Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya
13. Dezember 2009
Massenverhaftungen und Gewalt gegen junge Demonstranten in Ost-Tibet
Eine Petition für die Freilassung von Tenzin Deleg Rinpoche im osttibetischen Bezirk Nyakchuka endete mit einer Massenverhaftung von ungefähr 150 meist jungen Tibetern. Tenzin Deleg Rinpoche ist ein in der Region hoch verehrter Geistlicher, der auch oft angerufen wurde, um bei lokalen Konflikten zu vermitteln. Er war bekannt für seinen Einsatz für Umweltschutz, und er errichtete Schulen, gesundheitliche und religiöse Einrichtungen. Im Januar 2003 war Tenzin Deleg mit einem weiteren Tibeter wegen angeblicher Verwicklung in Bombenattentate zum Tode verurteilt worden. Sein Mitgefangener wurde hingerichtet, während die Vollstreckung gegen Tenzin Deleg nach internationalen Protesten aufgeschoben und die Strafe später in lebenslange Haft umgewandelt wurde [vergl. Tibet-Informationen vom 6. Dezember 2002, 22. Januar und 10. Februar 2003; UM]. Seitdem befindet er sich in einem Gefängnis in der chinesischen Provinz Sichuan.
Am 5. Dezember sollen sich zunächst etwa 7 meist junge Tibeter vor dem Regierungsgebäude von Nyakchuka eingefunden und um die Freilassung von Tenzin Deleg gebeten haben. Später wuchs die Gruppe auf ungefähr 60 Personen an. Darauf wurden sie von Sicherheitskräften verprügelt und mehrere von ihnen verhaftet. Ihre Motorräder, mit denen sie gekommen waren, wurden zerstört und auf einem Lastwagen abtransportiert.
Als sich der Vorfall herumsprach, seien weitere Tibeter an jenen Ort gekommen, worauf es zu weiterer Gewalt und Verhaftungen kam. Ein Augenzeuge berichtete Radio Free Asia telefonisch, dass der Platz vor dem Regierungsgebäude mit Blut, ausgerissenen Haaren und Kleiderfetzen übersät war und schliesslich von der Feuerwehr gereinigt wurde.
Inzwischen hätten sich noch weitere 500 bis 600 Tibeter aus der nomadisch geprägten Region in Richtung der Bezirksregierung in Bewegung gesetzt. Die Sicherheitskräfte, die aus der Umgebung herbeigezogen wurden, errichteten Strassensperren. Eine Gruppe von Protestierenden sei in einem Tal eingekesselt. Unter ihnen befänden sich auch Kinder und alte Menschen. Da ihnen Nahrung und Trinkwasser ausgehen, würden ortsansässige Tibeter versuchen zu helfen.
Nach weiteren Augenzeugenberichten wurde eine Ausgangssperre verhängt, alle Läden geschlossen und ausländische Touristen aus der Region ausgeschafft.
Chinesischer Unterhändler nennt den Dalai Lama „Lügner“
Der Vizeminister der „United Front“, Zhu Weiqun, bezichtigt den Dalai Lama wiederholter Lügen. Diese Vorwürfe, die Zhu in einem Interview mit der regierungsoffiziellen Zeitung Global Times macht, sind insofern bedeutsam, als die United Front von chinesischer Seite bisher für die Verhandlungsrunden mit den Gesandten des Dalai Lama verantwortlich war. Zhu war selbst bei den Gesprächen zugegen.
Der Dalai Lama lüge, wenn er behaupte, seine Botschaft des „Mittleren Weges“ unter Verzicht auf die tibetische Unabhängigkeit sei inzwischen von der chinesischen Regierung als glaubhaft akzeptiert worden. Der Dalai Lama würde noch immer behaupten, Tibet sei von China besetzt, er wolle das gegenwärtige soziale System umstürzen und fordere Dinge, die der chinesischen Verfassung widersprächen. Er habe auch im Jahre 2008 die Proteste in Tibet angestachelt, um die Olympiade zu stören und China zu Konzessionen an die Tibeter zu zwingen.
Zhu spekulierte, der Dalai Lama würde weiter lügen, um sich einen guten Abgang aus dem politischen Durcheinander zu verschaffen, das er angerichtet habe. Und sein Gesandter, Lodi Gyari, sei zu schwach, um dem Dalai Lama Einhalt zu gebieten.
Quellen: Radio Free Asia; Global Times (VR China)
23. Oktober 2009
China lässt Tibeter wegen der Protestaktionen vom Frühjahr 2008 hinrichten
Das TCHRD erhielt eine bestätigte Mitteilung aus zuverlässigen Quellen, dass zwei Tibeter am 20. Oktober 2009 wegen ihrer angeblichen Verwicklung in die Massenproteste letzten Jahres in der tibetischen Hauptstadt hingerichtet wurden. Diese Hinrichtungen wurden in den chinesischen Staatsmedien nirgendwo erwähnt. Wie TCHRD erfuhr, wurde die Leiche eines der Hingerichteten seiner Familie in Lhasa übergeben. Da die Familie sehr arm ist und kein Geld für die üblichen religiösen Bestattungsriten hat, warf seine Frau die Leiche in den Kyichu Fluss.
Nichts wurde bekannt darüber, ob die Angeklagten Berufung gegen die Urteile beim Obersten Volksgericht einreichten, nachdem das Mittlere Volksgericht von Lhasa am 8. April 2009 die Todesurteile aussprach.
Einer offiziellen chinesischen Mitteilung vom 8. April 2009 zufolge sprach das Mittlere Volksgericht von Lhasa unter der Anklage der Brandstiftung mit tödlichem Ausgang das Todesurteil über zwei Personen, zwei Personen weitere Personen wurden zum Tode mit Vollstreckungsaufschub verurteilt und ein weiterer Tibeter zu lebenslanger Haft. Die fünf Tibeter wurden für schuldig befunden, während der Ausschreitungen am 14. März 2008 Geschäfte in Lhasa in Brand gesteckt zu haben, wobei sieben Personen ums Leben gekommen sein sollen.
Am 21. April 2009 verurteilte den staatlichen Medien zufolge dasselbe Gericht drei Tibeterinnen zum Tode mit Aufschub, bzw. zu lebenslänglicher Haft und zu zehn Jahren Gefängnis wegen Brandstiftung in Lhasa, die angeblich zum Tod von sechs Personen geführt hätten.
China: Drei Bedingungen für die Wiederaufnahme des Dialogs
China nannte kürzlich drei kategorische Bedingungen für die Wiederaufnahme des Dialogs mit den Tibetern. Diese wurden von der Vizeministerin der „United Front“ in einem Interview mit dem deutschen Magazin FOCUS präsentiert. Die United Front ist die Regierungsorganisation, die für die bisherigen Gespräche der Gesandten des Dalai Lama zuständig war. Vizeministerin Zhu Weiqun wiederholte zunächst die bekannten Anschuldigungen gegen den Dalai Lama: er habe die Olympiade in Beijing sabotieren wollen, den Aufstand in Lhasa im März 2008 angezettelt und die Gespräche der Gesandten mit der chinesischen Regierung gestoppt.
Die Bedingungen lauten:
1. Die Tibeter müssten eine Erklärung vorweisen, warum sie die Gespräche mit China beendet hätten.
2. Sie sollten das im letzten Jahr der chinesischen Regierung vorgelegte Memorandum für die Autonomie Tibets „sorgfältig und ernsthaft“ revidieren.
3. Der Dalai Lama müsse seine Auslandsreisen stoppen, weil diese „die freundschaftlichen Beziehungen von China mit anderen Staaten untergraben“.
Von tibetischer Seite wurde erwidert, dass Beijing den Dialog abgebrochen habe und sich das Memorandum für die Autonomie Tibets im Einklang mit der chinesischen Verfassung befinde.
Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD) – überarbeitete deutsche Übersetzung durch IGFM München; Phayul
29. September 2009
Vor 60. Jahrestag der VR China: Tibet für Ausländer geschlossen
Wie schon während der März-Unruhen vom letzten Jahr wurde Tibet erneut für Ausländer geschlossen. Diese Massnahme wurde einige Tage vor den offiziellen Feiern zum 60. Jahrestag der Gründung der VR China am 1. Oktober implementiert. Tibet soll noch bis einschliesslich 8. Oktober geschlossen sein.
Ein Vertreter des China Travel Service gab gegenüber der Nachrichtenagentur AP an, dass der Geschäftsführer zu einer Sitzung nach Lhasa gerufen wurde, wo der Entscheid bekannt gegeben wurde. Allerdings wurde dieser nicht schriftlich publiziert, sondern auf dieser Sitzung nur mündlich kommuniziert. Andere Reiseagenturen bestätigten auch, dass die Regierung derzeit keine Sonderbewilligungen mehr für Reisen von Ausländern nach Tibet ausstellt.
Dass es Reisebeschränkungen für Tibet gebe, wurde allerdings umgehend von einem Sprecher des staatlichen Tourismusbüros der „Autonomen Region Tibet“ dementiert. Liao Lisheng erklärte: „Diese Berichte entsprechen nicht der Wahrheit. Wir haben die Reiseagenturen nur angewiesen, ihre Arrangements zu modifizieren, damit nicht zu viele Personen zur gleichen Zeit kommen.“
Ein Angestellter des Sheraton-Hotels in Lhasa berichtete von Aufmärschen von Armee und paramilitärischen Truppen, die jetzt an allen grossen Strassenkreuzungen postiert seien.
Drastische Sicherheitsmassnahmen in Beijing
Auch in Beijing wurden drastische Sicherheitsmassnahmen ergriffen. Schwer bewaffnete Soldaten sind an Strassenkreuzungen aufmarschiert. Politisch sensible Inhalte auf den Internetseiten von Twitter und Facebook werden verstärkt blockiert. Ausländische Journalisten haben in den vergangenen Tagen eine Welle von Mails erhalten, die mit Spionage-Software versehen sind. Kommunistische Kader ausserhalb Beijings wurden aufgefordert, Reisen von Bürgen, die Petitionen an die Regierung abgeben wollen, zu verhindern. Nicht einmal Papierdrachen dürfen mehr aufsteigen, weil Attentate aus der Luft befürchtet werden. Die offiziellen Medien berichteten am Montag, dass während der großen Parade keine Flugzeuge vom Flugplatz Peking aus starten dürften. Dem Einzelhandel wurde untersagt, Küchenmesser zu verkaufen, nachdem es in der Nähe des Platzes zu Messerstechereien gekommen war. Bewohner entlang der Paraderoute wurden darauf hingewiesen, dass sie während der Veranstaltungen nicht die Fenster öffnen und ihre Balkone betreten dürfen. Ausserdem wurden in den letzten Wochen Attacken auf ausländische Medien und Journalisten in China verübt. Drei Journalisten von der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo wurden vergangenen Freitag in ihrem Hotelzimmer verprügelt und ihre Computer zerschlagen.
