden Namen: „CHINA';S [sic] OLYMPIC TORCH OUT OF TIBET 1.doc“, „2007-07 DRAFT Tibetan MP London schedule.doc“, „DIRECTORY OF TIBET SUPPORT GROUPS IN INDIA.doc“, „Disapppeared in Tibet.doc”. Attacken dieser Art sind nicht neu; sie traten immer wieder in Wellen seit über 4 Jahren auf [vergl. Tibet-Informationen vom 3. November 2003, 26. April 2004, 9. März 2005, 13. März 2006; UM] und konnten teilweise mit ihrem Ursprung auf chinesische Internet-Adressen zurück verfolgt werden.
Quellen: Radio Free Asia; Computerworld
21. Januar 2008
Kostbare alte Statuen aus tibetischem Kloster
Aus einem Kloster in Osttibet sind 12 antike Statuen verschwunden. An deren Stelle wurden neue Statuen der umstrittenen Schutzgottheit Shugden aufgestellt, dessen Anhänger vom Dalai Lama von der Teilnahme an bestimmten Initiationen ausgeschlossen wurden. Er bezeichnete die Verehrung von Shugden als der Einheit des tibetischen Buddhismus abträglich. China hat in der Vergangenheit bereits mehrmals die Shugden-Verehrung als Mittel eingesetzt, um Uneinigkeit unter Tibetern zu erzeugen. Auch wurden in letzter Zeit in diesem Kloster Mönche vom Kloster weggewiesen, die sich Anweisungen der Behörden widersetzten, und durch regierungstreue ersetzt.
Das in 300 km Entfernung von der Hauptstadt der osttibetischen Präfektur Chamdo (chin. Changdu) im Bezirk Pashoe (chin. Basu) gelegene Kloster beherbergte bisher 21 Mönche, sowie zwölf religiöse Statuen und Reliquien, die für die Gelugpa-Schule des tibetischen Buddhismus, der auch der Dalai Lama angehört, von grosser Bedeutung sind.
Wie Radio Free Asia von einem Tibeter aus der Region erfuhr, „bringt auf dem internationalen Markt selbst eine der kleineren Statuen mehr als 1 Mio. Yuan (umgerechnet fast 140‘00 US$)". Die Informanten verdächtigen die lokalen Behörden, hinter dem Verschwinden zu stecken oder dieses zumindest zu begünstigen. „Die Tibeter hier wissen ganz genau, dass nur die örtlichen Beamten auf der unteren Bezirksebene Zugang zu den kostbaren Statuen hatten. Als diese angesprochen wurden, gaben sie sich einsilbig und weigerten sich sogar, Nachforschungen anzustellen. Die Statuen würden schon wieder auftauchen, sagten sie den Leuten."
Weiter hiess es aus der Quelle: „1998 lebten 21 Mönche in diesem Kloster und nahmen ihre religiösen Aufgaben wahr, aber als man ihnen befahl, Statuen von Shugden aufzustellen und sie sich weigerten, zwangen die chinesischen Behörden sie zum Verlassen des Klosters…. Als sie weg waren, setzten die Behörden Mönche ihrer Wahl ein und liessen die Shugden-Statuen aufstellen. Bis dahin hatte es in dem Kloster niemals eine Shugden-Verehrung gegeben".
Mysteriöser Tod zweier hoch angesehener Mönche
Zwei jeweils 71-jährige Mönche, die sich im Jahre 1995 für die Anerkennung der Inkarnation des Panchen Lama eingesetzt hatten, wurden unter ungeklärten Umständen tot aufgefunden. Die beiden in Tibet hoch angesehenen Mönche wurden im September und November letzten Jahres jeweils erhängt im Tashilhunpo-Kloster in der Stadt Shigatse aufgefunden. Die Behörden gaben an, dass beide Mönche „Selbstmord“ begangen hätten.