Quellen: AP
1. September 2009
Wieder Proteste in Kardze – Jugendliche verhaftet
Trotz beschwichtigender Massnahmen [vergl. Tibet-Information vom 19. August 2009; UM] ereigneten sich wieder Protestaktionen in der osttibetischen Präfektur Kardze. Diese gilt als notorisch unruhige Region mit hartnäckigem Widerstand gegen die chinesische Administration. Kürzlich hatten Funktionäre als Geste der Beschichtigung sogar die Feier des Geburtstages des Dalai Lama erlaubt.
Bei der Einweihung einer neuen Halle im Kloster Tashi Gepel Ling in Chaktsa soll es nach einem Informanten von Phayul zu zwei Zwischenfällen mit nachfolgenden Verhaftungen gekommen sein. Zuerst hätten einige der über tausend Besucher angefangen, ein Lied anzustimmen, das den Dalai Lama preist und diese Manifestation mit weiteren verbotenen Liedern fortgesetzt. Später sei eine chinesische Flagge eingeholt und stattdessen die verbotene tibetische Flagge gehisst worden. Auf die Fetzen der chinesischen Flagge seien dann Slogans mit Forderungen nach der Unabhängigkeit Tibets geschrieben worden.
Die Sicherheitskräfte hätten zunächst nicht eingegriffen, am folgenden Tage nach Razzien aber etwa 20 Personen festgenommen. Unter den Verhafteten sollen sich zumindest zwei Jugendliche im Alter von 14 und 10 Jahren befinden.
Renovation des Potala-Palastes mit propagandistischen Motiven
Ein Bericht von IANS über die gerade beendete Renovation des Potala-Palastes – der Winterresidenz der Dalai Lamas in Lhasa – zeigt, dass dort sämtliche Portraits des gegenwärtigen 14. Dalai Lama entfernt sind. Dieser hatte vor seiner Flucht immerhin 9 Jahre dort verbracht. Auch sei sein Name auf Inschriften verschwunden. Beispielsweise gibt es dort eine Gedanktafel, auf der des Besuches des chinesischen Vizepremiers im Jahre 1956 gedacht wird. Dieser hatte dort eine Audienz beim Dalai Lama erhalten. Auf der Gedanktafel ist nur der Name des 14. Dalai Lama entfernt, während der des Vizepremiers erhalten blieb.
Baubeginn für zweite Eisenbahnlinie nach Lhasa
Im diesem Monat soll laut der regierungsoffiziellen Zeitung China Daily mit dem Bau der zweiten Eisenbahnlinie nach Lhasa begonnen werden. Laut offiziellen Angaben des Zweiten Eisenbahnbüros in Chengdu wird die Linie von der Hauptstadt der Provinz Sichuan in einer Gesamtlänge von 1‘629 km bis nach Lhasa führen. Die Bahnlinie soll so ausgelegt sein, dass die Züge in 8 Stunden Fahrtzeit Lhasa erreichen – das bedeutet eine (nahezu unglaubliche; UM) Durchschnittsgeschwindigkeit von 200 km/h. Der Baubeginn habe sich wegen technischer Probleme und Mangel an Geldmitteln verzögert, aber nun sei es so weit.
Quellen: Phayul; Indo Asian News Service (IANS); China Daily
26. August 2009
Zensur-Software „Grüner Damm“ bekommt Lücken
Nach massiven Protesten gegen die sogenannte „Green Dam“ (Grüner Damm) Software, die laut Dekret in China zwingend auf allen neuen Computern installiert werden muss, krebst die chinesische Regierung zurück.
Im Frühjahr wurde angekündigt, dass diese Zensur-Software auf allen neuen Computern in China installiert sein muss. Offiziell soll die Software pornografische Internetseiten blockieren, um so die Jugend vor schädlichen Inhalten zu schützen.
Die offenbar qualitativ schlechte Software, die in Eile entwickelt und auf den Markt gebracht wurde, konnte relativ schnell entschlüsselt werden. Dabei zeigte sich, dass diese noch ganz andere Funktionen aufweist. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes Überwachungssystem. Alle drei Minuten kopiert die Software den Bildschirm des Nutzers, diese Kopien werden gespeichert und können von einem externen Server abgerufen werden, so dass nahezu lückenlos kontrolliert werden kann, wer welche Internetseiten aufruft. Darüber hinaus kontrolliert die Software auch heruntergeladenen Inhalt oder neue Dateien, die ein Nutzer anlegt, nach „verbotenen“ Begriffen wie „unabhängiges Tibet“ oder „Dalai Lama“. Sobald solche Inhalte entdeckt werden, wird die Datei geschlossen, und eine Warnmitteilung erscheint für den Nutzer mit dem Hinweis, dass er sich mit „verbotenen Inhalten“ befasst.
Unter dem Eindruck zahlreicher Proteste in China und im Ausland wurde im Juli zunächst die Auslieferung der Software verzögert. Jetzt gab der Minister für Informationstechnologie, Li Yizhong, bekannt, dass diese Software nicht mehr zwingend laufen muss. Während diese von Individuen deaktiviert werden kann, ist sie nur noch für Schulen und Internet-Cafes obligatorisch.
China bestraft Universität Marburg für Ehrendoktorwürde an Dalai Lama
Die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Dalai Lama hat offenbar Konsequenzen für die Marburger Universität. Zwei chinesische Universitäten blockieren die Kooperation mit der Hochschule.
Zwei Medizinstudenten aus Marburg, die in China ein Auslandspraktikum absolvieren wollten, stellten erst am Flughafen fest, dass ihre Visa annulliert wurden und sie nicht fliegen konnten. Fünf weitere Studenten erhielten ebenfalls eine Absage. Die chinesischen Universitäten von Wuhan und Shanghai hatten zuvor per Email mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit bei den Medizinern aus organisatorischen Gründen ausgesetzt werden müsse, teilte die Universität Marburg mit.
Auch im umgekehrten Fall kam es zu Problemen: Studenten einer chinesischen Hochschule durften für ihr Praktikum in Marburg nicht ausreisen.
Der Marburger Medizinprofessor Harald Renz und Universitätspräsident Volker Nienhaus sehen einen Zusammenhang mit der Ehrung des Dalai Lama. Nienhaus habe einen Brief an den chinesischen Kulturattaché in Deutschland geschrieben, aber bisher keine Antwort erhalten.
Die Philipps-Universität Marburg unterzeichnete vor vier Jahren ein Partnerschaftsabkommen mit der chinesischen Universität Wuhan, das vor allem eine Kooperation zwischen Medizinern und Juristen vorsieht.
Quellen: Radio Free Asia; Hessischer Rundfunk
19. August 2009
Behörden erlauben Dalai-Lama-Bilder und Geburtstagszeremonie
Überraschend haben die Behörden im Kreis Drango im osttibetischen Kardze am 6. Juli anlässlich des Geburtstages des Dalai Lama das Abhalten einer Zermonie und sogar das Ausstellen von Dalai-Lama-Bildern erlaubt. Mehr noch, ein „Arbeitsteam“ von Funktionären, sonst für die „Patriotische Umerziehung“ besorgt, soll sogar die ansonsten streng verbotenen Fotos mitgebracht und an die lokale Bevölkerung verteilt haben. ICT hält dieses Vorkommnis, das bereits zu wilden Spekulationen führte, nicht für Anzeichen einer grundsätzlichen Trendwende, sondern vielmehr für ein taktisches Manöver, um in Drango weitere Protestaktionen zu verhindern.
ICT zitiert einen Augenzeugen: „Die Bewohner waren überrascht und verwirrt, dass die Kader der Kommunistischen Partei eine Rede hielten und den Dalai Lama lobten.... Dieses folgte auf eine sehr streng durchgeführte Kampagne der Patriotischen Umerziehung, die in allen Klöstern durchgeführt wurde. Aber dieses Mal kamen die Funktionäre einfach mit einigen Dalai-Lama-Bildern daher und priesen ihn vor den Bewohnern in aller Öffentlichkeit. Das ist in den 60 Jahren, seit Tibet von China besetzt wurde, noch nie passiert. Die meisten Menschen plagen aber Zweifel über den wirklichen Zweck dieser neuen Kampagne.“
Tibeter in Drango waren seit dem Märzaufstand 2008 politisch aktiver als in den meisten anderen Regionen Tibets. Es war seitdem Schauplatz der gewaltsamen militärischen Niederschlagung und intensiver politischer Erziehungskampagnen. Schon am 24. März 2008 kam ein 21-jähriger Mönch um, als Sicherheitskräfte das Feuer auf Demonstranten eröffneten. Immer wieder kam es dort im Verlaufe des letzten Jahres trotz strenger Sicherheitsmassnahmen zu Protestaktionen.
Offenbar sind chinesische Offizielle schon lange wegen der Stabilität in den osttibetischen Regionen Amdo und Kham besorgt. Die Menschen dort sind tief gläubig mit einer besonders starken Bindung an den Dalai Lama. Die Behörden könnten daher die sogenannte „fang-shou“ („nachgiebig-hart“-)-Taktik anwenden, also einen Wechsel zwischen Konzessionen und Härte. Einige chinesische Funktionäre und Intellektuelle hätten sich besorgt gezeigt über die Folgen einer besonders gehässigen Rhetorik gegenüber dem Dalai Lama und der Ausweitung der Patriotischen Erziehungskampagne auch auf einfache Bewohner, die diese Region betroffen hätten.
Noch kein Ende in der Auseinandersetzung um Mine in Meldro Gongkar
Der Konflikt um die Mine in Meldro Gongkar, nahe Lhasa, ist noch nicht beigelegt. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen tibetischen Demonstranten, die die Zufahrt besetzte hielten, und Minenarbeitern hatte es im Juni drei Verletzte gegeben [vergl. Tibet-Information vom 24. Juni 2009; UM]. Die Bewohner forderten ein Ende der Abbauarbeiten, da diese zu massiven Umweltschäden geführt hatten.