Das Kloster ist der Stammsitz der Panchen Lamas. Beide Mönche gehörten zum Kreis derjenigen, die dem Dalai Lama die Anerkennung des damals 6-jährigen Gedhun Choekyi Nyima als Inkarnation des ebenfalls unter mysteriösen Umständen im Tashilhunpo-Kloster verstorbenen Panchen Lama empfohlen hatten. Einen Tag später verschwand Gedhun Choekyi Nyima mitsamt Familienangehörigen spurlos. Lokale Informanten beschuldigten gegenüber Asia News die Behörden, dass sie alles versucht hätten, um beide Todesfälle zu verheimlichen. Beide Mönche waren bekannte Unterstützer des Dalai Lama und seien deswegen von den Behörden und regierungstreuen Mönchen im Tashilhunpo-Kloster ständig drangsaliert worden. Sie waren nicht nur an der Anerkennung des Panchen Lama beteiligt, sondern hätten nach der Tradition auch für die Anerkennung des neuen Dalai Lama beigezogen werden können.
Quellen: Radio Free Asia; Asia News
9. Januar 2008
Beijing bedroht Absender von SMS, schliesst tibetisches Internetforum...
Absender von SMS, die „Gerüchte verbreiten“ oder die „öffentliche Sicherheit gefährden“, werden mit Strafen verfolgt. Die Polizei der Stadt Beijing hat auf ihrer Internetseite angekündigt, dass sie mit Regierungsstellen und Telekommunikationsfirmen zusammenarbeiten wird, um solche Absender zu identifizieren und zu bestrafen. Allerdings wurden keine spezifischen Strafandrohungen gemacht.
Laut der Zeitung „Beijing Daily“, Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, müssen Absender mit Strafen von umgerechnet 70 US-Dollar oder bis zu 10 Tagen Haft rechnen. In China werden täglich 180 Millionen SMS versandt, und diese stellen die einzige Möglichkeit dar, um rasch Informationen zu erhalten und weiterzuleiten, die in den offiziellen Medien nie erscheinen. So könnten die über 500 Millionen Handy-Nutzer theoretisch auch Informationen über Treffen austauschen oder sich zu Demonstrationen verabreden.
Im Sommer letzten Jahres protestierten in der südchinesischen Küstenstadt Xiamen Betroffene mit über 1 Millionen SMS gegen den Bau einer chemischen Fabrik mit potenziell gesundheitsschädlichen Produkten. Auch wurde von den Zensoren in Beijing das populäre Diskussionsforum www.Tibet123.com geschlossen. Auf der Internetseite erschien stattdessen eine Notiz, die die Schliessung mit „illegalen Inhalten“ begründet und die „verdorbenen Elemente“, die diese platzierten, mit starken Worten verurteilt. Laut der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ war Tibet123 eine der dynamischsten Erscheinungen unter den tibetischen Diskussionsforen mit über 6‘200 registrierten Nutzern.
... und verschärft weiter die Internet-Zensur
China wird künftig auch Videos, Podcasts und andere audiovisuelle Angebote im Internet strenger kontrollieren. Nur staatliche Webseiten dürfen von Februar an solche Filme und Radio-Programme verbreiten oder Video-Tauschbörse anbieten, verfügte die Staatliche Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen nach Angaben der amtlichen Medien. Die Betreiber dürften kein Material verbreiten, das Sex, Gewalt und Spielsucht fördert, gegen die soziale Moral verstösst oder „die Interessen und das Ansehen des Staates schädigt“. Die Vorschriften richten sich gegen die immer beliebter werdenden Internetseiten, auf denen Nutzer ihre Videos austauschen können. China hat 150 Millionen Internetnutzer und wird die USA bald als größten Online-Markt der Welt ablösen.
Verboten sind auch Videos oder Programme, die gegen die Einheit des Landes, seine Souveränität und territoriale Integrität gerichtet sind. Damit sind die Unabhängigkeitesbestrebungen in Tibet, Taiwan oder Xinjiang gemeint. Auch der Verrat von „Staatsgeheimnissen“, die in China sehr allgemein definiert werden, ist verboten. Alle verbreiteten Programme und Filme, auch Cartoons, müssen vorher von zuständigen Behörden genehmigt werden. Videos, die auf Webseiten geladen werden und gegen die Vorschriften verstossen, müssen vom Betreiber gelöscht werden.
Quellen: Associated Press; Süddeutsche Zeitung