Nachdem nach einem Treffen zwischen Demonstranten, Parteikadern und Behördenvertretern zunächst die – meist chinesischen – Arbeiter abgezogen worden waren, fingen die Arbeiten kurz darauf wieder an. Nun wandten sich die Bewohner erneut mit einer Petition an die Behörden. Diese sei jedoch unbeantwortet geblieben.
Stattdessen sei laut lokalen Informanten die Region unter militärischer Beobachtung. Besuchern von ausserhalb würde die Einreise verweigert, und die Kommunikation nach aussen sei stark eingeschränkt worden. Die Bewohner seien gewarnt worden, dass sie wegen „Separatismus“ angeklagt werden könnten, wenn sie ihre Demonstrationen fortsetzen.
Quellen: International Campaign for Tibet (ICT); Phayul
22. Juli 2009
China’s Gegenschlag gegen Strafverteidiger von politischen Gefangenen
Nur kurz währte die Hoffnung, dass politische Gefangene in Tibet durch frei gewählte Verteidiger erfolgreich vor Gericht vertreten werden könnten. Im Mai d.J. verzeichnete der chinesische Anwalt Li Fangping einen spektakulären Erfolg, als durch seine Intervention ein verhafteter Mönch freigelassen wurde [vergl. Tibet-Information vom 11. Mai 2009; UM]. Nun zeigt sich, dass die Regierung darauf reagiert und die Arbeit frei gewählter Anwälte massiv einschränkt.
Zwei Mönchen des Labrang-Klosters im Nordosten Tibets, die wegen versuchter „Spaltung des Mutterlandes“ bereits zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sind, wurde ebenso die Verteidigung durch einen Anwalt ihrere Wahl verweigert wie dem noch immer inhaftierten Filmemacher Dhondup Wangchen, der vor einem Jahr wegen seiner Aufnahmen zum Dokumentarfilms „Leaving Fear Behind“ [vergl. Tibet-Information vom 19. August 2008; UM] verhaftet wurde.
„Dienste werden nicht benötigt“ - „Keine Zulassung durch zuständiges Gericht“
Angehörige der beiden Labrang-Mönche hatten Li Fangping mit der Verteidigung beauftragt. Diesem wurde jedoch im Juni der Besuch der beiden Gefangenen mit der Begründung verweigert, er brauche dazu eine Genehmigung durch das zuständige Gericht. Vor der zweiten Verhandlung gegen die Mönche im Juli teilte der Richter Li Fangping dann mit, die Mönche hätten einen anderen Anwalt gewählt, und seine Dienste würden nicht mehr benötigt.
Im Fall des Filmemachers Dhondup Wangchen hatten Familienangehörige den Anwalt Li Dunyong verpflichtet. Dieser hatte ebenso wie Li Fangping vor einiger Zeit seine Bereitschaft bekundet, tibetische politische Gefangene zu verteidigen. Auch Li Dunyong versuchte, den Gefangenen zu besuchen. Ihm wurde mitgeteilt, er könne Dhondup Wangchen nicht verteidigen, weil er keine Zulassung durch das zuständige lokale Gericht habe.
Nach Angaben seiner Frau ist der Gesundheitszustand von Dhondup Wangchen sehr schlecht. Er sei mit Hepatitis B infiziert und ohne Behandlung.
Schliessung, Entzug der Lizenz und Prügel
Diese couragierten Verteidiger im ganzen Land nennt die Huffington Post in einem Bericht die „neuen Staatsfeinde von China“. Die Behörden versuchten überall, engagierte Anwälte und NGOs zu behindern und gehen dabei nicht selten auch gewaltsam vor.
Am 17. Juli wurden die Büroräume der NGO „Open Constitution Initiative“ (OCI) in Beijing durchsucht und darauf geschlossen. Die OCI beschäftigt Anwälte, die Opfer von Melamin-verseuchter Milch vertreten und im Mai d.J. einen kritischen Bericht über die offizielle Tibet-Politik der Regierung verfasst hatten. OCI wurde „bis auf weiteres“ geschlossen, weil sie sei nicht ordnungsgemäss als Nonprofit-Organisation registriert sei und Steuern hinterzogen habe. Ihr wurde gleich auch noch die Begleichung einer angeblichen Steuerschuld von umgerechnet 208‘000 Dollar auferlegt.
„Beliebte“ Mittel, unbequeme Anwälte zum Schweigen zu bringen, sind laut diesem Bericht auch der Entzug der Anwaltslizenz, die jährlich nach einer Inspektion durch die offizielle Anwaltskammer vergeben wird, oder gleich die Schliessung kompletter Anwaltskanzleien. Es gibt auch gut dokumentierte Fällen, wo mit Verhaftung oder Prügel zu brachialen Massnahmen gegen Anwälte gegriffen wird.
In Beijing wurden Anwälte schon vorsorglich gewarnt, sich für Verdächtige des Aufstandes in Xinjiang zu engagieren.
Quellen: Phayul; AsiaNews; Huffington Post
24. Juni 2009
Regierung lässt Satellitenschüsseln demontieren
Quellen zufolge haben die chinesischen Behörden in den vorwiegend von Tibetern bewohnten Gegenden in der heute chinesischen Provinz Gansu (im Nordosten des historischen Tibet) mit der Demontage von Satellitenschüsseln begonnen. Dadurch soll der Zugang zu ausländischen Medien unmöglich gemacht werden. Wie eine tibetische Kontaktperson aus der Gegend mitteilte, richte sich die Massnahme in erster Linie gegen die tibetischsprachigen Programme von Radio Free Asia (RFA) und Voice of America (VOA). RFA zitiert die Kontaktperson: „Anfang April entsandte die örtliche Fernseh- und Rundfunkabteilung der Präfektur technisches Personal in diverse Bezirke, um Kabel für den staatlichen Fernsehempfang zu installieren und die Satellitenschüsseln zu entfernen, mit denen die tibetischen Einwohner bisher die Programme der ausländischen Sender RFA und VOA empfingen...Statt dessen installierten sie Kabel, mit denen man nur die von der Regierung genehmigten Sendungen empfangen kann“.
In einem Dokument der Präfektur Kanlho, das RFA zugespielt wurde, wird von „einem neuem Grosseinsatz zur Einziehung von Satellitenschüsseln“ gesprochen. Damit soll in der Provinz Gansu der Zugang zu Langwellen-Sendungen blockiert werden, denn dort sei es im letzten Jahr zu wiederholten Protestaktionen der Tibeter gegen die chinesische Herrschaft gekommen. In dem Dokument heisst es weiter, wer sich den Anweisungen der Regierung widersetze und seine Schüssel nicht entfernen lasse, werde zur Rechenschaft gezogen.
Bereits im Jahre 2000 ergriff die Regierung Massnahmen, um die Sendungen von RFA und VOA zu blockieren. Zu diesem Zweck wurden in den tibetischen Gebieten Hunderte von Masten mit Störsendern aufgestellt.
Neuer Konflikt um eine Mine: 3 Verwundete
Bei einem weiteren Konflikt um ein Bergbauprojekt wurden 3 Tibeter verletzt. Die Proteste im Bezirk Meldro Gongkar, nahe Lhasa, richteten sich gegen die Umleitung von Wasser in eine Mine. Die Umleitung hat zum Austrocknen des Flusses geführt, so dass nicht genug Trinkwasser zur Verfügung steht und die Felder nicht mehr ausreichend bewässert werden können. Auch seien in Folge der Massnahmen viele Quellen in der Region versiegt.
Die Mine hatte bereits im Jahre 1990 den Betrieb aufgenommen und zahlreiche chinesische Arbeiter angezogen. Kürzlich wurden gross angelegte Baumassnahmen zur Umleitung von Wasser aus dem lokalen Fluss begonnen. Die Kanäle führen über Ackerland, das den Bauern ohne Kompensation abgenommen wurde. Die Anwohner klagen ausserdem, dass bereits 1000 Tiere wegen Wassermangel und toxischer Rückstände aus dem Abbau verendet seien.
Nachdem eine Delegation der betroffenen Anwohner, die zu einem Gespräch mit den Behörden entsandt worden war, abgewiesen wurde, versammelte sich einer ungenannte Zahl von Tibetern auf der Strasse und geriet mit den chinesischen Arbeitern aneinander. Die nachfolgende Polizeiaktion am 20. Juni liess 3 Tibeter verletzt zurück; einer von ihnen wurde ein Spital eingeliefert.
Auch eine Versammlung mit den Protestierenden, die am folgenden Tag einberufen wurde und zu der hochrangige Kader und weitere Sicherheitskräfte herbei eilten, habe die Bevölkerung nicht beruhigen können. Zwar seien viele chinesische Arbeiter von der Mine abgezogen worden, doch die Proteste vor dem Regierungsgebäude hielten an. Tibeter würden sich auf die Stasse legen und so die Zufahrt zur Mine blockieren.
Quellen: Radio Free Asia [adaptierte dt. Übersetzung von IGFM München]; Phayul
15. Juni 2009
Konflikt um Goldmine friedlich beigelegt
Nach langen Auseinandersetzungen soll sich laut einem Informanten von Radio Free Asia die Betreiberin der geplanten Goldmine zurückziehen. Hunderte von Tibetern hatten fast vier Monate lang die Zufahrt zu einer geplanten Goldmine blockiert, weil das Edelmetall in einem für die Anwohner heiligen Berg gewonnen werden sollte [vergl. Tibet-Information vom 28. Mai 2009; UM]. Nachdem Sicherheitskräfte aufgezogen waren, drohte die Anwendung von Gewalt zur Auflösung der Blockade.
Nun soll aber der Konflikt friedlich beigelegt worden sein, indem die Betreiberin Zhongkai Co. schriftlich zusicherte, dort kein Gold zu schürfen. In Anwesenheit von lokalen Regierungsmitgliedern sei eine schriftliche Übereinkunft geschlossen worden, dass die Tibeter die Blockade beenden und sich gleichzeitig die Sicherheitskräfte zurückziehen. Keine Einigkeit hingegen herrscht über die Beseitigung von möglicherweise giftigen Rückständen aus früherer Minentätigkeit. Die Behörden hätten zugesichert, eine Betonbarriere zu errichten, damit diese Rückstände nicht in das Trinkwasser sickerten. Während die Behörden dieRückstände sofort beseitigen wollten, hätten die Tibeter darauf bestanden, diese erst von einer unabhängigen Spezialfirma untersuchen zu lassen. Auch die lokalen Behörden hätten nun das Umweltschutz-Department der Autonomen Region Tibet mit einer Untersuchung beauftragt.
Tibeter widersetzen sich dem Verbot, ein religiöses Fest zu feiern
Sicherheitskräfte in Lhasa nahmen Anfang Juni sechs Tibeter fest, nachdem bis zu 200 Personen zur Feier des Saka Dawa Festes – anlässlich Buddha‘s Geburt, Erleuchtung und Eingang ins Nirwana - zusammengekommen waren. Einwohner von Lhasa sagen, es sei dort die erste grössere Versammlung von Tibetern seit den massiven Demonstrationen gegen die chinesische Herrschaft gewesen, die im März 2008 ausbrachen. Die Behörden hatten schon im Vorfeld zu diesem buddhistischen Fest die Restriktionen für die religiöse Betätigung der Tibeter verschärft. Strenge Anweisungen ergingen an Studenten und Regierungsangestellte, während der Festtage keine religiöse Stätten aufzusuchen.
Laut Augenzeugen sammelten die Tibeter Geld und brachten im zentralen Tempel der Stadt, dem Jokhang, Opfergaben dar. Dann zogen sie zum Potala Palast, der ehemaligen Residenz des Dalai Lama. Dort riefen sie „Lha Gyalo“ (Die Götter mögen siegen). Sie hatten sich alle traditionelle tibetische Seidenschals umgelegt. Als sie ihren Weg fortsetzen wollten, wurden sie von Militärpolizisten aufgehalten“, fügte er hinzu. Später versammelten sich weitere Tibeter, wurden aber von der Polizei angehalten und zur Rede gestellt. Sie antworteten, dass sie lediglich von ihrer Religionsfreiheit Gebrauch machten. Über das Schicksal der Festgenommen ist nicht weiteres bekannt.
Muss Renault für Ehrenbürgerschaft des Dalai Lama in Paris büssen?
China hat den Import von Autos der Marke Renault wegen „Sicherheitsproblemen“ gestoppt. Anlass für die Massnahme könnte die Ernennung des Dalai Lama zum Ehrenbürger von Paris sein.
Die zuständige Behörde sprach in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung von „ernsthaften versteckten Sicherheitsproblemen“. Betroffen vom Einfuhrstopp sind mehrere Modelle des französischen Herstellers. Eine Sprecherin von Renault betonte gemäss BBC, die Probleme hätten nichts mit der Produktion der Fahrzeuge zu tun, sondern mit dem Transport und der Lagerung.
Die BBC verwies darauf, dass der Importstopp nur drei Tage nach der Ernennung des Dalai Lama zum Ehrenbürger von Paris verhängt wurde. Das chinesische Aussenministerium hatte am Montag gegen die vom Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë vorgenommene Ehrung protestiert und von einer „ernsthaften Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten Chinas gesprochen. Erst kürzlich hatte die chinesische Regierung Frankreich vor weiteren „Fehlern“ in Sachen Tibet gewarnt.
Quellen: Radio Free Asia; 20 min.ch; BBC
28. Mai 2009
Tibeter besetzen Zufahrt zu Goldmine
Seit mehreren Monaten widersetzen sich Tibeter in der Präfektur Chamdo in Osttibet der Erschliessung einer Goldmine. Diese Mine ist in einem für die Anwohner heiligen Berg geplant, der von ihnen seit Jahrhunderten für religiöse Zeremonien gegen Dürreperioden genutzt wird.
Ein Vermittlungsversuch des Vizepräsidenten der Kommunistischen Partei in Tibet, Pema Thinley, im April scheiterte, so dass dieser unter Begleitschutz gegen die demonstrierenden Tibeter den Rückweg nach Lhasa antreten musste.
Nun kommt es zu einer dramatischen Zuspitzung, seit etwa 500 Demonstranten die Zufahrt zur geplanten Mine blockieren. Die Tibeter halten die Zufahrt Tag und Nacht besetzt und sind von etwa 300 bewaffneten Sicherheitskräften eingekesselt, die in den letzten Tagen nochmals Verstärkung erhalten hätten. Die Sicherheitskräfte hätten auch alle Telefonverbindungen, einschliesslich Mobilfunk, nach aussen gekappt, wie lokale Einwohner berichten. Die Demonstranten betonen, sie würden notfalls auch ihr Leben geben, um den für sie heiligen Ort zu schützen
Flüchtlinge aus Tibet berichten, dass in Tibet ein sehr aktiver Explorationsprozess im Gange sei. Prospektoren in Gruppen von gewöhnlich 15 Personen würden auf der Suche nach Bodenschätzen alle Regionen des Landes durchstreifen.
Sechs Tibeterinnen im Konflikt um einen Staudamm verwundet
Bei einem Zusammenstoss mit Sicherheitskräften wurden in der Präfektur Kardze in Osttibet sechs protestierende Tibeterinnen durch Schüsse verwundet. Ihre Proteste richten sich gegen ein Staudammprojekt, das eine grosse Zahl von Tibetern zur Umsiedlung zwingt.
Bereits Anfang 2008 hatten die Behörden unter Zwang Einverständniserklärungen der Einwohner eingefordert, dass sie den Umsiedlungen zustimmen. Nun, als die Umsiedlungen implementiert werden sollten, formierte sich eine Widerstandbewegung, die von einer über 70-jährigen Tibeterin angeführt wird. Die Auseinandersetzungen gipfelten anlässlich der Zerstörung der ersten Häuser, die dem Projekt weichen sollten.
Die aufgebrachte Menge zerstörte auch eine steinerne Stele, die die Behörden im vergangenen Jahr im Dorf errichtet hatten, um die Übereinkunft zur Umsiedlung zu besiegeln.
Da die Proteste nicht nachliessen, wurden am 24. Mai weitere Sicherheitskräfte in die Region verlagert. Diese trafen auf eine verärgerte Menschenmenge, die gegen ihre Ankunft protestierte. Die Sicherheitskräfte eröffneten darauf das Feuer, das sechs Tibeterinnen verletzt zurückliess. Diese wurden abtransportiert; über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Wieder Verbrennung von Tierfellen in Tibet
Wie schon vor drei Jahren [vergl. Tibet-Informationen von Februar und März 2006; UM] kam es im Februar 2009 wieder zu einer Verbrennung von Fellen. Die International Campaign for Tibet publizierte im Internet Fotos und einen Bericht (http://www.savetibet.org/media-center/ict-news-reports/new-images-burning-wild-animal-pelts-dramatic-act-dissent) über die Aktion in Osttibet, in der Tibeter Tierfelle im Wert von umgerechnet ca. 14‘000 US-Dollar – entsprechend dem 70-fachen eines durchschnittlichen Jahreseinkommen in Tibet – verbrennen. Diese Aktion sollte den Willen der Tibeter drastisch unterstreichen, in diesem Jahr aus Trauer über die Opfer des Aufstandes von 2008 kein Neujahrsfest zu begehen.
Die Aktion war im Jahr 2006 in Gang gekommen, nachdem der Dalai Lama die Tibeter aufgerufen hatte, auf den Schmuck ihrer Kleidung mit Tierfellen zu verzichten. Die Bewegung mit Massenverbrennungen von Tierfellen weitete sich damals zu einer massiven Loyalitätsbekundung für den Dalai Lama aus.
Quellen: Phayul; Central Tibetan Administration; International Campaign for Tibet
11. Mai 2009
Ein Novum: Anwalt setzt sich mit Erfolg für tibetische Gefangene ein
Der Beijinger Anwalt Li Fangping, der schon den prominenten Dissidenten Hu Jia verteidigte und sich im vergangenen Herbst für Opfer des Giftmilchskandals engagierte, erzielt erste Erfolge in der Verteidung politischer Gefangener in Tibet. Die Tatsache, dass ein unabhängiger Anwalt tibetische Gefangene verteidigt und erst noch Erfolg erzielt, ist ein absolutes Novum.
Durch seine Intervention wurde der 42-jährige Tibeter Jigme aus der Haft entlassen. Jigme, ein Mönch aus dem im Nordosten Tibets, in der heutigen Provinz Gansu, gelegenen Labrang-Kloster, wurde während der März-Unruhen des vergangenen Jahres festgenommen und schwer gefoltert. „Sie hingen mich an meinen gefesselten Händen für mehrere Stunden an der Decke auf und schlugen mit voller Gewalt auf mein Gesicht und meinen Oberkörper ein,“ berichtete er. Erst als er todkrank schien, wurde er entlassen und erholte sich nach dreiwöchiger Spitalpflege. Nachdem er ein Video auf YouToube platzieren konnte, in dem er seine Leidensgeschichte schilderte, musste er sich wochenlang in den Bergen verstecken, wurde aber im November letzten Jahres bei einer Razzia wieder verhaftet.
Li Fangping gab gegenüber der Presse an: „Als die Polizei Jigme informierte, dass Anwälte ihre Hilfe angeboten hätten, sagte er, er würde gerne durch diese vertreten werden. Noch ehe wir ihn überhaupt sehen konnten, wurde er freigelassen.“ Der Mönch erklärte gegenüber Li und dem zweiten Anwalt, Jiang Tianyong, die Polizei habe ihn bei seiner Entlassung gewarnt, keine Interviews zu geben und mit so wenigen Menschen wie möglich zu sprechen.“.
Nun verteidigt Li Fangping auch den 52-jährigen tibetischen Lama Phurbu Tsering Rinpoche, den die Behörden für einen Anführer der Demonstrationen im vergangenen Frühjahr halten. Der Vorsteher eines Klosters in der Provinz Sichuan ist der ranghöchste Geistliche, der bisher im Zusammenhang mit den Aufständen vor Gericht kommt. Das Verfahren soll beweisen, dass die Gewaltausbrüche von den Tibetern ausgegangen und von langer Hand geplant gewesen seien.
Phurbu Rinpoche war im Mai 2008, gut zwei Monate nach den ersten Protesten, festgenommen worden, nachdem sein Kloster gegen die offizielle Kampagne zur "patriotischen Umerziehung" demonstriert hatte. Laut Anklage hätten die Polizisten unter seinem Bett eine Pistole und mehr als hundert Schuss Munition entdeckt. Ausserdem soll sich der 52-Jährige, der wegen seiner karitativen Bemühungen hoch angesehen ist, am Bau von Altenheimen und Krankenhäusern bereichert haben. Bei einer Verurteilung drohen Phurbu Rinpoche bis zu 15 Jahre Haft.
Li macht sich keine Illusionen darüber, dass die Richter seinen Mandanten schon vor der ersten Anhörung für schuldig befunden haben. "Politisch gibt es in diesem Fall keine Hoffnung", sagte er nach dem ersten Verhandlungstag. "Trotzdem lohnt es sich, dafür zu kämpfen, dass dieses Verfahren so gerecht wie möglich abläuft." Immerhin konnte Li hier in letzter Minute einen Aufschub des Urteils erreichen. Hinter den Kulissen wurde Li bereits gewarnt. "Man hat mir gesagt, ich solle nicht allzu enge Beziehungen zu den Verwandten des Angeklagten aufbauen", berichtet Li. "Ausserdem soll ich stets darauf achten, das Ansehen des Staates zu schützen.
Mönche, die vor internationaler Presse demonstrierten, flohen nach Indien
Fünf Mönche, die vor einem Jahr im Kloster Labrang eine organisierte Führung von Medienvertreter störten, sind ins Exil geflohen. Eine Gruppe von Möchen hatte im April letzten Jahres eine eskortierte Führung von ausländische Journalisten, der dort angebliche „Normalität“ vorgeführt werden sollte, gestört und politische Parolen gerufen [vergl. Tibet-Information vom 15. Mai 2008; UM].
Die Mönche waren sofort nach Abreise der Journalisten verhaftet und schwer misshandelt worden. Nachdem sie sich monatelang in den Hügeln um das Kloster versteckt hatten, gelang nun fünf von ihnen die Flucht nach Indien.
Quellen: Times Online; Frankfurter Rundschau; Radio Free Asia
14. April 2009
Todesurteile nach März-Unruhen von 2008
China hat offenbar eine Zeit geringer internationaler Aufmerksamkeit zu Tibet abgewartet, um die bisher härtesten Urteile im Zusammenhang mit den März-Unruhen des letzten Jahres zu fällen. Zwei Tibeter wurden von dem Mittleren Volksgericht in Lhasa zum Tode verurteilt.
Ein Tibeter mit dem Namen Lobsang Gyaltsen wurde wegen Brandstiftung am 14. März 2008 in zwei Kleidergeschäften im Zentrum von Lhasa zum Tode verurteilt, wobei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge der Ladeninhaber ums Leben gekommen sei. Gegen den zweiten Tibeter mit dem Namen Loyak erging das Todesurteil wegen Mittäterschaft bei der Brandstiftung in einem Motorrad-Geschäft, wobei der Inhaber, seine Frau, sein Sohn und zwei Angestellte umgekommen seien. Gegen zwei weitere Tibeter, Tenzin Phuntsok und Kangtsuk, ergingen Todesurteile mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub. Ein fünfter Tibeter namens Dawa Sangpo wurde zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt. Ausserdem würden wegen eines vierten Falles von Brandstiftung mit tödlichem Ausgang noch weitere Tibeter vor Gericht gestellt werden.
Xinhua behauptet, die Gerichtsverhandlungen für die fünf Tibeter seien öffentlich gewesen, aber dies konnte aus unabhängiger Quelle nicht bestätigt werden. „Der Gerichtshof sorgte dafür, dass den Angeklagten Dolmetscher für Tibetisch zur Seite gestellt wurden“, wurde ein Sprecher des Mittleren Volksgerichts von Lhasa zitiert. Daraus kann geschlossen werden, dass die Gerichtsverfahren in chinesischer Sprache stattfanden. Es ist auch nicht klar, wie lange die Prozesse dauerten. Sie schienen im Eilverfahren durchgezogen worden zu sein. Es schien tatsächlich niemand ausserhalb der Regierung zu wissen, wann die Prozesse überhaupt stattfinden würden.
Darüber hinaus wurde der Gerichtssprecher zitiert: „Ihre Anwälte brachten alle Argumente zu ihrer Verteidigung gebührend vor. Die Rechte der Angeklagten im Verfahren wurden vollständig gewahrt und es wurde ihrer Menschenwürde und ihrem ethnischen Brauchtum Rechnung getragen“. Dem steht entgegen, dass vor einem Jahr 21 Rechtsanwälte in China, die anboten, Tibeter unentgeltlich vor Gericht zu vertreten, von der Regierung unter Druck gesetzt wurden. Einigen wurden sogar ihre Lizenzen zur Ausübung ihres Berufs entzogen.
Bedenklich stimmt die Begründung der Todesurteile. Ein Gerichtssprecher sagte: „Die zwei Angeklagten begingen ausserordentlich schwere Verbrechen; sie müssen hingerichtet werden, um die Wut des Volkes zu beschwichtigen“.
Neue Form des Widerstandes: tibetische Bauern bestellen ihre Felder nicht
Vor allem in den heute der chinesischen Provinz Sichuan zugeschlagenen tibetischen Landesteilen macht sich eine neue Form des passiven Widerstandes breit. Bauern boykottieren die Bestellung der Felder und die Aussaat für dieses Jahr. Der Widerstand scheint weit verbreitet und sehr ernst zu sein, so dass China jetzt in grossem Masse die Armee, Regierungsangestellte und Parteikader zur Bestellung der Felder mobilisieren muss. Ende März soll es sogar bei Zusammenstössen zwischen Bauern und Sicherheitskräften zu einem Todesopfer und 8 Verletzten gekommen sein. Bei dem Getöteten handele es sich um einen Mönch, der den lokalen Boykott der Feldbestellung organisierte.
Auch die Tibetische Regierung im Exil rief die Bauern auf, den Boykott aufzugeben, um sich nicht selbst zu schaden. Die Zeitung The Times zitierete jedoch eine lokale Stimme: „Die Bauern wissen, dass sie selbst darunter leiden werden. Aber das ist ihre Art, ihre Unzufriedenheit zu zeigen.“
In den tibetischen Regionen der Provinzen Sichuan und Gansu kommt es nach wie vor fast täglich zu kleineren Protestaktionen. In der letzten Woche wurden in der tibetischen Stadt Ganze zur Abschreckung tibetische Gefangene auf mehreren Lastwagen durch die Strassen gefahren und zur Schau gestellt.
Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy TCHRD (adaptierte dt. Übersetzung durch IGFM München); The Times
7. April 2009
„Ghostnet“ spioniert von China weltweit Computer aus
Ein international operierendes Spionagenetz hat nach Erkenntnissen kanadischer Forscher weltweit staatliche und private Computer attackiert und zahllose Dokumente gestohlen. Die Forscher des Munk Center for International Studies waren vom Büro des Dalai Lama eingeladen worden, die Computer der tibetischen Administration im Exil nach Zeichen von Spionagesoftware zu durchsuchen.
Entdeckt wurde ein von den Forschern als „Ghostnet“ bezeichnetes Netzwerk, das in weniger als zwei Jahren mindestens 1‘295 Rechner in 103 Ländern infiziert hat. Dazu gehören nicht nur die Computer der tibetischen Administration, sondern auch solche in Aussenministerien, Botschaften, internationaler Institutionen und Medien mehrerer Staaten. Betroffen sind neben den Tibetern die Aussenministerien und Botschaften von Iran, Bangladesh, Lettland, den Philippinen, Brunei, Barbados, Bhutan, Indien, Südkorea, Indonesien, Rumänien, Zypern, Malta, Thailand, Taiwan, Portugal und Deutschland.
Das Ghostnet sei weiter aktiv und infiziere pro Woche mehr als ein Dutzend neue Rechner. Die Hacker hätten Schadsoftware installiert, die Daten von den den betroffenen Computern empfangen und versenden kann. Es würden nicht wahllos Daten ausspioniert, sondern das Schadprogramm gehe ganz gezielt nach Suchkriterien vor. Es sei sogar möglich gewesen, an Computer angeschlossene Mikrofone und Kameras ferngesteuert einzuschalten und Aufzeichnungen zu machen. In einem Fall hatte die Spionageaktion reale Auswirkungen. Nachdem das Büro des Dalai Lama einem ausländischen Diplomaten per Mail eine Einladung schickte, rief ein chinesischer Regierungsvertreter diesen prompt an und riet ihm von dem Besuch ab.
Obwohl drei der vier Kontrollserver in China stehen, vermieden die Forscher eine Schuldzuweisung an die chinesische Regierung. Dafür seien die Vorgänge im Untergrund des Internet zu komplex. Es sei auch möglich, dass die Hacker politisch motivierte Individuen seien. Ein Sprecher des chinesischen Konsulats in New York dementierte eine mögliche Beteiligung seiner Regierung entschieden. „Das sind alte Geschichten, und sie sind Blödsinn.“
Widersprüchliche Informationen nach Selbstmord des Mönches von Ragya
Zum Selbstmord des Mönchs Tashi Sangpo, der von einer Polizeistation floh und sich in den Machu (Oberlauf des Gelben Flusses) stürzte [vergl. Tibet-Information vom 27. März 2009; UM], liegen widersprüchliche Äusserungen und Reaktionen der Behörden vor. Ein tibetischer Lama aus einem Kloster in Südindien, der Kontakte in die Region hat, berichtete dem Sender Voice of Tibet, der Familie des Mönches sei eine finanzielle Entschädigung von 200‘000 chinesischen Yuan – umgerechnet etwa CHF 33‘000 - geboten worden.
Offizielle Vertreter hatten bis vor kurzem bestritten, dass der Mönch im Fluss ertrank. Xinhua zitierte eine Tibeterin, die gesehen haben will, wie der Mönch den Fluss durchschwamm. Diese Zeugin ist aber nicht mehr auffindbar. Laut Informanten befinde sich die Frau nun in Polizeigewahrsam.
Die chinesischen Behörden, die anfänglich leugneten, dass Tashi Selbstmord beging, akzeptierten nun seinen Tod, nachdem seine Robe am Flussufer gefunden wurde.
Ein grösseres Truppenkontingent wurde von den Provinzhauptstädten Golok und Xining in die Gegend verlegt, nachdem wegen des Vorfalls Tausende von aufgebrachten Tibetern am 21. März auf die Strasse gegangen waren.
Quellen: Süddeutsche Zeitung; Tagesschau (D); Phayul (adaptierte dt. Übersetzung durch IGFM München); Voice of Tibet
27. März 2009
Gespannte Lage nach Selbstmord eine Mönches in Golog (Nord-Tibet)
Nach dem Selbstmord eines Mönches am 21. März ist sein Heimatkloster Ragya von einem massiven Aufgebot von Sicherheitskräften abgeriegelt. Am 10. März hatten Sicherheitskräfte entdeckt, dass Mönche auf dem Dach des Klosters die chinesische Flagge eingeholt und durch die verbotene tibetische Nationalflagge ersetzt hatten. Der 25-jährige Mönch Tashi Sanpo wurde nach einer Razzia verhaftet, nachdem Sicherheitskräfte in seinem Zimmer neben der tibetischen Nationalflagge auch verbotene politische Schriften entdeckt hatten. Am 21. März entkam er unter dem Vorwand eines Toilettenganges – diese befinden sich in Tibet oft ausserhalb von Gebäuden – aus der lokalen Polizeistation und stürzte sich in den nahegelegenen Machu, den Oberlauf des Gelben Flusses. Augenzeugen wollen noch gesehen haben, wie ihn die Fluten mitrissen; seine Leiche wurde nicht gefunden.
Nachdem sich die Nachricht seines Selbstmordes herumgesprochen hatte, versammelten sich mehrere hundert Tibeter vor der Polizeistation und stürmten diese. Sie bemächtigten sich der beschlagnahmten tibetischen Nationalflagge und liessen sich auch nicht durch ein aufziehendes Grossaufgebot von Sicherheitskräften einschüchtern, ihre Demonstration fortzusetzten. Insgesamt 95 Tibeter wurden verhaftet. Regierungsstellen bestätigten den Vorfall und die Flucht des Mönches, erklärten jedoch, dieser sei entkommen. Danach hätten sich „durch ein Gerücht irregeführteTibeter“ vor der Polizeistation eingefunden.Auch seien nur 6 Personen festgenommen worden, weil sie „Polizisten und Regierungspersonal angegriffen“ hätten, und die übrigen 89 Tibeter hätten sich „freiwillig gestellt“. Aus der Provinzhauptstadt Xining sind Verstärkungen für die Sicherheitskräfte eingetroffen, die das Kloster umstellt halten. Alle Telefon- und Mobilfunkverbindungen sind seitdem unterbrochen.
Videomaterial bestätigt Misshandlungen von Tibetern – YouTube blockiert
Zwei Videofilme, die kürzlich ins Ausland gelangten, dokumentieren die Brutalität, mit der demonstrierende Tibeter während der Unruhen im März letzten Jahres behandelt wurden. Die Filme sind unter folgenden Links abrufbar: http://footage.tibetanbridges.com/Torture-in-Tibet.mov (dieser Link eignet sich auch zum Download, 80 MB), oder: http://blip.tv/file/1903244/ oder:
http://media.phayul.com, oder:
http://www.dailymotion.com/tibetswiss/video/14676198.
Ein Videofilm wurde in oder in der Nähe von Lhasa nach dem 14. März 2008 gemacht. Hier wird gezeigt, wie die tibetischen Gefangenen, sogar nachdem sie gefesselt und in Handschellen gelegt wurden, geschlagen und über den Boden gezerrt werden.
Das zweite Video handelt von einem jungen Tibeter, Tendar, einem Angestellten der China Mobile Company. Dieser wurde am 14. März 2008 festgenommen, als er einem wehrlosen Mönch zu Hilfe eilen wollte, der von Sicherheitskräften geschlagen wurde. Tendar wurde selbst verhaftet und in Haft gefoltert, indem man ihm Zigaretten auf seiner Haut ausdrückte, einen Nagel in seinen rechten Fuss trieb und ihn exzessiv mit elektrischen Schlagstöcken traktierte. Tendar wurde schliesslich todkrank aus der Haft entlassen; die Videoaufnahmen dokumentieren, dass er zahlreiche, faulende Wunden aufwies, die einfach mit Plastikfolien abgedeckt waren. Er erlag schliesslich seinen Verletzungen. Bei der Himmelsbestattung gemäss der tibetischen Tradition fand der Leichenbestatter einen Nagel in seinem rechten Fuss.
Prompt bezeichnete die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua das Video von Tendar als Fälschung. Dieser Film sei aus verschiedenen Aufnahmen ohne Zusammenhang zusammengestückelt, und es handele sich nicht um Tendar. Das Videoportal von YouTube, in das dieses Video gestellt wurde, ist seit mehreren Tagen für Benutzer in China blockiert.
Quellen: BBC; TCHRD (adaptierte dt. Übersetzung durch IGFM München); Phayul; AP
17. März 2009
Chinesische Behörden berichten über „Erfolg“ der Gross-Razzien in Tibet
Im Februar ereigneten sich im Vorfeld der sensitiven Gedenktage im März ausgedehnte Razzien [vergl. Tibet-Information vom 10. Februar 2009; UM]. Die beim Volkskongress in Beijing verteilte Tageszeitung der chinesischen Sicherheitsbehörden "Renmin Gonganbao" (China Police Daily) berichtete auf der Titelseite unter der Überschrift "Erste Erfolge der Sonderaktionen bei der Ordnungskampagne ,Hart zuschlagen'" über die sogenannte "Antikriminalitätskampage". Ziel der Polizeirazzien war, für eine "gute soziale Ordnung" zu sorgen, aus Anlass der wichtigen Gedenktage vom "50. Jahrestag der demokratischen Reformen in Tibet" bis zum "60. Jahrestag der Gründung Chinas" am 1.Oktober. Alle nicht als Bürger registrierten Zugewanderten oder Migranten sollten aufgespürt werden. Bisher seien 20‘888 vermietete Wohnungen, 2‘420 Läden, 6‘906 Internetcafés, Bars und Discos und 58‘853 von ausserhalb nach Tibet Zugewanderte kontrolliert und durchsucht worden. Echte Kriminelle, um die es den Behörden angeblich geht, wurden dabei aber kaum erwischt. Der Bericht nennt 40 entdeckte kriminelle Fälle mit 26 Verdächtigen, darunter "vier Prostituierte mit Kunden" oder einen Heroinfund von 10.2 Gramm.
De-facto herrscht Kriegsrecht – „Tibet ist friedlich und stabil“, sagt die Regierung
Laut Informanten der Zeitung South China Morning Post (Hongkong) hielten die Razzien bis zum Jahrestag des letztjährigen Aufstandes am 14. März an. Die Sicherheitskräfte hätten laut den Informanten „kein einziges Hotel, Gästehaus oder Herberge ausgelassen“. Mobilfunknetze und Internetverbindungen wurden schon vor dem 14. März gekappt. Von dem Aufenthaltsverbot in Lhasa seien auch Chinesen aus Hongkong, Macao und Taiwan, und selbst Tibeter aus Regionen ausserhalb von Lhasa, betroffen. Alle, deren Identitätskarten nicht in Lhasa ausgestellt sind, wurden verhört und manchmal sogar verhaftet. Alle grossen Klöster sind komplett abgeriegelt. In einem dieser Klöster, Sera, hätten sich am 9. März „einige Dutzend Mönche“ eine Protestaktion durchgeführt, und nun sei das Kloster von etwa 100 Sicherheitskräften umstellt. Überall in der Stadt sind Strassensperren. Im Zentrum von Lhasa durchkämmten Sicherheitskräfte sogar die Hausdächer auf der Suche nach Wurfgeschossen.
Zahlreiche kleinere Protestaktionen von wenigen Personen wurden auch aus anderen Regionen gemeldet. Derweil bezeichnete Ministerpräsident, Wen Jiabao, auf einer Pressekonferenz zum Abschluss der diesjährigen Plenarsitzung des Volkskongresses in Peking die Lage in Tibet als "friedlich und stabil". Dies beweise die Richtigkeit der Pekinger Tibet-Politik.
Beinamputation zur Spurenbeseitigung?
Laut TCHRD liegt der Mönch Tabey, der sich am 27. Februar 2009 aus Protest verbrennen wollte [vergl. Tibet-Information vom 8. März 2009; UM], in einem geheim gehaltenen staatlichen Krankenhaus in Chengdu (Provinz Sichuan). Seine Mutter habe ihn in dem Krankenhaus besuchen, aber nicht mit ihm sprechen dürfen. Die Begegnung habe nur wenige Minuten gedauert. Tabey steht derzeit unter intensivem polizeilichem Schutz. Die chinesischen Behördenvertreter hätten seine Mutter über die medizinische Notwendigkeit informiert, ihrem Sohn beide Beine zu amputieren, was Tabey selbst energisch ablehnt. Verdächtig stimmt, dass Regierungsstellen bisher nur von Hals- und Armverletzungen gesprochen hatten.
TCHRD spekuliert, dass Tabey ausser schweren Verbrennungswunden auch ernste Schussverletzungen durch die Sicherheitskräfte an beiden Beinen erlitt, falls die Darstellung zutrifft, dass die Sicherheitskräfte ihn bei seinem Versuch der Selbstverbrennung niederschossen. TCHRD befürchtet, dass die chinesischen Behörden Tabey die Beine amputieren wollen, um die irreversiblen Verletzungen, die er durch die Schüsse in seinen Beine davontrug, zu verschleiern.
Quellen: Die Welt; South China Morning Post; Tibetan Center for Human Rights and Democracy TCHRD (adaptierte dt. Übersetzung durch IGFM München)
8. März 2009
Versuchte Selbstverbrennung: Schüsse auf einen Mönch aus dem Kloster Kirti?
Am 27. Februar sollen chinesische Sicherheitskräfte das Feuer auf einen tibetischen Mönch eröffnet haben, der sich aus Protest in der osttibetischen Region Ngaba (chin. Aba) in der Provinz Sichuan selbst angezündet hatte. Laut Augenzeugen hatte sich der etwa 20jährige tibetische Mönche Tabey aus dem Kloster Kirti, eine selbstgefertigte tibetische Fahne in der Hand haltend, im Stadtzentrum mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt. Er sei sofort von mehreren bewaffneten Polizisten umgeben worden. Augenzeugen berichteten von drei einzelnen Schüsse, worauf der Mönch zu Boden stürzte. Die Polizisten erstickten die Flammen, luden den Mönch in ein Fahrzeug und fuhren ihn an einen unbekannten Ort.
Knapp eine Stunde vor diesem Zwischenfall hatten sich etwa eintausend Mönche des Klosters Kirti vor dessen Hauptgebetshalle versammelt, um das Monlam-Gebetsfest abzuhalten, das traditionell am dritten Tag von Losar, dem tibetischen Neujahr, stattfindet - trotz des wenige Tage zuvor von den chinesischen Behörden in Ngaba erlassenen Verbots der Gebete. Als sie sich vor der Gebetshalle versammelten, stellten sie fest, daß die Türen verschlossen waren. Angehörige des staatlich eingesetzten sogenannten „Demokratischen Verwaltungskomitees“ des Klosters und der Abt kamen herbeigeeilt und baten die Mönche, schnell in ihre Zimmer zurückzugehen. Alle folgten dieser Aufforderung, außer Tabey, der sich in Richtung Stadtzentrum auf den Weg machte.
Über das Schicksal des Mönches herrscht weiter Unklarheit. Nachdem die Nachricht an die internationalen Medien gedrungen war, bestätigte die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua diesen Vorfall, wartete aber mit einer anderen Darstellung auf. Eine Person, die eine Mönchsrobe getragen habe, so Xinhua, habe sich in Brand gesetzt, jedoch sei das Feuer sofort von Polizisten gelöscht und die Person mit Verbrennungen am Hals und den Händen in ein Spital gebracht worden. Eine Woche später berichtete Xinhua, der Mönch sei ausser Lebensgefahr und erhole sich im Spital. Ein anderer Mönch im Kloster Kirti habe unterdessen „gestanden“, dass er „die Geschichte erfunden und Gerüchte verbreitet habe, auf den Mönch sei geschossen worden.“
Seitdem ist das Kloster Kirti von Sicherheitskräften abgeriegelt. Dieses Kloster steht schon seit März 2008 unter starker polizeilicher Überwachung, seit bewaffnete chinesische Truppen am 16. März vergangenen Jahres das Feuer auf unbewaffnete tibetische Demonstranten eröffneten. Nach Angaben von Augenzeugen starben damals 13 bis 30 Tibeter, während viele weitere Verletzungen erlitten. Die Körper der getöteten Demonstranten wurden in das Kloster Kirti gebracht, Bilder der Leichen gelangten auf über das Internet ins Ausland. Auch das Gebiet um das Kloster Kirti wurde seit März 2008 vollkommen abgeriegelt. Im September 2008 berichtete Free Tibet über weitere Repressionen in Kirti, als 50 Mönche von den paramilitärischen Kräften mit Gewehrläufen, Schaufeln und Fleischmessern angegriffen wurden [vergl. Tibet-Information vom September 2008; UM].
Neue Protestaktionen von Mönchen nahe Kloster Kirti
Nur 1.5 km entfernt von Kirti gab es am 1. März eine weitere Protestaktion. Etwa 200 Mönche des Klosters Sey marschierten protestierend zur Stadt, weil auch ihnen die Abhaltung des Mönlam-Gebetsfestes verweigert wurde. Die Mönche hatten trotz des behördlichen Verbots mit den Gebeten begonnen, wurden aber von Funktionären an deren Fortsetzung gehindert. Vielen von ihnen begannen darauf protestierend in Richtung der Bezirksstadt zu marschieren. Die Mönche kamen nur etwa 5-10 Minuten weit, ehe sie von Mitgliedern des „Demokratischen Verwaltungskomitees“ angehalten wurden. Bald waren Sicherheitskräfte zur Stelle, drängten die Mönche in das Kloster zurück, das jetzt von Sicherheitskräften umstellt ist.
China: Ausland will China verleumden, um von Wirtschaftskris e abzulenken
Die offizielle chinesische Presse unterstellt dem Ausland niedrige Absichten. In Wirklichkeit solle nur von den Problemen der Wirtschaftskrise abgelenkt und China geschwächt werden. Das Informationsbüro des Staatsrates sieht darin „den Versuch von anti-chinesischen Kräften, China zu schwächen, spalten und dämonisieren“ Auch die Zeitung „People’s Daily“ fährt schweres Geschütz auf. Chinas Aufstieg habe in der westlichen Welt „Angst und Beunruhigung ... ausgelöst. Die provokativen Aktionen wegen des angeblichen ‚Tibet-Problems‘ im Jahre 2008 kamen keineswegs zufällig“.
Quellen: Students for a Free Tibet (adaptierte deutsche Übersetzung durch IGFM München); Xinhua; International Campaign for Tibet; Reuters
20. Februar 2009
Steigende Nervosität in Tibet: Reiseverbot für Ausländer, erzwungene Feiern
In Sorge vor Unruhen zum 50. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes am 10. März haben die Behörden weitreichende Massnahmen implementiert. Das Tourismusbüro im tibetisch geprägten Nordwesten der Provinz Gansu erklärte in der letzten Woche, die Region sei für ausländische Besucher bis Ende März nicht mehr zugänglich. Auch in den Provinzen Sichuan und Qinghai, in die nach der chinesischen Invasion Teile des tibetischen Staates inkorporiert wurden, sind mehrere Regionen gesperrt. Eine Sprecherin im Pekinger Aussenministerium bezeichnete die gegenwärtige Situation in Tibet als „stabil“. Der Zugang für internationale Journalisten ist aber weiterhin eingeschränkt. In der letzten Woche organisierten die Behörden eine Pressereise nach Tibet. Mehrere Medien, darunter auch die Nachrichtenagentur AP, wurden aber davon ausgeschlossen.
Nachdem weltweit Organisationen dazu aufgerufen hatten, als Zeichen der Trauer um die Opfer des letztjährigen Aufstandes das diesjährige tibetische Neujahrsfest am 25. Februar nicht zu begehen, mehren sich Zeichen, dass die Behörden in Tibet die Feiern unter Drohungen implementieren wollen. Radio Free Asia zitiert einen tibetischen Nomaden: “Zehn Tage vor dem Neujahrstag kam die Polizei und teilte uns in Gruppen von je zwanzig Familien ein, für die jeweils ein oder zwei Personen als Verantwortliche ernannt wurden. Diese bekamen dafür etwas Geld und wurde instruiert, dass sie bestraft würden, wenn kein Neujahr gefeiert würde. Später kam die Polizei wieder und verhaftete neun Personen, weil sie die Anführer des Boykotts seien, obwohl diese damit gar nichts zu tun hatten.“
Das Time-Magazin und die Huffington Post wollen erfahren haben, dass lokale Funktionäre Geldsummen an Tibeter aushändigen, damit sie Feuerwerk kaufen. Die Funktionäre würden alle Personen überwachen und diejenigen anzeigen, die kein Feuerwerk zünden. Als Parteikader im osttibetischen Kloster Kirti auftauchten, um die Mönche zu Neujahrsfeiern zu überreden, entschlossen sich diese stattdessen für ein mehrtägiges Retreat. Der staatliche Fernsehsender XZTV kündigte an, dass Regierungsstellen sogar Rabattgutscheine für Neujahrseinkäufe anbieten.
Gewaltsam aufgelöster Massenprotest in Lithang
Im osttibetischen Lithang kam es zu einer Serie von Protestaktionen, die von Sicherheitskräften gewaltsam beendet wurden; danach sei durch diverse Sicherheitsmassnahmen das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen gekommen.
Der Protest begann am 16. Februar, als ein einzelner Tibeter auf einem belebten Platz Parolen für die Rückkehr des Dalai Lama ausrief und die Tibeter aufforderte, sich dem Boykott des Neujahrsfestes anzuschliessen. Ihm schlossen sich bald zwischen 100 und 200 andere Protestierende an, bis die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Demonstranten vorgingen. Nach einem weiteren Protest vor dem Gefängnis am gleichen Tag kam es am folgenden Tag nochmals zu einer grösseren Demonstration, an der nach Augenzeugen etwa 400 Tibeter teilnahmen. Auch diese Aktion wurde gewaltsam beendet. Darauf wurde eine Dringlichkeitssitzung der Behörden einberufen, und alle Läden und Restaurants mussten schliessen. Sicherheitskräfte begannen mit Razzien. Das öffentliche Leben in der Region sei weitgehend lahmgelegt. Auch der Verkehr auf der Verbindungsstrasse zur nächsten Provinzstadt, Bathang, sei wegen massiver Truppenverlegungen nach Lithang zum Erliegen gekommen.
„Die Aggression der Dalai-Clique niederschlagen“
Die regierungsoffizielle Zeitung Tibet Daily berichtete wenige Tage nach den Vorkommnissen in Lithang über eine Sitzung tibetischer Kader, in der in martialischer Sprache – als Zeichen offensichtlicher Sorge und Nervosität – Partei, Regierung, Militär und Polizei dazu aufgerufen wurden, „die wilde Aggression der Dalai-Clique zu zerschlagen, Separatismus zu bekämpfen, und den Volkskrieg zur Wahrung der Stabilität zu führen“.
Quellen: Focus; Radio Free Asia; Time; Huffington Post, Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD); Tibet Daily
10. Februar 2009
Razzien in Lhasa
China hat eine neue sechswöchige Kampagne mit Grossrazzien gestartet, die ganz offensichtlich darauf abzielt, Beteiligte an den letztjährigen Unruhen zu identifizieren. In den offiziellen Lhasa Evening News (chin. Lasa Wen Bao) ist zu lesen: „In den ersten drei Tagen nach dem Start der Winter-Kampagne ‚Strike Hard’ seit dem 18. Januar hat das Public Security Bureau (PSB) von Lhasa 600 Beamte und etwa 160 Polizeifahrzeuge eingesetzt und Durchsuchungen in sieben Wohnblocks, 2.922 Mietwohnungen, 14 Gästehäusern und Hotels, 18 Bars und drei Internet-Cafés in Lhasa vorgenommen. Nach ihrer Razzia in den genannten Räumen konnte das PSB 5.766 Verdächtige festsetzen und sie verhören. Diese Zahl beweist den Erfolg, den die Kampagne bereits drei Tage nach ihrem Neustart verzeichnen kann“. In dem offiziellen Bericht steht nichts darüber, wie viele Leute auf die Durchsuchung hin festgenommen oder wieder freigelassen wurden.
Ausserdem hat die Stadtverwaltung von Lhasa kürzlich eine Verordnung erlassen, der zufolge alle Besucher von ausserhalb, die sich zwischen drei Tagen bis zu einem Monat in Lhasa aufhalten wollen, bei dem Public Security Bureau einen temporären Aufenthaltsschein beantragen müssen. Ausserdem werden bei Unterlassung, sich einen solchen Schein zu besorgen, ernste juristische Schritte angedroht.
Alle Gäste in Herbergen müssen sich mit einer Identitätskarte ausweisen und der Polizei gemeldet werden. Angestellte einiger Herbergen, die von RFA telefonisch befragt wurden, berichteten: „Wir wissen nicht, wann die Polizei kommt, aber wenn sie kommt, dann ganz plötzlich...Die Konsequenzen [Gäste ohne Identitätskarte zu beherbergen] sind sehr ernst. Sie würden die Herberge schliessen...Alle Gäste werden kontrolliert. Wir müssen sie innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft melden. Das gilt auch für Gäste von Hongkong.“
Schüsse nach Protestaktion tibetischer Mönche - gegen Party im Kloster?
Am 27. Januar, dem zweiten Tag des chinesischen Neujahrsfestes, soll es beim osttibetischen Kloster Gonchen zu einer grösseren Protestaktion tibetischer Mönche und Laien gekommen sein. Laut Informanten von Radio Free Asia hätten sich 300 Mönche sowie mehrere hundert Laien vor dem Gebäude der örtlichen Verwaltung eingefunden, um gegen die Verhaftung von etwa 20 Mönchen zu protestieren. Dabei seien auch Schüsse gefallen, jedoch gibt es keine Angaben über allfällige Opfer. Offizielle Stellen bestätigten nur etwa 20 Verhaftungen.
Informanten von Radio Free Asia und Phayul schilderten zwei Versionen über den Anlass der Proteste, wobei nicht klar ist, ob sich nur ein Vorfall oder beide zugetragen haben. Nach einer Version sollten die Mönche des Klosters Gongchen eine Delegation von Kadern feierlich empfangen. Als die Mönche sich weigerten, sollen sich Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde (Public Security Bureau) als Mönche verkleidet und den Empfang durchgeführt haben. Nach einer zweiten Version hätten chinesische Offizielle auf dem Gelände des Klosters eine Party gefeiert. Einige der Kader, sogar Frauen, hätten Mönchsroben angezogen und tanzten auf dem Klosterhof, wo sonst die rituellen Cham-Tänze abgehalten werden, vor den Mönchen.
Etwa 20 Mönche hätten dagegen protestiert und seien festgenommen worden. Diese wurden vier Tage später wieder freigelassen, seien jedoch in Haft brutal misshandelt worden.
Auf telefonische Anfragen von Radio Free Asia reagierten die lokalen Behörden nervös bis irritiert. Ein Beamter des Public Security Bureau des Bezirks verwies auf den Leiter der Bezirksregierung: „Wenn der Vorsitzende sagt, dass das passiert ist, dann ist es passiert, wenn er sagt, dass es nicht passiert ist, dann ist auch nichts passiert.“ Ein Angestellter der Gemeindeverwaltung wollte den Vorfall am Telefon weder bestätigen noch verneinen. Ferner sagte er: „Die ausländischen Medien werden bloss wieder Ärger machen und Staub aufwirbeln. Wir haben hier eine gute Regierung, Es gibt keine Probleme. Wer hat protestiert? Wir haben nichts gesehen.“
Quellen: Lhasa Evening News [Übersetzung durch IGFM München]; Radio Free Asia; Phayul
20. Januar 2009
Tibeter müssen „Befreiung von der Sklaverei“ feiern
Ganz offensichtlich um das Gedenken an den tibetischen Volksaufstand vor 50 Jahren zu unterdrücken, wird den Tibetern ein Feiertag auferzwungen. Das tibetische Regionalparalament beschloss einstimmig, den 28. März zum „Tag der Befreiung von der Sklaverei“ zu machen. Laut der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua „wurden am 28. März 1959 die tibetischen Leibeigenen und Sklaven, die über 90 Prozent der Bevölkerung in dieser Region ausmachten, befreit, nachdem die Zentralregierung eine vom Dalai Lama und seinen Anhängern angezettelte bewaffnete Rebellion niederwarf.“ Und weiter heisst es bei Xinhua, dass der Feiertag an die „Emanzipation der Millionen von Leibeigenen und Sklaven“ erinnern solle, die seitdem „ihre eigenen Herren“ wurden. Der Dalai Lama und seine Anhänger wollten hingegen das kommunistische System sabotieren; sie stellten sich „gegen den Willen des tibetischen Volkes und den historischen Trend des Fortschrittes in dieser Region.“ Noch ist unklar, ob dieser Tag auch ein arbeitsfreier Tag sein wird.
Populärste chinesische Diskussionsplattform im Internet geschlossen
Das Amt für Kommunikationsangelegenheiten in Beijing hat vor einigen Tagen die grösste und populärste Internetplattform des Landes geschlossen. Der Gründer der Plattform namens Bullog wurde über die Schliessung informiert, die mit der Begründung erfolgte, dass „schädliche Inhalte über gegenwärtige Angelegenheiten“ verbreitet würden. Die Schliessung erfolgte nach einer allgemeinen Warnung der Regierung, dass die Kontrolle über Internetplattformen mit „vulgären Inhalten“ verschärft würde.
Bullog galt als sehr populäre Diskussionsplattform für chinesische Intellektuelle und Kommentatoren, wo auch kontroverse Meinungen über politische Entwicklungen ausgetauscht wurden. Die Zahl der täglichen Besucher lag bei mehr als 1 Million. Bullog war auch führend in der Information über die „Charta 08“; ein demokratisches Manifest, das kürzlich von mehr als hundert führenden chinesischen Intellektuellen unterzeichnet worden war. Einer der Sprecher von „Charta 08“ wurde kurz nach der Publikation festgenommen. Internetplattformen boten bis anhin in China mehr Freiheiten zur Diskussion von politischen Themen als die streng regulierte Presse. Die Schliessung von Bullog wird von ausländischen Beobachtern als Zeichen zunehmender Angst der Regierung vor Unruhen im Land gesehen.
China ist von der Wirtschaftskrise stark betroffen. Das Wirtschaftswachstum schwächt sich deutlich ab. Die Zahl der neu hinzugekommenen Arbeitslosen wird schon jetzt auf 6 bis 20 Millionen geschätzt.
Ausserdem stehen in diesem Jahr eine Reihe von politisch sensiblen Feiertagen an: der 20. Jahrestag der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz, der 50. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes und der 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China.
Quellen: AFP; Sydney Morning Herald
6. Januar 2009
Chinesische Presse beschuldigt Dalai Lama politischer Morde und Repressalien
Die chinesische Presse hat den Dalai Lama politische Morde, Repressalien sowie Autoritarismus vorgeworfen. Wie es in einem redaktionellen Beitrag der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua heisst, "hat die Clique des Dalai-lama politische und religiöse Dissidenten verfolgt und getötet, um die unteilbare Macht über die eigenen Adepten beizubehalten".
Der Verfasser führt die Aussagen eines der ehemaligen Weggefährten des Dalai Lama an, dem zufolge mindestens zehn Gegner des Dalai Lama Opfer von Auftragsmorden geworden seien. Im Besonderen wird auf die Verfolgungen der Anhänger der Gottheit Dorje Shugden eingegangen. Der Dalai Lama hatte den buddhistischen Gläubigen davon abgeraten, diese Gottheit zu verehren, da die Verehrung von Dorje Shugden der tibetischen Sache abträglich sei. Regelmässig protestieren seitdem Anhänger von Dorje Shugden lautstark und spektakulär bei allen Auslandsbesuchen des Dalai Lama. Es gab in der Vergangenheit mehrfach Indizien dafür, dass Dorje-Shugden-Anhänger gezielt von China gefördert und bezahlt worden sind.
Der Bericht von Xinhua behauptet nun, Dorje Shugden sei im Jahre 1990 vom Dalai Lama zum "prochinesischen Dämon" erklärt worden. Die Gläubigen, die sich dieser Resolution nicht unterwerfen wollten, würden als "Feinde der tibetischen Gesellschaft" abgestempelt. Daraufhin hätten die Anhänger des Dalai Lama grossangelegte „Pogrome“ verübt und die "Abtrünnigen" aus ihren Klöstern und ihren Heimatdörfern verbannt, heisst es. "Unter dem Deckmantel der Demokratie baut der Dalai Lama faktisch eine autoritär-theokratische Gesellschaftsordnung auf", so der Beitrag.
Russische Delegation muss Besuch in Dharamsala abbrechen
Offenbar auf Druck der russischen Regierung musste eine Delegation von Politikern aus Russland den Besuch beim Sitz des tibetischen Parlaments und der Regierung im Exil vorzeitig beenden. Die Delegation bestand aus drei Abgeordneten der russischen Duma sowie dem Premierminister der Autonomen Russischen Republik Kalmükien und dem Stellvertretenden Sprecher des Parlaments von Kalmükien und wollte dem Exilsitz einen dreitägigen Besuch mit einem umfassenden Programm abstatten. Die Delegation wurde von nicht weniger als 25 Medienvertretern aus Russland, aber auch aus der Ukraine, begleitet. Die russische Regierung, die in der Tibet-Frage streng die offizielle chinesische Regierungsposition übernimmt, hatte offenbar schon einen Tag nach dem Eintreffen der Delegation erheblichen Druck auf die Mitglieder ausgeübt, Dharamsala umgehend wieder zu verlassen. Diese bestanden jedoch darauf, nicht eher abzureisen, als bis sie die geplante Audienz beim Dalai Lama erhalten hatten. Die drei Duma-Abgeordneten verliessen umgehend danach Dharamsala, einen Tag früher als geplant.
Ursprünglich wollten fünf Duma-Mitglieder nach Dharamsala reisen, jedoch sagten zwei von ihnen unmittelbar vor der Abreise ihre Teilnahme ohne Angabe von Gründen ab.
Der Dalai Lama hatte Kalmükien, das stark vom tibetischen Buddhismus geprägt ist, schon mehrfach besuchen wollen, jedoch waren ihm für Besuche in den Jahren 2002 und 2003 jeweils Visa verweigert worden [vergl. Tibet-Information vom 6. Oktober 2003; UM]. Im November 2004 wurde ihm dann ein Visum so kurzfristig erteilt, dass für die Reise in aller Eile ein Privatjet gechartert werden musste [vergl. Tibet-Information vom 17. Dezember 2004; UM].
Quellen: Novosti; Phayul